Wir brauchen keine eigenständige Flüchtlingspolitik, so lauten viele Argumente in dieser Zeit. Richtig ist sicherlich, die Flüchtlingspolitik ist lediglich der Ausdruck der neoliberalen Kürzung von Sozialausgaben und der steigenden Ungleichheit zwischen Reich und Arm.
Axel Troost, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE und finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE sagt es so:
Die vielen Flüchtlinge, die im letzten Jahr zu uns kamen, mögen der berühmte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. (…) Aber die Flüchtlingsfrage war eher der Katalysator für eine Veränderung der Stimmung in der Gesellschaft. Die Linke muss sowohl ihre Kernkompetenz “soziale Gerechtigkeit” weiterentwickeln als auch in der Flüchtlingsfrage eine umfassende Konzeption entwickeln.
Umfassend kann dieses Konzept aber nur dann sein, wenn es auf alle relevanten politischen Felder einwirkt und somit alle globalen und nationalen Faktoren, die Flüchtlinge hervorrufen, einbezieht. Damit geht dieser Ansatz weit über den sozialpolitischen hinaus.
Folgende Eckpunkte und Argumente müssten also Bestandteile einer humanen Flüchtlingspolitik sein:
Außen- und Wirtschaftspolitik
Alle deutschen Waffenlieferungen sind einzustellen – zunächst in Krisengebiete, dann generell und die daraus resultierenden beschäftigungspolitischen Auswirkungen sind durch eine aktive staatliche Wirtschaftspolitik auszugleichen.
Die Bundeswehreinsätze im Ausland sind zu überprüfen auf ihre humanitäre Schutzfunktionen, ggf. sind diverse Einsätze einzustellen.
Die deutsche Außenpolitik muss darauf hinarbeiten, bei den Westmächten und Russland das Einstellen aller direkten und indirekten Kampfhandlungen zu bewirken.
Entwickelt werden muss das Konzept eines Blauhelmeinsatzes der UN, um nicht umkämpfte Gebiete in Syrien und Irak zu sichern mit dem mittelfristigen Ziel, die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen.
Wir müssen unser Verhältnis zur Türkei zurückführen auf eine Sicht, die die anti-demokratische Entwicklung in der Türkei nicht verschweigt und sich durch die Flüchtlingssituation nicht erpressen lässt.
Sozialpolitik
Investitionen in kommunale Strukturen sind erforderlich, um Bibliotheken, Frei- und Hallenbäder zu erhalten, der Ausbau eines kostengünstigen ÖPNV ist voranzutreiben.
Es ist günstiges und bezahlbares Wohnen in den Städten und Gemeinden sicherzustellen.
Kostenlose Kitas müssen zur Verfügung gestellt werden. Ziel muss kostenfreie Bildung auf allen Stufen, von der Kita bis zur Universität sein.
Generell sind alle Güter der Daseinsvorsorge (Innere Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Verkehr, Wohnen, Energie) der staatlichen Verantwortung zu unterstellen.
Die Hartz-4-Sanktionspolitik wird eingestellt, es ist das Existenzminimum zu sichern.
Der Niedriglohnsektor wird reduziert durch das weitgehende Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen, die nur in restriktiven Ausnahmefällen erlaubt sein werden.
Generell werden Sozialhilfeempfänger gleich gestellt, ob Flüchtlinge oder Einheimische, der Mindestlohn gilt auch für Flüchtlinge.
Flüchtlinge und Asylbewerber sind bereits vor Ablauf von 15 Monaten mit der elektronischen Gesundheitskarte zu versorgen.
Europapolitik
Die Grenzen sind wieder zu öffnen, alle EU-Staaten werden zu einer humanen Asyl- und Flüchtlingspolitik verpflichtet.
Ein europaweites Konzept ist zu erarbeiten zur Rettung der Flüchtlinge im Mittelmeer, zur kurzfristigen Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge in Lagern an den EU-Grenzen.
Alle EU-Subventionen sind zu überprüfen auf Exportförderungen, die nachteilig für afrikanische Länder sind und deren eigene Entwicklung behindern. Das Konzept „Sichere Fluchtwege“ ist zu forcieren, indem sich Flüchtlinge an den Botschaften der EU-Länder anmelden können und einen Wartestatus bekommen.
Integrationspolitik
Treffen von deutschen Bevölkerungsgruppen mit Flüchtlingen müssen organisiert werden.
