Xis Versuch der Verknüpfung von Mao und Deng
11. | Xis Versuch der Verknüpfung von Mao und Deng |
„Xi Jinpings Welt gründet auf einem zentralen Versprechen: Reichtum für alle“1.
Diese Aussage verdeutlicht dann auch, wie Xi Mao und Deng verknüpft und mit dieser Priorität gerade der ökologische Kollaps der Welt so eher beschleunigt zu werden droht.
„Die oppositionslose Gleichschaltung“ auch der Medien, denen Xi sagt, „Eure Familie ist die kommunistische Partei“, weil „Xi Jinping träumt von einer Welt unter seiner Kontrolle“1: All diese Themen kann man als Bedrohung wahrnehmen. So, wie es auch weitestgehend die Intention der Macher des Filmes „Die Welt des Xi Jinping“ ist.
Man kann das aber auch als Herausforderung für eine dialogfähige neue demokratische und ökologische Ausrichtung des Westens annehmen.
Der Welt mit China und seinen Partnern und dem Westen.
2011/12, als Chinas Immobilienblase platzte und die Frage war, ob es eine harte oder weiche Landung der Blase gäbe, empfand ich die chinesische Presse dort arbeitend als kritisch und offen.
Sie debattierte diese Gefahr offen.
Die in „Die Welt des Xi Jinping“ zitierte „Vernichtung aller Hoffnungen auf Demokratisierung Chinas“ 1 von Seiten Xis: ich habe nach meinem zweiten eineinhalbmonatigen Arbeitsaufenthalt in China damals in Deutschland einen Vortrag „Chinas Boom – Reich ohne Mitte oder Chancen für einen nachhaltigen Entwicklungsprozess?“ gehalten. Die darin geforderten Perspektiven wurden von westlicher Seite angefeindet. Ein eigentlich geplanter zweiter Vortrag dazu wurde ersatzlos von der Stadt als Betreiber der „Volkshochschule“ gestrichen. Zensiert?
Die „Arroganz der Systemgewinner“ ist nach der Krise 2008 in große Angst umgeschlagen. Lähmende Angst, die stetig neue Feindbilder als Projektionsflächen erfordert. Die aber so keinerlei Lösungsstrategien zu entwickeln vermag.
China bündelt gewaltige Produktivkräfte. Die „Werkbank der Welt“ ist reich geworden. Und sie vermag insofern die Welt zu beherrschen.
Mit schroffer Konfrontation sind die Dinge nicht zu bewegen. Zumal die autoritäre Steuerung dort unter Xi höchst subtil gestaltet ist.
Viele Beschreibungen der Zustände in China im Film erinnern an die Kulturrevolution. Konzentrationslager aus dieser Zeit habe ich auch bei meiner ersten Reise im bewegten Jahr 1989 in Yunnan im tropischen Südwesten des Landes gefunden. Ein verlassenes buddhistisches Kloster mit vielen Inschriften zur Umerziehung und zur Selbstanklage an den Wänden.
Die Internierung von rund einer Million Uyguren in Lagern im Nordwesten, in ihrer Heimatprovinz Sinkiang, die verschärfte Internetkontrolle, bei der jegliche Kritik an Xi und der Partei mit sofortiger Verhaftung geahndet wird:
China scheint wieder in einer explosiven Situation wie 1989 zu sein. Die Beschneidung von immer mehr Freiheiten durch Xi gerade auch in den von anderen Völkern in Chinas Westen besiedelten Gegenden wie Tibet und der früheren britischen Kronkolonie Hongkong, das hier als „semidemokratische Enklave“ bezeichnet wird: das sind dieselben Zeichen wie anno 1988/89.
Gerade der im Film porträtierte Buchhändler dort in Hongkong und sein Schauprozess, seine „Gehirnwäsche“ verdeutlichen, wohin die subtile Machtkontrolle geht.
