Warum die Zinsen so niedrig sind

Foto: Daniela Hartmann / CC BY-NC-SA 2.0

Warum sind die Zinsen auf unsere Ersparnisse, Tagesgelder und festverzinslichen Einlagen so niedrig? Die Antwort ist einfach – weil wir für die Finanzkrise zur Kasse gebeten werden.

In der Finanzkrise sind einige Banken, z.B. die deutsche HRE (Hypo Real Estate) gerettet worden – die deutsche Staatsverschuldung ist durch die Summe aller Rettungsmaßnahmen um ca. 20 Prozentpunkte gestiegen – und liegt heute bei 75% vom BIP. Dokumentiert ist, dass diese Bank keinesfalls systemrelevant war, sondern dass so einige – auch ausländische Gläubiger dieser Bank – von der staatlichen Rettung profitiert haben. Mit systemrelevant ist ausgedrückt, dass wir diese Bank retten mussten – anderenfalls hätten am nächsten Montag die Bürger bei ihrer Bank Schlange gestanden und ihre Guthaben abgehoben – was den Bankenkollaps bedeutet hätte. Wer sich die Liste dieser HRE-Gläubiger anschaut, der merkt sehr schnell, dass diese angebliche Systemrelevanz in die Kategorie der Meinungs- und Angstmache gehört.

Da wir aber nun eine derartige Staatsverschuldung haben, sagt unsere Politik, auf jeden Fall die Große Koalition, wir dürften keine neuen Schulden mehr machen. Damit verweigert sie Investitionen, die, und das ist unumstritten, erforderlich wären, damit unsere Infrastruktur (Brücken, Autobahnen, der Nord-Ostsee-Kanal) erhalten bleibt und ausgebaut wird. Würde der Staat investieren, dann müsste er Kredite aufnehmen, die Nachfrage nach Krediten würde sich also erhöhen und damit könnte auch der Zins steigen. Der Staat spart also und daher ist der Zins so niedrig.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der Wirtschaft. Wir haben in den letzten 20 Jahren keine nennenswerten realen Lohnsteigerungen mehr gehabt. Die Arbeitnehmer sind nicht beteiligt worden am Produktivitätsfortschritt, die Lohnquote, der Anteil der Lohneinkommen am gesamten Volkseinkommen, ist gesunken, die Ungleichheit hat zugenommen zugunsten der Kapitaleinkünfte (Mieten, Zinsen, Dividenden). Was hat das mit dem Zins zu tun? Weil die Nachfrage nach Gütern nicht gestiegen ist, haben die Unternehmer nicht investiert. Sie haben einfach keinen steigenden Bedarf für ihre Güter in der Zukunft gesehen. Der Student der Volkswirtschaft lernt schon im ersten Semester, dass die Unternehmen nur dann investieren, wenn sie eine steigende Nachfrage in der Zukunft erwarten. Die Unternehmen sparen also auch, sie fragen keine Kredite nach, der Zins bleibt niedrig.

Dabei haben wir eine Sparquote von 10%, also Einkommen, die nicht konsumiert, sondern „auf die hohe Kante gelegt“ werden. Wohlgemerkt: Das ist eine Durchschnittszahl: es gibt sicherlich 25 – 30% der Bevölkerung, die es sich gar nicht leisten können zu sparen. Dafür sind andere sicherlich in der Lage, 60% oder noch mehr vom Einkommen zu sparen. Was aber wichtig ist, mehr als 80% dieser Sparleistungen, so erklärte es Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Phönix-Runde (zwischen 22:28 und 22:48) , gehen in Geldleistungen, also aufs Sparbuch oder in Aktien, die steigen ja auch ständig, oder in andere Finanzmarktprodukte. Sie führen nicht zu neuen wirtschaftlichen Projekten, die kreditfinanziert werden müssten. Also auch die Wirtschaft spart und der Zins bleibt niedrig.

Die Notenbank tut ihr übriges. Um die Wirtschaft anzuregen, senkt sie dauernd den Leitzins, zur Zeit liegt er bei 0,05%. Niemand fragt deswegen mehr Kredite nach und investiert damit in die wirtschaftliche Entwicklung. Die Banken haben aber billiges Geld zur Verfügung, und stecken dieses in Finanzprodukte. Die nächste Blase ist somit vorgezeichnet, die Aktien können nicht unentwegt steigen.
Wenn alle sparen, die Wirtschaft und der Staat, gibt es also keine Nachfrage nach Krediten und es gibt dementsprechend keine steigenden Zinsen.
Wir haben diese und ähnliche Fragen schon erörtert im Zusammenhang mit der Eurokrise, zum Beispiel im Beitrag „Warum Sparen falsch ist“.

Ein Fazit lässt sich ziehen: Die Finanzmarktkrise, in der die Staaten die Banken auf Kosten der Steuerzahler und der Sparer gerettet haben und die deutsche Lohnzurückhaltung der letzten 20 Jahre einschließlich Agenda 2010 mit dem geschaffenen Niedriglohnsektor haben dazu geführt, dass die Zinsen so niedrig sind.

Die Begriffe „Reformen“ und „Sparpolitik“ sind positiv besetzt. Deswegen werden auch immer diese Begriffe benutzt, wenn einschneidende soziale Maßnahmen, wie niedrige Löhne und entwertete Sparbücher, erklärt werden. Uns wird suggeriert, wir müssten sparen, den Gürtel enger schnallen und wir dürften nicht auf Kosten der zukünftigen Generationen leben. Und auch in Griechenland sind die großen sozialen Verwerfungen mit Sparpolitik begründet worden. Inzwischen hat sich hier wenigstens der Begriff „Austeritätspolitik“ durchgesetzt, der das Sparen mit den Ausdrücken „Disziplin“ und „Strenge“ verbindet.

Im Berliner Tagesspiegel können wir zudem einen Blick werfen auf die „Geretteten“, nämlich auf diejenigen, die vom Steuerzahler bei der Insolvenz der Hypo Real Estate gerettet wurden. Unter ihnen sind die Deutsche Post, die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Deutsche Apotheker- und Ärtzebank, die Stadt München, der Westdeutsche Rundfunk, die Katholische Kirche, und und und.

„Weit mehr als 100 Milliarden Euro, davon 83 Milliarden nur für Tage und Wochen, hatte die HRE so bei Finanzinstitutionen aller Art eingesammelt. Die Liste reicht vom US-Bankriesen J. P. Morgan bis hin zur Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassenangestellte. Sie alle hätten viel Geld verloren, wenn der Bund und seine Steuerzahler nicht für 87 Milliarden Euro neuer Kredite der HRE gebürgt hätten, mit denen diese ihre Gläubiger auszahlen konnte. Weil die Bank gleichzeitig enorme Verluste schrieb, musste sie anschließend auch noch verstaatlicht werden, um die Insolvenz und damit das Fälligwerden der Garantien zu verhindern. Bis zur endgültigen Sanierung werden voraussichtlich bis zu 20 Milliarden Euro für neues Eigenkapital aus der Staatskasse fällig.“

Dieses Dokument wird in die Geschichte eingehen.

 

Bildquelle: Daniela Hartmann / CC BY-NC-SA 2.0

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