Die Aufklärung über den Status der Flüchtlinge ist erforderlich: Es wird kein Geld von den Renten oder Hartz-4-Empfängern zugunsten der Flüchtlinge abgezogen, Flüchtlinge bezahlen ihre Handygebühren selber, werden als Schwarzfahrer im MVV genauso belangt wie der Normalbürger, etc.
Alle Asyl einschränkenden gesetzlichen Maßnahmen, wie Asylpaket 1 und Asylpaket 2 sind zurückzunehmen. Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist als inhuman abzulehnen, da das Asylrecht ein Individualrecht ist.
Zur Integrationspolitik gehört auch, dass der Bereich der inneren Sicherheit nicht der staatlichen und neoliberalen Sparpolitik untergeordnet wird. Die Verstärkung und entsprechende Ausbildung der Polizeikräfte ist zu forcieren.
Verpflichtende Bildungs- und Integrationsprogramme für alle Flüchtlinge sind zu etablieren und finanziell sowie personell gut auszustatten.
Asyl ist zu gewähren entsprechend der “Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Ein Einwanderungsrecht hat alle weiteren Immigrationen zu regeln nach Kriterien der Humanität, der Ökonomie und des Bedarfs.
Humanität kennt keine Obergrenzen für Flüchtlinge. Diese verstoßen gegen die Verfassung.
Wir wissen, die Kriminalität der Flüchtlinge ist nicht höher als die der gesamten Bevölkerung.
Finanzpolitik, u.a. zur Finanzierung der Integrationspolitik
Die Politik der Schwarzen Null muss aufgegeben werden, Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern sind zu erhöhen, indem für Einkommen die Spitzensteuersätze erhöht werden aber keine weitere Belastung von unteren und mittleren Einkommen erfolgt, indem die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird und die Erbschaftssteuer bei moderaten Freibeträgen erhöht wird. Arbeit und Kapitalertäge müssen in gleicher Höhe besteuert werden, die Beitragsbemessungsgrenzen bei Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung sind zu erhöhen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile werden wieder gleich gestellt, womit eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen möglich wird.
Die Kommunen sind von Bund und Land für alle ihre sozialpolitischen Aufgaben finanziell ausreichend auszustatten.
Fluchtursachen
Eine gesellschaftliche Diskussion über die wahren Fluchtursachen muss angestoßen werden.
Zunächst muss die Behauptung, die mangelhafte humane Situation in den Flüchtlingslagern sei die vorrangige Fluchtursache, zurückgenommen werden.
Die wahren Fluchtursachen sind Kriege, Armut, ungerechte Handelsbeziehungen und der Klimawandel.
Nichtsdestotrotz müssen die WHO-Mittel für die Flüchtlingsunterbringung erhöht werden – die Kürzung der Etats war maßgeblicher Auslöser für die Flüchtlingsbewegung von der Osttürkei aus in die EU.
Vermehrt muss Aufklärung an den Schulen betrieben werden über Fluchtursachen und Möglichkeiten der Integration und Solidarität.
Im nationalen Rahmen ist die Energiepolitik verstärkt auszurichten auf die Vermeidung der fossilen Energie und die Nutzung der regenerativen Energie.
In der Landwirtschaft ist der agrar-industrielle Komplex zurückzuführen und es ist verstärkt auf regionalen Anbau und Nutzung von Lebensmitteln zu setzen.
Wir müssen nicht die Welt mit Lebensmitteln versorgen und den afrikanischen Ländern Raum und Zeit geben für die Entwicklung eigener Versorgungsstrukturen – auch durch die zugestandene Möglichkeit, Importzölle zu erheben.
Wir wissen, dass neun der zehn weltweit größten Flüchtlingslager in Ostafrika liegen.
Auch Axel Troost führt viele einzelne Punkte auf. Er beruft sich sogar auf den deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU),
der einen gesamteuropäischen Marshall-Plan für die Bewältigung der Flüchtlingskrise mit einem eigenständigen EU-Flüchtlingskommissar und Ende der Ausbeutung von Afrika fordert.
Mir ist klar, mit diesem Programm werde ich bei der Bundestagswahl 2017 keinen Blumentopf gewinnen. Aber es ist wichtig, die Positionen zum Thema festzuhalten.
Warum gelingt es so selten, klarzumachen, dass unser Wohlstand auf der Armut der Anderen beruht?
Warum glauben viele Menschen – gerade in Deutschland – dass Zäune mehr Sicherheit und Freiheit bringen?
