Deutsche Waffen für die Kurden?

Die Bundesregierung hat am 20.8.2014 beschlossen, Waffen und Kriegsgerät an die Kurden im Nordirak zu liefern, um sie in ihrem Kampf gegen die Terrormilizen des IS (Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien) zu unterstützen. Diese Entscheidung verstößt gegen die Grundsätze deutscher Politik, wonach in Krisengebiete keine Waffen exportiert werden dürfen.
Viele Kommentare in den Medien heben hervor, dass der Irak schon voller Waffen ist. Mich hat die Frage interessiert, wohin gehen die Waffen und wo verbleiben sie? Ich habe nachgelesen in der SZ, in SPON, in der Jungen Welt und im Freitag.

Sonja Zekri in der SZ befürchtet, dass die Waffen in falsche Hände, z.B. in die Gewalt der PKK, die Deutschland als Terrororganisation einstuft, gelangen. Sie schreibt:

„ Was aber, wenn die PKK ihren Waffenstillstand mit Ankara bricht und den Nato-Partner Türkei mit Waffen aus Deutschland angreift?“

Sie verweist weiterhin darauf, dass in Afghanistan die Taliban mittlerweile Waffen besitzen, die vom Westen für die dortigen Sicherheitskräfte bereitgestellt wurden. Und Libyens Muammar al-Gaddafi habe Raketen erhalten, die heute den gesamten Nahen Osten bedrohen.

„Und mit den Humvees, die Amerika einst an Bagdad lieferte, fahren derzeit die Dschihadisten durch Mosul und Ramadi.“

Heribert Prantl (SZ) sagt, dass die Verbrechen des IS mit Waffen begangen werden, die von Natostaaten geliefert worden sind:

„Pax Christi [die internationale katholische Friedensbewegung] hat darauf hingewiesen, dass die Türkei und die USA von Ankara aus die Soldaten des Islamischen Staats (IS) in Syrien stark gemacht haben; und darauf, dass Deutschland Saudi-Arabien und Katar mit Kriegsgerät beliefert hat, also die Staaten, die den Islamischen Staat aktiv unterstützen.“

Jakob Augstein (SPON) überschreibt seinen Artikel:

„Bekämpfen, was wir selber schaffen.“

Er verweist darauf, dass Deutschland „Fuchs-Panzer“ in Algerien baut:

„Die deutsche Firma Rheinmetall liefert eine Panzerfabrik nach Algerien. Wenn eines Tages ein Dschihadist im deutschen ‚Fuchs‘-Panzer vorfährt, kann man auch in Algerien militärisch intervenieren. […] Und das nachdem erst die verpfuschte amerikanische Nahost-Politik dem Aufstieg des IS-Chefs Abu Bakr al-Baghdadi den Weg bereitet hat.“

Die Junge Welt thematisiert die Rolle von Saudi-Arabien und dem Katar, die der Westen mit Waffen versorgt, damit diese sie weitergeben können, um ihre eigenen Interessen und Machtansprüche zu untermauern:

„ Auch die deutsche Bundesregierung trägt Verantwortung für die Eskalation im Irak, indem sie mit den Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Katar die Länder aufrüstet, die die Kriege in der Region anheizen.“

Im Freitag macht Jan van Aken deutlich, dass Waffenlieferungen die Konflikte anheizen und den großen Zielen, denen sie stets dienen sollen, nie gerecht werden.

„ Dass genau diese Ausrüstung jetzt bei eben diesen Menschenhassern vom IS gelandet ist, zeigt ein grundlegendes Problem von Waffenexporten: Sie haben eine ungemein lange Lebensdauer und werden von Krieg zu Krieg weitergegeben.
Der ursprüngliche Adressat eines Waffenexports wird am Ende nicht selten mit genau dieser Waffe angegriffen […] Waffenexporte sind vollkommen unkontrollierbar und eine dauerhafte Gefahr für den Weltfrieden.“

Die Bundestagsdebatte zu den geplanten Waffenlieferungen wird voraussichtlich am 1.9. stattfinden und die Kanzlerin will dazu eine Regierungserklärung abgeben. Ob die Argumente, dass Waffenlieferungen nicht kontrolliert werden können, in der Debatte eine Rolle spielen werden?

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4 Gedanken zu „Deutsche Waffen für die Kurden?