Das „Sozialkreditsystem“ , das so von Xi angewandt wird, veranschaulicht, wie weit wir über George Orwells Überwachungsszenario „1984“ hinaus sind.
„Big brother“ – „Das Auge der Regierung“, das einen überall beobachtet und mit „neuer Gesichtserkennungssoftware“ sofort Namen und Daten zuordnet und so entsprechend alles zentral speichert: Das ist weiter als jede Horrorvision der totalen Kontrolle. Die Bewertung mittels solcher Instrumente, ob die Bürger „gute oder schlechte Bürger“ sind:
das ist eine Gleichschaltung, die Mao in dieser Perfektion in der Kulturrevolution nicht erreichen konnte. Die perfekte soziale Kontrolle. Die perfekte Normierung des Einzelnen.
Der in den US lebende Dissident und Biograf von Xi, Yue Jie, dessen kritischer Facebook-Eintrag zur KP mit einer 24-stündigen Sperre belegt wurde, verdeutlicht dabei, dass auch „westliche Standards“ sich zusehends dem chinesischen Modell annähern. Was kam früher: Henne oder Ei? Eine müßige Frage.
Die Worte des früheren US-Botschafters 2014 bis 17 in Peking, Max Baucus, dass Xis Machtfülle und der Umgang damit die Frage aufwirft, wie eine Demokratie mit einem solch autoritären Regime umgehen solle und die US – der Westen viel intensiver darüber nachdenken sollten:
das ist tatsächlich die Kernfrage.
Wenn Baucus sagt: „Denn bisher sind wir damit noch nicht weit gediegen“1, dann verdeutlicht er das Dilemma der Arroganz der Systemgewinner. Und ihrer Angst ob eines starken, bald ebenbürtigen Gegners.
Eines Gegners aber in welchem Konflikt auf welchen Ebenen zu welchen Zeiten? Anders herum gefragt:
Ist die Verlängerung des „Kalten Krieges“ mit vielen heißen Stellvertreterkriegen an verschiedenen Standorten im Anthropozän, in dem Homo Sapiens Sapiens erkannt hat, dass er mit, nicht gegen seinen „Heimatplaneten“ nur überleben kann die einzig richtige Antwort?
Welche anderen Antworten jedoch gibt es und:
wie kommen wir dahin?
12. | Zwischen „Neo-Liberalismus“ und „Neo-Konfuzianismus“ „Individualismus“, „Kollektivismus“ und „Totalitarismus“: „Anpassung oder Wagnis“ Und WIR in Europa dazwischen? – Perspektiven 2019ff. |
Politik als „Organisationsform gesellschaftlichen Zusammenlebens“ ist in „postdemokratischen“ Zeiten in erster Linie dem Statuserhalt oder dem Ausbau des Status’ des Zahlungskräftigsten und am besten Vernetzten verpflichtet.
Im „Rechtsstaat“, dessen Regeln ja für jeden irgendwie verbindlich sein wollen, heißt das: das Recht und dessen „Beweglichkeit“ wird von denjenigen mit den höchsten Mandaten, ergo auch den besten Anwälten oder den besten, primär „schlag- und zahlungskräftigsten Partnern“ gesteuert.
Flexibilität bei Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit und ihrer Darstellung ist insofern die Kardinalforderung des Spiels um Machtgewinn, ihren Erhalt und ihren Ausbau.
Auf allen Bühnen.
Entscheidungsprozesse sind so behutsam zu gestalten und nach allen Seiten abzusichern. Jeder Mensch, der im Spiel um Macht eine führende Position inne hat weiß, dass ein Scheitern schnell zu seinem oder ihrem Untergang führt.
Und zum Abschied von allen eigenen Hoffnungen.
