Realsatire
Die Regierung Merkel demonstriert in Europa ihre Vormachtstellung. Finanzminister Schäuble hat mit Griechenland ein Exempel statuiert und Kanzlerin Merkel lässt ihn gewähren.
Ein Gastbeitrag von blog1
Im Bundeskanzleramt treffen sich die Parteispitzen der CDU zu ihrer regelmäßigen wöchentlichen Sitzung unter strengster Geheimhaltung natürlich. Mit von der Partie sind neben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Fraktionschef Volker Kauder sowie der Generalsekretär Peter Tauber. Aus der Agenda stehen heute Griechenland, TTIP, Mitgliederwerbung und die Flüchtlingsproblematik.
Merkel: Also, Wolfgang, wie Du das gestern in der Sendung „Was nun Herr Schäuble“ wieder hingekriegt hast, allerhöchste Hochachtung von mir, mein lieber Wolfgang.
Schäuble: Na ja, die zwei Moderatoren Schausten und Frey waren ja sehr handsam mit ihren Fragen. Es kam mir fast so vor, als ob der Fragenkatalog vorab abgesprochen war. Jetzt müssen wir nur noch die Abweichler in der eigenen Fraktion in Schach halten. Also, zu meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender hätte es eine solche Ablehnungsfront in einer solch zentralen Frage wie das dritte Hilfspaket für Griechenland nicht gegeben.
Kauder: Ich habe mein Möglichstes getan. Die Abweichler sind zwar ärgerlich, aber wenigstens kennen wir sie alle. Bei der nächsten Bundestagswahl müssen wir über die vorderen Listenplätze neu nachdenken. Man spuckt einfach nicht auf die Hand, die einen nährt.
Altmaier: Also die Kommunikation mit der Fraktion ist gut, daran kann es nicht liegen. Es gibt ein paar Rädelsführer, wie beispielsweise Herrn Bosbach, der sich medial in jeder Talkshow verpflichtet fühlt, seinen Standpunkt zur Griechenlandfrage dezidiert zum Besten zu geben. Auch wenn ich die Wortwahl meines Vorgängers Pofalla nicht gerade als optimal bezeichnen möchte, muss ich ihm im Falle Bosbach ausnahmsweise mal Recht geben.
Schäuble: Das sind doch Kinkerlitzchen. Entscheidend ist doch, was hinten dabei rauskommt. Mir hat die Wortwahl von Herrn Varoufakis auch nicht gefallen. Und was ist jetzt Fakt? Ich bin noch da und Herr Varoufakis ist weg. So funktioniert heute Realpolitik.
Merkel: Ich bin ja auch noch da mein lieber Wolfgang. Und es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn Du gestern erklärt hast, dass zwischen der Bundeskanzlerin und dem Finanzminister kein Blatt Papier passt.
Tauber: Hoffentlich bleiben Sie uns noch sehr lange erhalten, Frau Bundeskanzlerin. Die SPD hat ja schon resigniert die Flinte ins Korn geworfen und erklärt, dass es sich für die Sozis gar nicht lohnt, für die die nächste Bundestagswahl einen eigenen Kandidaten aufzustellen.
Kauder: Das sind doch politische Sandkastenspiele. Gabriel ist weder als Vizekanzler noch als Kanzlerkandidat geeignet. Er taugt allenfalls zum Steigbügelhalter einer Politik, die von der CDU geprägt wird.
Altmeier: Genau, mein lieber Volker. Wir müssen nur dafür sorgen, dass Gabriel weiter in Amt und Würden bleibt. Dann ist die nächste Wahl schon gelaufen. Nicht zu vergessen, für die Abstimmung im EU-Parlament in Sachen des Freihandelsabkommen TTIP brauchen wir ihn auch.