Richtig ist: Ein Staat muss seine Grenzen sichern können, aber um welchen Preis? Eine geordnete und humane Flüchtlingspolitik erfordert legale Wege und die Bereitschaft, Fluchtursachen zu diskutieren und Folgerungen daraus zu ziehen.
Bildquelle: Metropolico.org / CC BY-SA 2.0
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Vieles von dem, was du schreibst, Ludger, kann ich inhaltlich sofort zustimmen. Sicher wäre die eine oder andere Forderung zu diskutieren, ggf. zu modifizieren und/oder zu konkretisieren. Das, was in der Debatte aktuell fehlt, ist eine gemeinsame Erzählung von einer anderen, gerechteren Gesellschaft, die funktionieren könnte und die erstrebenswert ist. Oder, um es größer zu sagen, eine Utopie. Protagonisten dieser Utopie müssen alle werden, die sich der gesellschaftlichen Linken (incl. der “linken Mitte” – zwar bei SPD und Grüne beliebt, aber politisch m.E. ein Ort vor allem der Unentschiedenheit) zurechnen. Also parteipolitisch betrachtet müssten trotz CETA-Beschluss der SPD, trotz der vermeintlich realitätsfernen Haltung der Partei DIE LINKE zu angeblich notwendigen Militäreinsätzen, trotz des Votums des konservativ-grünen Ministerpräsidenten Kretschmann genau diese drei Parteien sich zusammenraufen, um diese andere Erzählung zu entwickeln und die Menschen damit erreichen wollen.
Viele Menschen haben berechtigterweise Angst: vor weiteren “Reformen” zu ihre Lasten, vorAltersarmut, vor individuellem Abstieg, vor Arbeitslosigkeit, vor weiteren Konkurrenten (und somit auch vor Flüchtlingen, selbst wenn sie keine Moslems sind), weil die Politik ihren Status seit Jahren nicht mehr sicherstellen kann oder will. Sie fühlen sich in ihrer Angst als Opfer, die über vieles nicht mehr selbst bestimmen können. Eine linke Erzählung oder Utopie muss ihnen hier Handlungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bieten. Insofern mehr als ein Zurück in den von oben gewährten Wohlfahrtsstaat der 60er und 70er Jahre.
Ein paar Gedanken zur Europapolitik: hier fehlt ganz sicher etwas in deinem Vorschlag. Aktuell bestimmt ökonomisch Deutschland als Hegemon den wirtschaftspolitischen Kurs in der EU, gestützt vom Kommissionspräsidenten Juncker. Informelle Gremien wie die Eurogruppe und die Troika haben eine ungeheure Macht. Bei allem Ressentiments der osteuropäischen Länder gegen Zuwanderung – hier haben sie auch einen Hebel, es Deutschland zurückzuzahlen und sich der Führung durch Merkel und Schäuble zu widersetzen. Sprich: es bedarf einer völligen Neuausrichtung der europäischen Politik, eines neuen Entwurfs für ein erstmalig demokratisches Europa. Hinweisen möchte ich in dem Zusammenhang auf das Buch “Warum Europa eine Republik werden muss!” von Ulrike Guérot, was hier auf dem Blog schon vorgestellt worden ist.
Natürlich kann dieser Vorschlag, dieses Konzept gar nicht vollständig oder ausgewogen sein, das wäre Anmassung meinerseits. Es ist eben bei weitem schwieriger, konstruktive Gedanken – was müsste getan werden – zu entwickeln als den gegenwärtigen Zustand zu kritisieren. Hinzu kommt, ich hatte im Vorfeld geschrieben, dass sich dieses Konzept in einer Partei-Plattform für die Bundestagswahl 2017 wiederfinden müsse. Da ist also eine Menge Realismus gefragt, was kann also kurz- bis mittelfristig getan oder angeschoben (Zeitraum bis zu fünf Jahren) werden. Ulrike Guérots Gedanken beschreiben ja zweifellos ein utopisches Europa.
Natürlich ist die europäische Republik eine Utopie. Aber der Verzicht auf Rüstungsexporte ist derzeit ebenfalls Teil einer notwendigen Utopie, einer notwendigen Gegenerzählung. Pragmatismus und Konstruktivität allein werden die Menschen nicht bewegen, bei der Bundestagswahl eine Partei zu wählen, die obige Punkte vertreten würde.
Am Beispiel Europa finde ich wichtig deutlich zu machen, dass wir erstens eine andere Haltung Deutschlands brauchen. Auf Augenhöhe z.B. mit Griechenland und Portugal. Und zweitens, dass wir immer von der Utopie her denken müssen. Der wünschenswerte Zustand in 10 oder 15 Jahren muss handlungsleitend für die tagesaktuellen Forderungen und die nächsten Schritte sein.