  1. gerhard dengler

    dazu passen die Bedenken der CSU (diesmal in Gestalt von Ilse Aigner) die sich gegen eine restriktivere Belieferung mit Waffen gewendet hat weil sonst Arbeitsplätze gefährdet sind und Deutschland den Anschluß an die Waffentechnologie verlieren kann. Traurig

  2. Ludger Elmer Beitragsautor

    ja – das ist doch eh’ das dummste argument, das wir für waffenproduktion und -lieferungen haben könnten, das es die arbeitsplätze sind – die herstellung findet zum grossenteil im ausland statt und haben wir in der solar- oder windkrafterzeugung nicht genügend bedarf an ingenieuren, wenn wir nur wollten — wenn wir unsere waffenproduktion auf den eigenen bedarf und den unserer freunde beschränken würden, wäre das schon ein erster schritt — aber so weit kann ilse wohl nicht denken, oder wer verbietet ihr das denken … was macht eigentlich das thema sig sauer, die firma aus eckernförde, die schusswaffen in die usa geliefert hat, obwohl sie wussten, das sie weitergeliefert wurden an kolumbien, wo sie dann im bürgerkrieg wiedergefunden wurden … denken darf man bei dem thema wohl überhaupt nicht mehr … wie sagte claudia roth neulich, als sie aus dem nordirdak zurückkam: “rheinmetall jubelt” und an der boerse jubeln sie auch, wenn irgendwo ein krieg ausbricht oder eine hungersnot oder überschwemmung über’s land kommt … weil dann der weizen teurer wird …

  3. Willi

    In einer Presseerklärung ergänzt DIE LINKE die Diskussion um einen weiteren Aspekt:

    “28.08.2014 – Alexander Neu
    Waffenlieferungen in den Irak ohne offizielle Anforderung
    Die Bundesregierung scheint mehr Interesse daran zu haben, Waffen in den Nordirak zu liefern als die potentiellen Empfänger. Denn bislang haben nach Aussagen der Bundesregierung gegenüber dem Parlament offiziell sowohl die irakische Regierung als auch die kurdischen Kräfte weder einen Bedarf artikuliert noch Anforderungen für Rüstungsgüter an die deutsche Regierung gestellt“, erklärt Alexander Neu, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Verteidigungsausschuss…”

    Und weiter:

    „Was die Bundesregierung an Lieferungen von Rüstungsgütern derzeit prüfen lässt, beruht offenkundig auf informellen Absprachen, die völker- und verfassungsrechtlich nicht belastbar sind.”

    Ich habe mich zunächst gefragt, ob es überhaupt möglich ist, mit den Kurden “völker- und verfassungsrechtlich belastbare” Absprachen zu treffen. Aber laut Wikipedia führt die seit 1991 autonome “Autonome Region Kurdistan” … “eine eigene Regierung mit Parlament und hat neben eigenen Streitkräften, den Peschmerga, eine eigene Flagge, Verfassung und Hymne.” Es gibt dort also Verfassungsorgane, und mit einer offiziell autonomen Region kann man (theoretisch) auch verhandeln.

    Genau so könnten Absprachen mit der irakischen Regierung getroffen werden. Aber die ist wohl mehr mit dem Streit um den künftigen Regierungschef beschäftigt, als mit deutsch-irakischen Verhandlungen.

    Alexander Neu hat wohl recht hat mit seiner Vermutung, dass im Irak das Interesse an den Lieferungen aus Deutschland nicht sonderlich groß ist. Es ist eher die deutsche Regierung, die endlich auch international “mitspielen” und “Verantwortung übernehmen” will.

    Und was kann/will Deutschland denn schon bieten? Restbestände aus den Lagern der Bundeswehr, die nach Meldungen der letzten Tage selbst nicht in der Lage ist, ihre Waffensysteme einsatzbereit zu halten (Ersatzteilprobleme). Und dann stellt sich unsere Verteidigungsministerin gestern ganz stolz vor die Kameras um zu verkünden, dass die Bundeswehr schon über 100 Tonnen Hilfsgüter geliefert hat. Das sind drei 40to-LKWs. Die großen Märkte bei uns würden vermutlich in Panik geraten, wenn sie nicht mehr bekommen.

    1. Willi

      Ich hatte geschrieben: “Restbestände aus den Lagern der Bundeswehr”. Und genau so sieht jetzt der Beschluss der Bundeswehr aus, wenn die eben gehörten Mittagsnachrichten richtig sind. Was soll geliefert werden?
      – Panzerfäuste,
      – G3 Sturmgewehre (das war schon unsere Waffe, als ich 1967 zur Bundeswehr kam), und
      – 5 (in Worten fünf) gepanzerte Fahrzeuge.
      Lächerlich, der IS wird sich deswegen wohl kaum in die Hose machen. Der IS hat nämlich u.a. Katar, Saudi Arabien und die Türkei als Unterstützer. Und die werden von der deutschen Rüstungsindustrie mit (neuen!) Waffen beliefert.

      Aber für mich ist dieser Beschluss der Bundesregierung nicht nur lächerlich. Er ist ein Dammbruch im Hinblick auf die Rüstungsexporte! “Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen” war die Maxime. Die Realität ist das Gegenteil: Waffen werden benutzt, und zwar nicht zum Anbau von Kartoffeln. Und wenn man Waffen an beide Seiten in einem Konflikt liefern kann ist das doch gut fürs Geschäft. Ein Pfui auf diese Bundesregierung! Und das ist noch sehr vorsichtig formuliert.

      Willi

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