Mehrheiten sind also im „Neo-Liberalismus“ und im „Neo-Konfuzianismus“ im „alltäglichen betrieblichen“, und erst recht im „politischen Ränkespiel“ dringendst erforderlich. „Linientreue“ zahlt sich darin bis zu einem gewissen Zeitpunkt unbedingt aus.Spätestens der Moment der Machtfestigung jedoch bedarf des kalkulierten Risikos. Xi Jinping ist da zwischen Mao Zedong und Deng Xiaoping den Weg der größten Anpassung gegangen:
der bessere „Kommunist“ als Mao, der bessere „Staatskapitalist“, also „chinesische Neo-Liberale“ als Deng.
Der so auch den „Linksabweichler“ Bo Xilai ausstechen konnte.
Der im „Neo-Konfuzianismus“ angelegte Gehorsam ermöglicht Xi denn auch die Installation des „Sozialkreditsystems“, der perfekten digitalen Überwachungsmachinerie.
Während unter und nach Mao Zedong Macht- und Richtungskämpfe noch öffentlich ausgetragen wurden und zu entsetzlichen Verwerfungen wie auch der Kulturrevolution selbst, also letzlich verheerendem Bürgerkrieg führten, verlief all das bei Deng Xiaoping schon viel „diskreter“.
Nur einmal fiel Deng gerade auch dem „kritischen Blick des Westens“ gegenüber in Ungnade: bei der Niederschlagung der Studentenbewegung auf Pekings „Platz des Himmlischen Friedens“ im Sommer 1989.
Die Einschüchterung des „ganzen chinesischen Volkes“ danach, die Angst vor Bürgerkrieg ob der sehr wechselhaften und blutigen Geschichte des Reichs der Mitte gerade auch im 20. Jahrhundert:
„Brot und Spiele“ erfordern auch in China dann Maßnahmen zur „besänftigenden Aufmunterung“ einerseits und zur „Dämpfung des Volkszorns“ andererseits.
Dengs Reise in den Süden Chinas und der Besuch der dortigen Parteifunktionäre auch zur Überzeugung der dortigen Bevölkerung dann 1992 ließ ihn 87-jährig am Ende seiner Amts- und Lebenszeit die „chinesische sozialistische Marktwirtschaft“ begründen und damit ein bis heute gültiges Erbe hinterlassen:
„Man muss etwas mehr Mut bei der Reform- und Öffnungspolitik an den Tag legen, Mut zum Experiment, nicht wie Frauen mit gebundenen Füßen. Wenn man das Ziel erkannt hat, dann mutig versucht, dann mutig drauflos! Ohne Draufgängertum, ohne ‚Abenteurertum‘ bleibt alles saft- und kraftlos, dann werden wir keinen guten Weg, keinen neuen Weg nehmen und auch nichts Neues zustande bringen können. …
Bei der Reform der Städte wie der ländlichen Gebiete geht es nicht um Debatten, sondern um mutige Versuche, mutiges Drauflosgehen; unsere Politik lässt Versuche zu, das Zulassen von Versuchen ist viel besser als jeder Zwang. …
Man muss die Gelegenheit beim Schopfe packen und jetzt ist so eine Gelegenheit. Ich mache mir Sorgen, dass die Gelegenheit verpasst, die Gelegenheit nicht beim Schopfe gepackt wird; wenn man eine Chance sieht und sie nicht nutzt, ist auf einmal der richtige Zeitpunkt vorbei.“12
Im Gegensatz zu Maos Erbe, das tiefe Wunden im kollektiven Gedächtnis, der „chinesischen Seele“ hinterlassen hat und vielfach nach seinem Tode revidiert wurde, blieb Dengs Reformkurs im Prinzip auch nach seinem Tode 1997 bestehen.
Der letzte geostrategisch kluge große Kosmopolit im deutschen Kanzleramt, Helmut Schmidt fragte Deng einmal ja auch 1984, ob er denn nicht eher ein „Konfuzianer“ als ein „Kommunist“ sei und Dengs kryptische, aber auch höchst pragmatische Antwort lautete: „So what?“ – also: „Na und?“ – oder, wie Schmidt in seinen Erinnerungen 2008 sagt: „Was hast Du dagegen?“13 Xi hingegen laviert nun zwischen den beiden.