Nur so ein paar Gedanken noch:
Medien: Ich weiß nicht wieviele Talk-Shows und sonstige Formate sich mit dem Flüchtlingsthema beschäftigt haben – es müssen jedenfalls Viele gewesen sein; wenn man sich das reinzieht und nur ein bißchen was von “German Angst” in sich hat, dann meint man wirklich daß 1 % Flüchtlinge Deutschland überschwemmen und islamisieren. Nirgendwo habe ich einen Bericht gehört, gesehen, daß Integration auch gelingen kann und über die Mehrzahl der positiven Erfahrungen.
Nur so erklärt es sich für mich, daß Menschen, die überhaupt keine Berührung mit Flüchtlingen haben weil kaum welche da sind (Siehe Usedom) ihre latent vorhandenen Ängste und Fremdenfeindlichkeit auch noch durch die Medien bestätigt sehen.
Es braucht dann keine Fakten mehr und die tatsächliche Situation spielt dann auch keine Rolle mehr.
Da muß man noch ganz dicke Bretter bohren und ich habe meine Zweifel ob das bei dem jetzigen AfD-Klientel überhaupt möglich ist.
Beobachtung am Rande gestern auf einer Radtour am Starnberger See:
Farchach – Idylle oberhalb Starnberg: Plakate an einer Hauswand “Wir lassen die Kirche im Dorf” oder
Deutschland zuerst den Deutschen.
Gerhard Dengler
Lieber Ludger, zunächst einmal herzlichen Dank für die Ideensammlung in Sachen Flüchtlingspolitik.
Nachdem ich seit fast einem Jahr in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe tätig bin, hierzu einige Gedanken von mir.
1. Von Anfang an waren ca. 10% der Bevölkerung aktiv in der ehramtlichen Flüchtlingshilfe tätig. An diesem Prozentsatz hat sich m.E. nicht viel geändert, weil diese Personen von ihrer Tätigkeit – aus welchen Gründen auch immer – überzeugt sind.
2. Ca. 10% sind strikt dagegen, überhaupt Flüchtlinge ins Land zu lassen. Das hat verschiedene Beweggründe, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte.
3. Bei den restlichen 80% war die Stimmung zunächst zustimmend bis abwartend. Ein gewisser Teil ist jedoch in das Lager der Skeptiker gewandert und eine Untermenge davon lehnt eine Zuwanderung, aus welchen Gründen auch immer, ab. Wir brauchen ja nur auf die Zustimmungswerte der AfD zu schauen, dann sehen wir, wie sich die Stimmungslage bei einem Teil der Bevölkerung verändert hat. Darauf müssen die etablierten Parteien Antworten finden, die sie derzeit nicht haben.
Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
1. Wir müssen uns klar sein, dass die Flüchtlinge, die aus den Krisengebieten im Nahen Osten, aus Nord- und Zentralafrika, aus Afghanistan und dem Balkan zu uns gekommen sind, dies ausschließlich getan haben, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive zum Überleben gesehen haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen geflohen sind. Das Asylrecht macht hier aber einen Unterschied, weil so genannte Wirtschaftsflüchtlinge keine Bleiperspektive, wie im Amtsdeutsch so schön heißt, haben. Wir brauchen also dringend ein Einwanderungsgesetz, dem sich die CDU/CSU bislang verweigert hat. Die Lösung kann jedenfalls nicht sein, immer mehr Staaten zu sicheren Drittstaaten zu erklären, um damit faktisch das Asylrecht auszuhebeln.
2. Umgekehrt ist aber auch klar, dass ein Großteil der zu uns Gekommenen Deutschland wieder verlassen wird, wenn sich die Verhältnisse in ihrer Heimat dahingehend verbessert haben, dass eine Rückkehr überhaupt erst möglich ist. Auch für ihr Heimatland selbst sind diese Rückkehrer wichtig, weil anderenfalls ein Aufbau ihres Landes nicht möglich sein wird. Das heißt aber nicht, dass wir den Menschen keine Integrationsleistung anbieten müssen, weil zum einen nicht klar ist, wann sie zurückkehren können, zum anderen unser Arbeitsmarkt bei weitem nicht die Flexibilität aufweist, um Menschen mit unterschiedlichsten Bildungsvoraussetzungen in die Arbeitswelt zu integrieren. Es muss also endlich damit aufgehört werden, die erforderliche Migration von qualifizierten Arbeitskräften mit einer humanen Flüchtlingspolitik zu vermischen. Wer das tut, liefert genau die Argumente für die Rechtspopulisten.
