Merkel – die Europa(ab)kanzlerin

Realsatire Europa steckt in der Krise. Nur Deutschland geht es gut.

Ein Gastbeitrag von blog1

Im Bundeskanzleramt treffen sich die Parteispitzen von CDU und SPD zu einer außerordentlichen Sitzung unter strengster Geheimhaltung natürlich. Mit von der Partie sind neben Bundeskanzlerin Merkel, Bundesfinanzminister Schäuble, Kanzleramtsminister Altmaier, Fraktionschef Kauder sowie die Herren Gabriel und Steinmeier auf Seiten der SPD.

Merkel: Meine Herren, es gibt einiges zu besprechen. Peter, Du hast eine kleine Agenda vorbereitet, welche Themen heute anstehen.

Altmaier: Wir müssen dringend über Griechenland sprechen, dann folgt das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und nicht zuletzt die Innenpolitik.

Gabriel: Eine Frage vorweg. Warum ist Herr Seehofer nicht dabei?

Merkel: Weil ich in Ruhe die anstehenden Probleme besprechen will und mich nicht durch diesen Alpentaliban aus meinem Konzept bringen lassen will.

Schäuble: Wir haben jetzt die PKW-Maut für Ausländer verabschiedet und können in Ruhe abwarten, bis sie vor dem EuGH scheitert. Ich hoffe, dass Ganze geht noch in diesem Jahr über die Bühne. Dann steht im Januar die Klausurtagung in Wildbad Kreuth an und dann ist Seehofer hoffentlich Geschichte.

Kauder: Herr Seehofer dürfte unser geringstes Problem sein. Die Griechen sind da schon etwas robuster. Normalerweise heißt es ja immer, dass es sich nur mit vollen Hosen gut stinken lässt. Bei Griechenland habe ich den Eindruck, dass sie „management by crocodile“ betreiben. „Die Klappe weit aufreißen, auch wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht“.

Steinmeier: Der griechische Verteidigungsminister Kammenos haut ja ziemlich auf den Putz. Sind eigentlich die U-Boote aus deutscher Produktion an das griechische Militär bereits ausgeliefert?

Schäuble: Ausgeliefert und durchfinanziert. Wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen. Wir bauen die besten U-Boote der Welt, weil wir einen lautlosen Antrieb entwickelt haben. Nicht einmal die Amerikaner würden bemerken, wenn ein deutsches U-Boot in einem ihrer Flottenstützpunkte „vor Anker“ liegt.

Altmeier: Das ist nicht ganz korrekt, mein lieber Wolfgang. Die US-Amerikaner können unseren kompletten Datentransfer abhören und damit die Befehlskette nachverfolgen, ohne die auch ein U-Boot Kommandant nicht auskommt.

alle Teilnehmer: betretenes Schweigen

Gabriel: Meine Herrschaften, ich habe mich lange zurückgehalten, aber wir sollten uns doch lieber mit den griechischen Forderungen nach Reparationszahlungen beschäftigen. Sie belaufen sich auf rund 280 Milliarden Euro. Das ist kein Pappenstiel – und das habe ich bereits ausrechnen lassen – kostet uns mehr als die Entschädigungszahlung an die Energiebetreiber für den vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie, meine liebe Angela.

Merkel: Ach, was Du nicht sagst, mein lieber Sigmar. Aber zurück zu Griechenland. Die 2+4 Verhandlungen haben in dem Zusammenhang einen endgültigen Schlussstrich gezogen. Selbstverständlich nehmen wir unsere historische Verantwortung für die Gräueltaten des Nazi-Regimes wahr. Ich habe bereits mit Bundespräsident Gauck gesprochen, der im Namen des gesamten deutschen Volkes sein zutiefst empfundenes Bedauern aussprechen wird. Auch eine Gedenkstätte ist im Gespräch, die selbstverständlich von Deutschland finanziert wird. Das habe ich bereits Herrn Tsipras zugesagt.

Steinmeier:  Ja, so ist es nun mal, nur Bares ist Wahres. Griechenland betreibt eine regelrechte Reise-Diplomatie. Die Herren Tsipras und Varoufakis versuchen doch vehement, neue Geldquellen anzuzapfen, sehr zum Leidwesen von Herrn Schulz, unserem Weggefährten im EU-Parlament.

Kauder: Das ist eine Provokation, die wir so nicht hinnehmen können. Von uns fordern sie 280 Milliarden und den anderen machen sie ein X vor dem U vor. Die hätten wir niemals in den Euro lassen sollen.

Merkel: Mein lieber Volker, wenn Du mir eine Lösung präsentieren kannst, wie wir die Griechen los werden können, ohne dass es mehr kostet als wenn wir die Griechen im Euro drin lassen, bin ich gerne bereit, einem Grexit zuzustimmen.