Zu Maos Zwang zur Installation des „Kommunismus“ und Dengs Öffnung zum Erlangen „individuellen Reichtums“ in einer „sozialistischen Marktwirtschaft“ kommt nun die offen „Neo-Konfuzianische Etikette“.
In einer Zeit, in der die Angst vor Statusverlust überall vorherrscht, baut Xi ein Überwachungssystem auf, das den bedingungslosen Gehorsam als eine Komponente des Konfuzianismus betont, aber alle anderen Komponenten der Charakterbildung in „konfuzianischer Ethik“ diesem so unterordnet. Uniformierung, die nicht mehr mit der blauen Einheitskleidung Maos eine auch äußerlich sichtbare bedingungslose Gleichschaltung des Milliardenvolkes bewirken soll, sondern das Heer der Menschen zudem innerlich völlig gleichschalten will.
Auch die im Frühjahr 2011 ausgeschriebenen Ziele im 12. Fünfjahresplan der Volksrepublik China zur Bekämpfung der gewaltigen Immobilienblase und zum Abkühlen der überhitzten Volkswirtschaft werden so dem persönlichen Machterhalt Xis und seiner Parteidoktrin untergeordnet:
die „Binnenentwicklung“ wird zu einer weiteren sozialen Spaltung der Gesellschaft geführt, „grüne Entwicklung“ und „das Glück des Volkes“ bleiben komplett in der Hand des Parteiapparates und der Oligarchen.14
Ergo wird auch weiter auf Teufel komm raus „Betongold“ produziert und gewaltige Ressourcen werden in der „urbanen Revolution“ an Bedarf und Möglichkeiten des größten Teils der Bevölkerung vorbei verschwendet.
„Schattenbanken“ haben zudem vielen Folgen der aufgeplatzten Blasen zum „Abschreiben“ und „Auffangen“ verholfen. Und zur maßlosen Bereicherung einiger weniger beigetragen.
Führt so die „urbane Revolution“ Chinas auch zu einer neuen Aufspaltung des Landes? Verliert das Reich so seine Mitte, oder – wie Mee Kam Ng, hoher Stadtgeograph und Stadt-Forscher aus Hongkong sagt, führt dies ähnlich wie Maos „Kulturrevolution“ nun zur Aufspaltung Chinas in „Zwei Chinas“?
Oder gelingt nach über drei Jahrzehnten der Öffnung Chinas für ausländische Investitionen der Spagat zwischen „Dezentralisierung“ und „Rezentralisierung“?15
Der Westen hat es China mit seinem „Post-Neo-Liberalismus“ und den darin verpufften sozialen „Reförmchen“ jedoch sicher leicht gemacht, einen Weg der allergrößten Scheinheiligkeit und Problemverschiebung zu gehen.Dieser Irrweg zeichnet sich bei Xi derzeit deutlich ab. Der erste Auslandstützpunkt der Volksarmee in Djibouti zur Kontrolle der afrikanischen Märkte und die Landbesitzansprüche im pazifischen Raum verdeutlichen zudem, in wie weit man in China nun den amerikanischen Weg zu kopieren bereit ist.
Der Umgang mit Schuldnern im Rahmen des Seidenstraßenprojektes erinnert zudem an den Umgang des Westens mit China in Folge der Demütigung des Opiumkrieges Mitte des 19. Jahrhunderts.
„Neo-Post-Kolonialismus“ auch chinesischer Prägung?
Führt so ein „neuer Kaiser auf Lebenszeit“ China einmal mehr in ein „neues Feudalsystem“?
Im Gegensatz zu vielen westlichen Herrschern muss Xi keine Neuwahlen fürchten. Wohl aber Aufstände seines Volkes.
Lady Macbeth und seine Gegner haben immer viele Pfeile im Köcher. Und Xi als Hamlet weiß, dass ein falscher Schritt alles zunichte machen kann. Deswegen benötigt er die totale Kontrolle. Innen wie außen.
