Schlagwort-Archive: Hartz IV

Flüchtlinge und Vorurteile

Flüchtlingslager „Höffner”, Fürth bei Nürnberg

Dieser Mann will also bayerischer Ministerpräsident werden. Markus Söder hatte scharfsinnig nach den Attentaten in Paris erkannt: „Zwar sei nicht jeder Flüchtling ein IS-Terrorist, aber es sei naiv zu glauben, unter den Flüchtlingen befinde sich kein einziger Bürgerkrieger.“ (SZ, 19.11.15)

Dass die Fluchtbewegung und der Terrorismus zum großen Teil identische Ursachen haben, nein, das hat er nicht erkannt, das hat er sogar bestritten, als er sich noch einmal zum Thema erklärt hat: „ … dass es ihm absolut fern gelegen habe, einen Zusammenhang zwischen den Terrorereignissen und dem Flüchtlingsproblem darzustellen.“ Weiterlesen

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Das Schweigen der Merkel

Bild: http://www.fluechtlingsrat-bayern.de/tl_files/Fotos/15-08-07_Passau.jpg

Am 19.8.15 meldet die SZ auf der Seite 1: „Die Bundesregierung muss ihre Prognose für 2015 nach oben korrigieren. Es wird erwartet, dass womöglich bis zu 750.000 Menschen Asyl beantragen werden.“
Schon am 27.7.15 sagte die Tagesschau unter dem Titel „Fast täglich ein Angriff“, dass vor allem im Osten und im Süden des Landes die ablehnende Haltung mancher Bürger gegenüber Flüchtlingen sich zunehmend in fremdenfeindlicher Gewalt äußere. Weiterlesen

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Reiche Länder, Arme Menschen

“Es geht darum, politische Forderungen zu stellen”

Elisa Ludwig, Mitherausgeberin des Blogzines Políticas im Gespräch mit Kathrin Hartmann

Armut in reichen Ländern wird selten thematisiert und wenn doch, dann meist nur möglichst distanziert. Kaum nehmen wir wahr, dass sie ein unumgänglicher Teil unserer Wirtschaftsordnung ist und nicht pauschal als selbstverschuldet gelten kann. Immer wieder verdrängen wir die Realität der Armut und tun sie als Problem von sogenannten Faulen, von Arbeitslosen oder von „irgendwelchen Zugereisten“ ab, die sich alle miteinander angeblich selbst in ihre Misere hineingeritten hätten. Die Täter-Opfer-Umkehr wird somit perfekt, der Gegenspieler Reichtum gerät aus dem Blick, die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen von Armut erreichen – als solche – gar nicht erst unsere Aufmerksamkeit und das zugrunde liegende System, das diese Zustände überhaupt ermöglicht, bleibt weiterhin unbehelligt.

Die Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann macht mit ihrem Buch „Wir müssen leider draußen bleiben“ genau darauf aufmerksam, weshalb sie im Themenmonat „Armut, Hunger & Ethik“ der Nachhaltigkeits-Reihe der Wiener Volkshochschulen zu Vortrag und Podiumsdiskussion „Essen ist Selbstbestimmung!“ geladen wurde. Im Vorfeld traf auch ich sie zu einem höchst interessanten Gespräch.

Ludwig: In Ihrem letzten Buch „Wir müssen leider draußen bleiben“ beschäftigen Sie sich unter anderem auch mit Armut. Europaweit steigen die Zahlen, sowohl was die Armutsgefährdung, die Einkommensarmut und die manifeste Armut betrifft. Was aber heißt es überhaupt, arm zu sein? Was impliziert Armut?

Hartmann: Kurz zusammengefasst bedeutet Armut die Unmöglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Armut heißt keinen Zugang zu den Dingen zu haben, die ein gutes Leben ermöglichen. Das beginnt fundamental beim Essen, geht weiter über die medizinische Versorgung, Bildung, kulturelle Angebote und reicht zum Teil auch bis zum politischen Engagement. Es gibt einen sehr irreführenden Begriff mit dem Armut in reichen Ländern definiert wird, den der „relativen Armut“. Das klingt wie „relativ arm“, also harmlos. Im Sinne von: Im Vergleich zu Afrika geht es uns hier doch eigentlich ganz gut, wenigstens haben wir ein Dach über dem Kopf und genügend zu Essen. Aber der Begriff „relative Armut“ bezieht sich in Wahrheit nicht auf die Armut in sogenannten Entwicklungsländern, sondern stellt einen Bezug zum Durchschnitt der Gesellschaft her, in der man selbst lebt. Das Problematische ist, dass er Armut in reichen Ländern kleiner erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist, weil er sich am Durchschnittseinkommen orientiert. Aber Armut in reichen Ländern bedeutet mehr, als zu wenig Geld zu haben, es bedeutet eben auch einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung. Weiterlesen