3. Nicht verschwiegen werden sollte, dass es Profiteure der aktuell praktizierten Flüchtlingspolitik gibt. Dazu zählen die Vermögenden, die mit der Wohnungsnot der Flüchtlinge, aber auch mit den Geringverdienern sowie der Studenten horrende Gewinn einheimsen, aber auch NGOs, staatliche und kirchliche Organisationen, die an der Integration sehr gut verdienen, wenn man bedenkt, dass ca. 6 € pro Flüchtling und Unterrichtsstunde ausgezahlt wird. Das sind bei 30 Flüchtlingen und 8 Unterrichtstunden satte 1.440 € pro Tag, während die ehrenamtlichen Helfer – wenn überhaupt – mit einem warmen Händedruck abgespeist werden.
4. Das Thema Waffenlieferungen in diese Regionen ist ein Zwiespältiges. Klar ist, dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, in die Emirate und bis vor kurzem in die Türkei kontraproduktiv gewirkt haben, weil sie auf Umwegen letztendlich bei den Dschihadisten gelandet sind. Ich behaupte aber, dass die militärische Unterstützung der Kurden erforderlich war, weil der IS und auch andere islamistische Gruppierungen auch militärisch bekämpft werden müssen. Die radikalen Islamisten lassen sich nicht in eine Friedensordnung einbinden. Vielmehr muss der Blick darauf gerichtet sein, der gemäßigten sunnitischen Bevölkerung in Syrien und im Irak eine Perspektive zu bieten, damit sie sich von radikalen Sunniten lossagen und ihnen damit die Rückzugsmöglichkeit versperren. Neben den Stellvertreterkriegen haben wir es auch mit einem Religionskrieg zwischen den Schiiten und den Sunniten zu tun. Das verursacht überlagernde Effekte, so dass es oft schwer ist, den Überblick zu behalten.
5. Die Argumentation hinsichtlich der Sozialpolitik ist doch etwas dünn. Wenn allerdings Mittel freigesetzt werden sollen, muss man auch sagen, woher sie kommen sollen. Wie ich schon mehrfach schon erwähnt habe, ist eine massive Verschuldung nicht der richtige Weg. Ich plädiere für eine signifikante Umverteilung von oben nach unten, schon allein deshalb, weil der soziale Friede mit der jetzigen Vermögensverteilung nicht gesichert werden kann. Es kann doch nicht sein, dass 1% der Bevölkerung ca. 33% des privaten Vermögens besitzt, während 50% der Bevölkerung praktisch kein Vermögen bzw. Schulden hat. In dem Zusammenhang verweise ich auf die Ausführungen von Axel Trost.
6. Zu dem Thema Fluchtursachen nur folgendes: Solange es keine abgestimmte Flüchtlingspolitik in Europa gibt, solange wird es auch keine wirksame Bekämpfung der Fluchtursachen geben. Europa steckt in einer Glaubwürdigkeitskrise, die durch die Flüchtlingskrise deutlich zu Tage getreten ist. Vor diesem Hintergrund sind Überlegungen in Richtung eines Staatenbundes derzeit realitätsfern. Richtig ist aber auch, dass Deutschland seinen hegemonialen Anspruch zurückschrauben muss, nur das wird solange nicht passieren, solange sich Deutschland mir dieser Politik innenpolitisch erfolgreich darstellen kann. Die Tatsache, dass es ca. 1/3 der Bevölkerung ökonomisch betrachtet schlecht bis sehr geht und ein weiteres Drittel Gefahr läuft, weiter abzurutschen, wird doch von den neoliberal eingefärbten Mainstreammedien verschwiegen bzw. von der Politik bis auf die Linkspartei schön geredet.
7. Mit der von Andreas favorisierten Rot/Rot/Grünen Alternative bin ich derzeit mehr als skeptisch eingestellt. Doch ist doch die Wahl zwischen Pest und Cholera. Da müsste sich bei der SPD und auch bei den Grünen vorab so einiges ändern. Ansonsten laufen wir wieder in die gleiche Richtung wie seinerzeit bei der Schröder-Regierung. Ich kann bei der Führungsspitze der SPD derzeit absolut keine Anzeichen erkennen, dass sie ihre neoliberale Ausrichtung verändern will.