Der Westen, in dem Fehler und Versäumnisse „demokratisch gewählter Technokraten“ auch niemals geahndet werden, wohl aber stetig „Teile und Herrsche“ zur Verschiebung von Verantwortlichkeiten auf den Plebs gespielt wird, gibt ihm da ständig neue Steilvorlagen.
Gesichts-, Status- und Machtverlust auf den Bühnen des politischen und betrieblichen Lebens findet nur bei den zahlenden Zuschauern im Parkett und den Komparsen im Hintergrund statt.Auf der Bühne können die Akteure ungeschminkt schalten und walten, lügen und betrügen. Regisseure und Souffleusen sorgen für schnelles Vergessen bei der öffentlichen Meinung.
Wie steht es also bei uns?
Wo stehen wir?
WIR hier in Europa?
Die „Erfinder des Neo-Liberalismus“, die Epigonen von Maggie Thatcher und Ronald Reagan verabschieden sich. Frühere Mitarbeiter gerade aus der Reagan-Administration haben sich gar schon vollends mit Grauen abgewandt.
In der „Post-Demokratie“ wenden sich nun aber auch die „derzeitigen Systemverwalter“ der britischen Insel und der „verbliebenen Supermacht des Kalten Krieges“ von Europa ab. Nationalismus allenthalben. Aber auch:
„Teile und Herrsche“ als „Jede(r) gegen Jede(n)“?
Brexit und Trump: „Symptome, nicht die Erkrankung“, um hier einmal mehr den früheren CNN-Kriegsreporter und Journalisten Chris Hedges, der von „Amerika als gescheiterte Demokratie“ spricht zu Worte kommen zu lassen.16
Andrea Nahles hier eingangs nochmals von Ludger Elmer notierte Aussage:
„Nicht der Neoliberalismus sei das Problem, sondern der chinesische Staatskapitalismus.“4
und viele Erfahrungen meinerseits in den letzten Jahren verdeutlichen mir, dass man in Deutschland „Globalisierung“ weiter nicht bewältigen kann und will. Vor allem in Hinblick auf eine „Renaissance der sozialen Marktwirtschaft“.
Die Angst auch der Herrschenden wird so zum lähmenden Nervengift für die Beherrschten. Immerfort.
Der provokante Ausspruch meinerseits:
„Globalisierung wird heute größtenteils in Deutschland auf dem Niveau von Dorfschützenkönigen gestaltet“, der aus schmerzhaften Erfahrungen resultiert, die mich letztlich auch 2009/10 nach Afghanistan geführt haben:
er bleibt erst einmal im Raum stehen.
Man redet von „lebenslangem Lernen“ und vielen anderen schönen Dingen, auch von Gewerkschaftsseite. Aber auch in „sozialdemokratischen Kreisen“ schottet man sich gegen die entscheidenden Themen ab. Man zeigt auf Probleme, tippt sie mit dem Finger an. Dann verbrennt man sich vielleicht die Finger und schreckt zurück.Ein Problem lösen kann man so nicht einmal ansatzweise.
So schlafend ist Europa zwei Mal in die Katastrophe gestürzt.
Wenn wir Glück haben, dann wird’s im 21. Jahrhundert nur ein schleichender Niedergang. Der ist so aber unausweichlich.
China hat gewaltige Produktivkräfte gebündelt. „Das Reich der Mitte“ steht vor ähnlichen Zerreißproben wie wir hier, wie die US auf der anderen Seite des Atlantiks. Themen, die eigentlich gemeinsamer Strategien bedürfen. Denn diese Themen betreffen maßgeblich das Überleben unserer Spezies.
In quantitativer wie erst Recht in qualitativer Hinsicht.
Die Welt ist ein käuflicher Ort geworden. Das Ausmaß von Kultur- und Naturzerstörung dabei ist atemberaubend.