Schäuble: Meine Herrschaften, nichts aber auch nichts ist gelaufen. Wir wissen doch alle nicht, wie es mit Deutschland die nächsten 2 Jahre weiter geht. Wir wissen zwar, dass es mit Griechenland weiter bergab geht, auch Länder wie Spanien und Portugal sich nicht entscheidend erholen werden, die Franzosen und die Italiener auf der Stelle treten werden, aber ob das reicht, uns an der der Spitze zu halten, das wage ich zu bezweifeln. Die Schwäche der anderen ist unsere Stärke. Deshalb müssen die anderen unsere Regeln befolgen, damit unsere Wettbewerbsfähigkeit immer ein gutes Stück von der Wettbewerbsfähigkeit der anderen Staaten entfernt bleibt.
Merkel: Davon hast Du aber in der gestrigen Sendung im ZDF nichts erzählt, mein lieber Wolfgang.
Kauder: Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn ein Politiker öffentlich die Wahrheit sagen würde.
Altmaier: Trotzdem müssen wir in der Flüchtlingsfrage endlich mal Klartext sprechen. Es kann doch nicht angehen, dass immer mehr Asylantenwohnheime in Brand gesteckt werden. Das ist doch unerträglich.
Tauber: Wir brauchen deshalb ein Einwanderungsgesetz. Das sage ich schon lange. Wir dürfen nur die Leute rein lassen, die wir wirklich benötigen. Die anderen müssen dahin zurück, woher sie gekommen sind. So verstehe ich die Einwanderungspolitik der CDU.
Kauder: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen sozusagen. Eines muss man dem Seehofer schon lassen. Es stampft schnell mal zwei Abschiebelager aus dem Boden und schon ist die bayrische Bevölkerung besänftigt.
Altmaier: Manchmal ist es schon nützlich, wenn man für die unangenehmen Themen wie TTIP sowie die Flüchtlingsfrage Sündenböcke vorschieben kann, um von der eigenen Position ablenken zu können. Wenn ich den Wolfgang richtig verstanden habe, dann müssen wir zur Not unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit dadurch steigern, dass wir dafür Sorge tragen, unseren europäischen und außereuropäischen Freunden diejenigen Arbeitskräfte abzunehmen, die in ihren Heimatländern zwar dringend gebraucht werden, aber aktuell nur bei uns in Deutschland eine Perspektive haben.
Schäuble: (Grinst still vor sich hin, sagt aber nichts.)
Merkel: Ich habe in meinem Amtseid nur erklärt, den Nutzen von Deutschland zu mehren.
Kauder: So wahr Dir Gott helfe, mein liebe Angela.
Tauber: Dieses sentimentale Gequatsche bringt uns doch nicht weiter. Die CDU braucht dringend neue Mitglieder. Die Attribute jung, weiblich und wenn möglich mit Migrationshintergrund wären geradezu ideal.
Merkel: Ja, meine Herren, da können Sie von Glück sagen, dass Sie bereits in der CDU eine tragende Rolle innehaben. Ansonsten hätten Sie bei einer Neuaufnahme der Mitgliedschaft nur geringe Chancen.
Schäuble: Mich trägt mein Selbstverständnis von einem dienenden, ausschließlich dem deutschen Staat verpflichteten Staatsdiener von Legislaturperiode zu Legislaturperiode. Für die Spitze des Staates hat es zwar nie gereicht, aber ich habe mit mir meinen inneren Frieden gemacht. Wer kann schon von sich behaupten, immer das Richtige getan zu haben. Das ist auch nicht so entscheidend. Entscheidend ist aber, dass man sich an das hält, was man vorher mit seinem Gegenüber und Vertragspartner vereinbart hat.
Merkel: Dem ist dann wohl nichts mehr hinzuzufügen, mein lieber Wolfgang. Dann werden wir bei dem nächsten CDU-Parteitag Anfang Dezember unsere Entscheidung, ob wir beide weitermachen werden, bekannt geben.
Die Sitzung ist beendet. Eine nachdenkliche Kanzlerin und ein selbstgefälliger Finanzminister bleiben zurück. Alles scheint für die CDU/CSU gelaufen zu sein, wenn da nicht der Unsicherheitsfaktor wäre.
blog1 ist ein Pseudonym. Unter diesem Namen veröffentlicht ein uns bekannter kritischer Geist regelmäßig Realsatiren in der Freitag-Community. Dieser Beitrag ist ebenfalls dort erschienen.
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