Schäuble: Wenn wir es zulassen, dass die Griechen aus der Euro-Zone fliegen, dann hat Deutschland nicht nur eine Lungenentzündung, sondern die Schwindsucht. Unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik basiert auf dem Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit. Nur wenn es Staaten gibt, die nicht so wettbewerbsfähig sind wie Deutschland, können wir unsere Produkte als Exportnation Nr. 1 in Europa verkaufen.

Altmaier: Tja, aus dieser Nummer kommen wir wohl nicht mehr heraus. Das heißt aber auch, dass wir diesen Staaten fortwährend Geld leihen müssen, damit sie unsere Qualitätsprodukte auch bezahlen können.

Kauder: Man muss zwar die Dinge vom Ende her denken, aber ein Ende dieser doch sehr erfolgreichen Politik in der Verantwortung unserer Bundeskanzlerin ist noch lange nicht in Sicht. Die Deutschen stehen hinter unserer Bundeskanzlerin, weil sie auch erkannt haben, dass diese Politik alternativlos ist.

Gabriel: Ohne die SPD geht hier gar nichts. Ich war es, der die SPD-Mitglieder hinter sich gebracht hat. Sonst gäbe heute keine große Koalition.

Merkel: Du hast ja Recht, mein lieber Sigmar, über anderweitige Machtoptionen redet man dann, wenn sie konkret anstehen. Die Grünen sind mittlerweile auch für ein Bündnis gut. Alle personellen Störfaktoren sind m.W. aus dem Weg geräumt.

Steinmeier: Aber am rechten Rand tummelt sich einiges, meine liebe Angela. Pegida scheint wohl überstanden, jetzt aber brennen die Asylantenheime und Landräte und Bürgermeister müssen unter Polizeischutz gestellt werden.

Kauder: Die Gefahr kommt doch nicht von rechts. Das hat unser Verfassungsschutz schon im Griff. Aber diese Salafisten machen mir Sorge. Wer sich hinter einem Bart versteckt, ist grundsätzlich verdächtig. Es wird höchste Zeit, dass wir die deutsche Leitkultur eindeutig positionieren. Wenn schon in Europa nicht Deutsch gesprochen wird, dann wenigstens bei uns. Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt.

Altmaier: Bei uns sind alle willkommen, die gewillt sind, zu den Löhnen zu arbeiten, die in unserer marktkonformen Demokratie finanzierbar sind. Wir haben uns mit dem Mindestlohn nicht leicht getan. Aber dennoch muss schließlich ein jeder von dem leben können, was er aus einer Vollzeittätigkeit erwirtschaftet. Das gebietet schon allein unser christliches Menschenbild, dem die CDU in ihrem Grundsatzprogramm verpflichtet ist.

Merkel: Wie kommen wir eigentlich mit TTIP voran?

Gabriel: Es bin es langsam leid, die Leute immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig TTIP für die Arbeitsplätze und das Wachstum in Europa ist. Diese Gegner sind einfach zu blöd, die Vorteile des Abkommens zu erkennen. Überall erlebe ich derzeit Gegenwind. Die Stromtrassen werden von Bayern blockiert, die SPD tritt auf der Stelle und mein politischer Mentor Schröder versteckt sich hinter Putin.

Merkel: Ja, der Putin wirft einen mächtigen Schatten. Ich verstehe ihn zwar nicht, beneide ihn aber trotzdem. Wie einfach es für ihn doch ist, wirkungsvoll durchzuregieren. Sind wir doch mal ehrlich, ständig diese Querelen mit dem Parlament und den Abweichlern in den eigenen Reihen. Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen, ganz abgesehen von diesen ständigen Attacken der Linkspartei und diesen lästigen NGOs.

Altmaier: Unsere Stabsstelle für innere Angelegenheiten unter der Leitung von Thomas de Maiziere arbeitet vehement an griffigen Lösungen, die auch schon zu ersten Ergebnissen geführt haben.

Schäuble: Gut, dass Du dieses Thema ansprichst. Den Brüdern von Attac haben wir erst einmal die steuerliche Gemeinnützigkeit aberkannt. Damit trocknen wir deren Geldquellen aus, ein sehr wirksames Mittel zur Schadensbegrenzung unserer Regierungspolitik.

Im Bundeskanzleramt findet im Anschluss an die Besprechung noch ein Abendessen in kleiner Runde statt. Dem Vernehmen nach haben sich Gäste von Goldman Sachs angemeldet. Da soll noch einer sagen, unsere Bundeskanzlerin ist beratungsresistent.

blog1 ist natürlich ein Pseudonym. Unter diesem Namen veröffentlicht ein uns bekannter kritischer Geist regelmäßig Realsatiren in der Freitag-Community. Dieser Beitrag ist zeitgleich ebenfalls dort erschienen.

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