„Kulturrevolutionen“ und „urbane Revolutionen“, die in käuflichen Kreisläufen der Regellosigkeit gefangen sind indes zerstören nicht nur unsere Identität. Sie zerstören auch unsere Lebensgrundlagen. Dies zu regeln und Auswege daraus zu finden: das geht nur über einen gemeinsamen Willen.
Und die damit einher gehende Demut.
Die aber auch Verhandlungsfähigkeit mit mächtigen Gegnern, die wir dringend als Partner gewinnen müssen einschließt.
So wie es im 20. Jahrhundert nach dem 2. Weltkrieg geschah, als die Welt in Trümmern lag und man Übereinkünfte für Wiederaufbau und Umbau erreichen musste.
So wie nach 1968 und Anfang der 1970er Jahre, als man sah, dass „Naturschutz“ auch Sicherung der Zukunft unserer Kinder entspricht. Und auch unsere Lebensbedingungen verbessert.
„Klimaschutz“ und Erhöhung der Widerstandsfähigkeiten gegen Unwetter und Klimaveränderungen ist nun ein ähnliches Thema, das dringender gemeinsamer Lösungsstrategien bedarf.
„Die Welt des Xi Jinping“1 und „Der tausendköpfige Drache“2 und viele hier dargelegten Themenkomplexe dazu verdeutlichen, wie gefangen wir da alle in der Vergangenheit sind.
Wie unfähig, die Gegenwart und die Zukunft anzugehen.
Ein im 20. Jahrhundert gefangenes 21. Jahrhundert wird uns keinen Schritt weiterbringen. Gerade uns hier in Europa. Das „Anthropozän“ wird so unweigerlich zum Fanal von Homo Sapiens Sapiens. Das sollte es nicht sein.Spionage, wie besonders in „Der tausendköpfige Drache“2 dargestellt ist dabei kein spezifisch chinesisches Thema, das also nur für uns hier ein Problem darstellt. Chinas „Sozialkreditsystem“ und Chinas Heere von „Industriespionen“ im Westen machen das, was wir spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden auch ahnen könnten. Sie bringen es vielleicht einen Schritt weiter. Aber:
Wer weiß, wo NSA und westliche Partner jetzt sind?
Wie da welche Menschen wie überwacht und welche Nachrichten wie manipuliert oder zumindest „gefiltert“ werden?
Dazu ist aber auch noch zu ergänzen: Edward Snowdens kolportierte Äußerung zur CIA als “Erfinderin des Klimawandels” indes ist ähnlich einfältig wie Nahles Äußerung zu “Neoliberalismus” und “chinesischem Staatskapitalismus“.
Es ist eben durchaus mit Nietzsche gesagt, „menschlich allzu menschlich“, auch einmal überfordert zu sein.17
Öffentliche Äußerungen jedoch sollten wohl überlegt sein.
Fehler macht jeder. Wichtig ist jedoch, aus welchem Fundus heraus man die Dinge angeht. Und mit welchem Ziel.
Geheim- und Intelligenzdienste dienen in jedem Falle derzeit allerorten der Festigung und Kontrolle von Machtstatus und dem Ausbau von Macht. Plattitüdenartige Gemeinplätze wie die Aussage von Andrea Nahles dienen indes dazu, eigene Fehler abzubügeln. Letztlich meint sie damit wohl auch, die Macht der eigenen schwindenden Nomenklatur durch solche Verrätselungen sichern zu können.
Weil sie selbst keinen Durchblick durch diese Dinge hat?
Ein fatales Signal für eine Sozialdemokratie am Abgrund. Denn Nahles selbst, geschweige denn die Sozialdemokratie in Deutschland insgesamt können mit den solchermaßen selbst erzeugten Bedrohungsszenarien umgehen. Sie stehen selbst wie vernagelt vor diesen frontalen Gemeinplätzen. Ohne Ausweg?
