Das was in Syrien heute stattfindet, das ist kein Bürgerkrieg und das ist auch kein Religionskrieg, es ist ein Stellvertreterkrieg. So sagt es Karin Leukefeld, die seit 15 Jahren als freie Journalistin für Tages- und Wochenzeitungen sowie dem ARD Hörfunk aus dem Nahen und Mittleren Osten berichtet.
Karin Leukefeld trägt an diesem Abend im schönen Rathaussaal in Pfaffenhofen an der Ilm vor. Eingeladen hat sie der Verein „Freundschaft mit Valjevo“.
Frau Leukefeld zeigt geografische Karten über den Nahen Osten, über den „fruchtbaren Halbmond“, das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, der heutige Irak, über den nördlichen Teil des Iraks, das Gebiet der Kurden, über den Osten der Türkei bis hin zu Syrien, Libanon, Palästina und Israel. Wasser und Öl sind die bestimmenden Ressourcen dieser Region. Die Türkei plant ein Staudammprojekt, das die Lebensbedingungen der Region entscheidend verändern wird und die Besucher, darunter etwa 20 syrische Flüchtlinge, die in Pfaffenhofen untergebracht sind, sehen eine Karte mit Pipelines, so dicht wie ein westeuropäisches Straßennetz. „Das Öl fließt nach Westen“, sagt Leukefeld. Hinzu kommt, im Osten des Mittelmeers befinden sich riesige Gasvorkommen.
Fruchtbar war und ist das Gebiet, mit Baumwolle, Getreide, Obst und Oliven. Syrien war im Jahre 2010 schuldenfrei.
Aber der Westen hatte beschlossen, den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu stürzen und unterstützte verschiedene oppositionelle Parteien mit Waffen. Auf dem Landweg und über den Flughafen Ankara in der Türkei wurden Unmengen von Waffen geliefert, die zivile Wirtschaft, so Leukefeld, wurde ersetzt durch die Kriegswirtschaft. Dazu gehört nun auch der Schmuggel mit Flüchtlingen.
Im eigenen Land sind 7,6 Mio Syrer auf der Flucht, 4 Mio haben das Land verlassen. Bernd Duschner, der an diesem Abend nach Pfaffenhofen eingeladen hat, spricht von 32.000 Syrern, die in den ersten sechs Monaten diesen Jahres in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Das Bundesinnenministerium sagt, von Januar bis März 2015 habe es 15.444 Asylanträge von syrischen Bürgern gegeben.
Frau Leukefeld zeigt viele Bilder von syrischen Menschen, einer „phantastischen, vielfältigen Gesellschaft.“
Es ist nicht nur Krieg in Syrien. Nein, der Westen hat obendrein wirtschaftliche Sanktionen verhängt, angeblich gegen den Diktator, aber getroffen wird das Volk.
Auf der Webseite von „Freundschaft für Valjevo“ ist ein Aufruf von namhaften Persönlichkeiten aus Politik und Kultur veröffentlicht mit dem Appell, die Sanktionen, die von den USA und der EU gegen Syrien verhängt wurden, aufzuheben:
„Das Embargo gegen das Entwicklungsland Syrien ist eine unmenschliche Form der Kriegsführung. Sie richtet sich gegen die Zivilbevölkerung. Mehr als eine Millionen Menschen, darunter über 500.000 Kinder mussten in den 90er Jahren infolge des Embargos im Irak sterben. Soll das jetzt übertroffen werden? Das Embargo gegen Syrien wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Es heizt die blutigen Kämpfe in diesem Land an. 220.000 Tote, fast eine Million Verletzte und Verstümmelte, über zehn Millionen Menschen auf der Flucht – reicht das immer noch nicht?“
Und der Aufruf erinnert daran, wie der Konflikt in Syrien angefacht wurde:
„Seit über vier Jahren führen die USA mit ihren Verbündeten verdeckt Krieg gegen Syrien: sie beliefern islamistische Gruppen mit modernsten Waffen und lassen sie von Militärberatern in Lagern in der Türkei und Jordanien für den blutigen Einsatz in Syrien ausbilden. Das wahabitische Regime in Saudi-Arabien und die Golfmonarchien stellen ähnlich wie in den 70er und 80er Jahren in Afghanistan Milliarden Dollar für die Rekrutierung und Bewaffnung von ISIS und Al Nusra zur Verfügung.“
Syrische Flüchtlinge gibt es nicht nur in Deutschland. Das Handelsblatt nennt die Zahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten:
- Im Libanon sind 1,2 Mio syrische Flüchtlinge registriert. Der Libanon selbst hat 4,5 Mio Einwohner.
- 625.000 Syrer sind nach Jordanien geflohen.
- In der Türkei sind 1,6 Mio Flüchtlinge aus Syrien gemeldet.
- Der Irak, der selbst von einem Bürgerkrieg betroffen ist, hat 245.000 syrische Flüchtlinge, vorwiegend Kurden, aufgenommen.
- Offiziell leben in Ägypten 136.000 syrische Flüchtlinge. Die Behörden allerdings schätzen, dass Hunderttausende von Syrern, die nicht registriert sind, im Land leben.
Wie kann man den Irrsinn westlicher Politik klarer herausstellen als in diesem Beispiel? Unsere Verteidigungsministerin war gestern in Tunesien und sie hat Waffenlieferungen zugesagt, damit Tunesien seine Grenzen nach Süden gegen die Einwanderung von afrikanischen Flüchtlingen verteidigen kann.
Wir liefern Waffen, um uns vor Menschen zu schützen, die wir mit unseren Waffen aus ihrer Heimat vertrieben haben.
Bildquelle: Wikipedia / Gemeinfrei
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Ergänzend dazu gibt es auf weltnetz.tv ein recht aktuelles Interview mit Karin Leukefeld:
Stellvertreterkrieg in Syrien: „Die Menschen haben alles verloren“
Weltnetz.tv verweist hier ebenfalls auf den Appell “Beenden Sie das Aushungern des syrischen Volkes! Schluss mit dem Embargo, damit Syrien Frieden bekommt!” des Vereins „Freundschaft mit Valjevo“, der von Personen wie die Schriftstellerin Daniela Dahn, Willy Wimmer und Albrecht Müller unterzeichnet worden ist.
Hier ein Link zu dem Interview von Michael Lüders im BR: http://www.ardmediathek.de/radio/Eins-zu-Eins-Der-Talk-Bayern-2/Michael-L%C3%BCders-Nahost-Experte-und-Autor/Bayern-2/Audio-Podcast?documentId=29185892
Autor des Buches: “Wer den Wind säht…”
Oder das Interview in der gleichen Serie, “eins zu eins der Talk”, mit Jürgen Todenhöfer und seinem Buch “inside IS- 10 Tage im islamischen Staat”.
http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/eins-zu-eins-der-talk/juergen-todenhoefer-102.html