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Kein Mittagessen? Armut in einer reichen Stadt

Winthirschule in München, Foto: Andreas Schlutter

Unter dem Titel „Ausgehungert“ erschien am 20. März 2015 ein Artikel im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung. In der Unterzeile heißt es:

„Die Mittagsverpflegung an der Winthirschule überfordert die finanziellen Möglichkeiten vieler Familien. Ohne ein solches Angebot für die Kinder steht aber die Genehmigung als Ganztagsschule auf dem Spiel“

Der bisherige Caterer „Apetito“ hatte erklärt, den Preis nicht mehr halten zu können, und wollte von 4,20 Euro pro Person auf 5,50 Euro erhöhen. „86 Prozent der Winthir-Schüler“, so die SZ, „kommen aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien, in vielen Familien ist das Geld knapp.“ Ein anderer Caterer wurde gefunden, der für 4,70 € liefern wollte, allerdings auf eine Garantieabnahme von 120 Essen bestand. Das scheiterte schließlich, seit Anfang des Monats kochen die Lehrer „Nudeln in großen Portionen, gehen Burger oder Döner kaufen.“

Am 25. März titelte der Neuhauser/Nymphenburger Anzeiger „Kinder gehen leer aus – Eltern entsetzt: Notstand in der Mittelschule am Winthirplatz“. Auf Seite 3 heißt es, der Vorsitzende des Elternbeirates der Schule, Michael Ruml „erwartet, dass die Zuständigkeiten umgehend geklärt werden. ‚Dann muss das Konzept der Ganztagsschule einheitlich umgesetzt werden, und dazu gehört auch eine Mittagsverpflegung, die für alle bezahlbar ist‘, sagt er.“ Bis zum Sommer gibt es nun eine Zwischenlösung. „Schülern aus Familien mit geringem Einkommen schießen zwei Stiftungen nun Geld zum Essen zu, die 4000 Euro werden bis zum Schuljahresende reichen“ (SZ). Ob aber ab Herbst die Weiterführung der Ganztagsklassen möglich ist, hängt von einer dauerhaften Lösung ab, für die sich weder das Kultusministerium noch das Referat für Bildung und Sport als zuständig erklären. Weiterlesen

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Arbeitslosigkeit in München

Foto: sebibrux

Mike Gallen ist seit 18 Jahren Arbeitslosenseelsorger im Münchner Westend. Heute ist ein Interview mit ihm im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung erschienen, das in voller Länge online verfügbar ist.

Ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, dass ich Leute zusammenbringe – zum Beispiel begleiten dann Arbeitslose andere Arbeitslose zu Behörden wie dem Jobcenter. Und ich biete Räume, in denen Menschen zusammenfinden und sich aussprechen können. Räume, in denen Seelsorge stattfinden kann. Es geht darum, menschlicher zu werden – das bedeutet pastoral eigentlich. Deshalb gehe ich mit diesen Menschen auch auf die Straße, um gegen die Harz-IV-Gesetze zu protestieren und für ein menschlicheres Leben hier in dieser Stadt.
(…)

Die Ausweglosigkeit kommt immer wieder zur Sprache, gerade bei Leuten, die noch nicht so lange arbeitslos sind. Sie haben wahnsinnige Angst, dass sie Hartz IV erwischt. In meiner eigenen Hilfslosigkeit frage ich dann, ob es nicht irgendetwas gibt, was ihnen guttut. Ich bin oft ein hilfloser Helfer. Aber eigentlich geht es nur darum, da zu sein, die Hilflosigkeit und die Angst auszuhalten. Einfach ist das nicht. Die Menschen werden in den Ämtern oft stark unter Druck gesetzt. Deshalb ist die Begleitung dahin ganz wichtig. (…)

Es ist das System, das die Menschen kaputt macht. Auch die Berater stehen unter Druck. Es gibt zu wenig Personal, um die Betroffenen vernünftig zu begleiten. Und es gibt zu wenig Geld, um adäquate Fortbildungen anzubieten. Jede Veränderung hat zusätzliche Sanktionen mit sich gebracht. Das macht die Menschen kaputt. Theologisch gesehen, bezeichne ich das als sündige Strukturen.

Das ganze Interview ist hier nachzulesen: “Die Menschen sind so verdammt allein

Bildquelle: sebibrux / CC BY-NC 2.0

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