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“18
Der große französische Dramatiker und Schauspieler aus der Mitte des 17. Jahrhunderts Molière sagt da etwas, was in gewissem Sinne auch als Ergänzung zu Deng Xiaopings Zitat von der versäumten Gelegenheit gelten kann: „…Ich mache mir Sorgen, dass die Gelegenheit verpasst, die Gelegenheit nicht beim Schopfe gepackt wird; wenn man eine Chance sieht und sie nicht nutzt, ist auf einmal der richtige Zeitpunkt vorbei.“12
Die „Trägheit und Angst der Systemgewinner“, die da auch die Sozialdemokratie ergriffen hat, lässt diese so jede Möglichkeit für Wechsel und Veränderung in angsterfüllter Erstarrung verstreichen.
„Kein Ausweg?“
Disparitäten und Brüche zwischen verschiedenen kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen und damit verknüpfte Erfahrungshorizonte, die aber so stetig ignoriert werden, drohen gerade den „Alten Kontinent“ immer mehr zwischen den Machtblöcken zu zerreiben. Wie gesagt:
Ein schleichender, aber kontinuierlicher Niedergang könnte so das Ergebnis sein. Lösungsmöglichkeiten für Fehlentwicklungen verschwinden so zusehends in revanchistischen Machtspielen ohne Zukunftsperspektiven.
„Dumm gelaufen?“
Anders gefragt: ist die „Überforderung“, mit den entscheidenden Themen der „Globalisierung“ umzugehen von herrschenden „Eliten“ eine „tragfähige Antwort“ auf die Herausforderungen, denen wir uns gegenüber sehen?
Verschlafen wir so nicht jede Möglichkeit, eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder zu ermöglichen?
Die Dünnhäutigkeit des Alltags überall:
Was bleibt da von Lösungsmöglichkeiten, wenn immer mehr Wege durch die Gefahr des Fehlermachens und den damit drohenden „Gesichtsverlust“ verstellt sind?
Oder, wieder anders herum gefragt:
Ist gute Arbeit nicht eine „Annäherung an realistische Umsetzbarkeit“? Und insofern auch: ein Weg, der die Vergangenheit ohne Verbitterung betrachtet, so die Gegenwart Stück für Stück erschließt und dann eben auch allmählich Chancen auf eine würdevolle und vor allem: eine verheißungsvolle Zukunft eröffnet?
Molière und Deng Xiaoping, den „Altkanzler“ Helmut Schmidt ja auch in dem bemerkenswerten Interview von 2008 mit dem Titel:
„China ist ein gigantisches Experiment“ als „ganz klugen Kerl“13 bezeichnet, reichen sich da die Hand.
Und wahrscheinlich schütteln auch beide, Molière und Deng über manchen Zeitgenossen aus ihrem jeweiligen Kulturkreis heute den Kopf und greifen sich da an die Stirn.
Der altersweise Visionär Schmidt macht das sicher auch.
Andrea Nahles und Olaf Scholz, der sich ja nun Anfang 2019 als Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokraten ins Spiel gebracht hat indes werden wahrscheinlich dieses schlechte Theater weiterführen. Von den anderen Partnern in der „Groko“ ganz zu schweigen.
Der (sozialdemokratische) Konsens der „sozialen Marktwirtschaft“, die nach dem Fanal des in den Versailler Verträgen 1919 schlecht gelösten 1. und dann des 2. Weltkrieges eine „historische Notwendigkeit“ in und für Europa darstellte, wird sich unter diesen Bedingungen nicht wiederherstellen lassen. Weil man sich gar nicht erst den Anforderungen dieses 21. Jahrhunderts stellen kann und will?
Die „Überforderung“, mit „globalisierten Herausforderungen“ umzugehen und entsprechende Antworten zu finden ist der ständig verschleierte Minimalkonsens bei allem, was da auf politischen und betrieblichen Bühnen geschieht.Das können wir uns leider nicht mehr leisten.
Gerade wir hier in Europa.
In einer „bipolaren Welt“, die eigentlich sehr vielfältig ist.