Wen nicht Rot-Rot-Grün, dann wird es eine keine Regierung ohne CDU/CSU geben. ist das die bessere Perspektive?
Natürlich kann es keinen Automatismus geben, die drei Parteien müssen sich auf den Weg machen, bei all den Unterschieden Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, die für ein Regierungsbündnis auf Bundesebene tragen. Und alle drei Parteien müssen sich selber bewegen, um in sozialen, ökologischen und friedenspolitischen Fragen den Versuch einer Erzählung zu wagen.
Alle diejenigen, die der SPD bei den letzten Wahlen zu Recht vorgeworfen haben, sie hätte keine Machtoption, können doch nur für R2G (Rot-Rot-Grün) sein. Dass sich da einige schwer tun, die erforderlichen Kompromisse einzugehen, dürfte klar sein. Aber die Alternative heisst immer, so wie Andreas es sagt, irgendetwas mit Seehofer und Schäuble. Wann lernen wir denn endlich, in unterschiedlichen zeitlichen Kategorien zu denken? Was ist kurzfristig möglich? Und wo wollen wir hin? Wir haben für uns hier eigentlich schon mindestens zwei Utopie-Aspekte gefunden: die Res Publica von Ulrike Guérot, also die Ausrichtung einer europäischen Politik auf die demokratischen Rechte der Bürger und die gesellschaftlichen Vorstellungen von Michael Hirsch zur Arbeitsgesellschaft. Lasst uns weitere Utopien sammeln!
Hat uns nicht die Diskussion um ERIBON gezeigt, wo die Linken versagt haben? Wenn sie sich zurückziehen in ihr Schneckenhaus (Salon), überlassen sie den Rechtsextremisten das Feld. In Frankreich, in Paris, in den Banlieues ist die Integrationspolitik gescheitert.
In der Bredouille steckt eben auch Sahra Wagenknecht, wenn sie alle möglichen Forderungen an RG erhebt, damit ihre Weste rein bleibt. Sich in den Talkshows zu stellen, wenn sie in der Verantwortung ist, das wird sie dann noch lernen müssen. Aber bei Oskar lernt sie das bestimmt nicht. Nachfragen kann sie bei den Grünen, die es regelmässig fast zerreisst. Bei denen könnten wir uns übrigens anschauen, wie vernünftige Vorstellungen in der Argrarpolitik, in der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik und in der Energiepolitik aussehen. Nehmen wir das beste von allen. Wir müssten uns nur die Mühe machen, auch mal realistisch und konstruktiv zu denken, was auch Teil des NachDenkens ist.
Das mit Rot/Rot/Grün kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich nenne nur das Stichwort „alternativlos“
Zunächst einmal möchte ich daran erinnern, dass unter Rot/Grün unter dem Oberbegriff Agenda 2010 die schlimmsten Arbeitsmarktreformen sowie eine für Vermögende begünstigende Steuerreform durchgezogen wurde, die Deutschland je erlebt hat. Die Konservativen mussten diese neoliberale Politik nur fortsetzen bzw. stabilisieren. Es sind bislang keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass die SPD einen Richtungswechsel vornimmt. Ob nun der Beschlüsse zu CETA – die SPÖ in Österreich hat im Übrigen CETA abgelehnt – bzw. die Beschlüsse zu Zeit- und Leiharbeit unter der Leitung von Frau Nahles, alles in allem reinrassige neoliberale Politik.
Hätten wir in Deutschland eine Figur wie Jeremy Corbyn, würde ich vielleicht anders darüber denken. Des Weiteren ist noch lange nicht klar, dass Rot/Rot/Grün im Bund die Mehrheit haben wird. Es wird offensichtlich völlig übersehen, dass die AfD immer stärker wird und das nicht nur auf Kosten der Union, sondern auch auf Kosten der SPD und der Linkspartei.
Warum also sollte sich die Linkspartei auf eine solche Koalition einlassen? Um am Ende als die Verliererin dazustehen, weil sie sich mit ihren Vorstellungen nicht ansatzweise durchsetzen konnte.
In einem Punkt möchte ich den Protagonisten für R2G zustimmen. Sollte Rot/Rot/Grün nicht einen Politikwechsel in Deutschland vollziehen, werden wir im Nachgang ganz andere politische Verhältnisse in Deutschland haben. Ich verweise in dem Zusammenhang auf die politischen Verhältnisse in den USA, Frankreich, Ungarn, Österreich, Polen, Tschechien, Slowakei etc.