Der Weg ins 21. Jahrhundert sollte diesem Geist folgen. Nicht dem Ungeist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.Wer sollte das besser wissen als wir hier?
Warum jedoch sind wir gefangen in den alten Räderwerken?
Vielleicht, weil eine vielfältige Welt nicht auf uns wartet.
Weil Mensch die Verantwortung für sein Tun und Lassen im Anthropozän endlich übernehmen muss.
Nicht mehr. Nicht weniger.
Der Beitrag ist sehr sachlich und realistisch!!! Die Analyse zutreffend
ABER
Es fehlen Alternativen und vor allem wie leider in unser gesamten Gesellschaft VISIONEN!!
Natürlich ist die chinesische Entwicklung eine Gefahr für unsere traditionelle Vorstellungen aber in erster Linie für unseren WOHLSTAND.
WOHER NEHMEN WIR ABER DAS MORALISCHE RECHT CHINA ZU KRITISIEREN für die FRECHHEIT das zutun was wir seit Jahrhunderten tun?!?! Unser Wohlstand beruht doch wohl in erster Linie aud der AUSBEUTUNG in ärmeren Ländern wie Indien Afrikas usw.
Und wie weit her ist es denn mit unserer DEMOKRATIE? Als im Vorfeld von HARTZ IV kam es in Ostdeutschland wieder zu Montagsdemos. Die ABER von unserer meinunggsfreiheitlichen ?! MEDIEN kaputt geredet worden!
Und wo sind denn unsere demokratischen sozialen Stimmen wie GEWERKSCHAFT und PARTEIEN biem voranschreitenden SOZIALABBAU……..
Mit Russland ist es das Gleiche: Wir schiessen gegen sie, weil sie die FRECHHEIT besitzen ihre Rohstoffe selber auszubeuten anstelle sie den Großkonzernen zu überlassen.
Wir verbeten uns die EINMISCHUNG in unsere Verhältnisse und spielen uns anderseits als OBERLEHRER der DEMOKRATIE auf???
als die Bürger der DDR für die Wiedervereinigung stimmten war der Jubel groß. Bei der KRIM ist das natürlich was ganz ANDERES……
Mich interessiert brennend ihre Antwort auf meinen Beitrag
Vielen Dank im vioraus!
LG Andreas
Haben wir
Werter Andreas Fischer,
haben Sie den ganzen Beitrag gelesen? Dann haben sie vielleicht nicht verstanden, dass es ohne Zusammenarbeit mit China und Russland nicht gehen wird. Dies habe ich jedoch mehr als einmal betont.
Und daraus erwachsen zwangsläufig auch Alternativen zum derzeitigen Hauen und Stechen und Bashen und was auch immer sich da an Abgründen hervortut oder eben dem anderen vorbereitet wird.
Eine “Vision” jedoch werden Sie von mir nicht erhalten. Dafür sind die Herausforderungen, die die Realität an uns stellt viel zu groß. REALISMUS heißt eben das: Zusammenarbeit, um gemeinsam Lösungswege zu erschließen. Und das ist harte Arbeit, die nicht in einer Legislaturperiode von Politikern ohne Weitblick gemeistert werden kann. Da bin ich d’accord mit dem letzten Kosmopoliten im Kanzleramt hier, der ja auch in seiner Altersweisheit gerade in Zusammenhang mit China hier eigehend zitiert wird: Helmut Schmidt.
Zum Thema der “VISION” muss man da vielleicht auch ergänzend sagen: Schmidt hat ja durchaus das Erbe von Willy Brandt verwaltet. Und der hat nach 1968 und Bürgerinitiativen wegen zerstörter Umwelt etc. schon “visionär” gehandelt. Dieser klare politische Wille jedoch: der fehlt fast überall komplett.
Besonders in D.
Insofern: hoffe, Ihnen damit eine auskömmliche Antwort gegeben zu haben.
LG Stefan
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