Für ein Europa mit mehr Zeit zum Leben, Lachen und Lieben


Foto: AG ArbeitFairTeilen, Attac

von Christa Hourani

VertreterInnen von ca. 30 Organisationen aus Gewerkschaften, NGOs, Kirchen, Politik und Wissenschaft aus sieben Ländern trafen sich Ende Oktober auf Initiative der Attac-AG ArbeitFairTeilen u.a. mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Tagung in Brüssel und gründeten ein informelles Netzwerk. Ziel der Tagung war und ist, eine gemeinsame Initiative zur Reduzierung der Arbeitszeit in Europa ins Leben zu rufen. Das ist auch gelungen. Es wurde beschlossen, im nächsten Jahr einen Workshop mit mehr beteiligten Organisationen aus noch mehr europäischen Ländern zu organisieren, um konkrete Verabredungen zu treffen.

Neue Arbeitszeitverkürzungen mehr als dringlich

Damit wurde in Brüssel der Grundstein gelegt für eine neue Forderung in der europäischen Bewegung, die für ein emanzipatorisches, soziales und ökologisches Europa kämpft: Weniger Arbeiten, damit alle arbeiten und besser leben können. Das Treffen fand in einer schwierigen Zeit statt, da Politik und Kapital eher auf Arbeitszeitverlängerung und maximale Flexibilisierung setzen. Angesichts von 30 Mio. Erwerbslosen in Europa, darunter viele junge Menschen, ist die Verkürzung der Arbeitszeit dringlich und spielt in der gesellschaftlichen und gewerkschaftlichen Debatte in vielen europäischen Ländern eine zunehmende Rolle. Ursächlich hierfür sind die arbeits- und lebensweltlichen Veränderungen: die Produktivitätssteigerungen und der steigende Stress einerseits und die Ansprüche an gute Arbeit und sinnerfülltes Leben andererseits. Neben dem Lohn ist die Arbeitszeit die entscheidende Stellschraube in der Verteilungsfrage. Die Tatsache, dass der 8-Stunden-Tag in vielen Ländern vor 100 Jahren gesetzlich eingeführt, die 5 Tage-Woche vor ca. 50 Jahren tariflich durchgesetzt wurde, und seit dem nicht viel geschah, macht es mehr als notwendig, nun die nächsten großen Schritte in Richtung Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit zu gehen. Als Ziele werden die Überwindung der Erwerbslosigkeit, die Geschlechter- und Verteilungsgerechtigkeit, sowie der Klima- und Ressourcenschutz genannt. Die Teilnehmenden haben verabredet, die Debatte intern und öffentlich fortzusetzen und alle Maßnahmen zu diskutieren, zu fördern und zu koordinieren, die dem Ziel nützen werden.

Viele Organisationen sind bereits aktiv für Arbeitszeitverkürzung

Der Deutsche Frauenrat fordert z. B. seit 10 Jahren die 30-Stunden-Woche. An den Internationalen Frauentagen 2014 und 2015 hat er gemeinsam mit dem Bundesforum Männer dazu aufgerufen, dass die Arbeitszeitverkürzung wieder auf die politische Agenda muss und wir eine neue „Norm“ einer 30 Stundenwoche brauchen, um alle Menschen im Erwerbsalter existenzsichernd beschäftigen zu können – ohne Arbeitsverdichtung und erhöhten Leistungsdruck. Auch die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) hat bereits 2014 eine Arbeitszeitoffensive für eine 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich beschlossen und fordert ein gesamtgesellschaftliches Projekt, in dem viele gesellschaftliche Akteure und die Zivilgesellschaft eingebunden werden. In vielen Einzelgewerkschaften gibt es auf Frauenseite klare Beschlüsse für die 30-Stundenwoche, so bei IGM, Verdi und GEW. Allerdings tun sich die Gesamtorganisationen schwer mit der 30 Stundenwoche. Da stehen Forderungen um flexible und mobile Arbeit, Bezahlung von Überstunden, kürzere Arbeitszeit für besonders Belastete oder für besondere Lebenslagen auf der Tagesordnung. Anders sind einige Gewerkschaften in anderen Ländern unterwegs. So z.B. die Österreichische Gewerkschaft GPAdip – die mitgliederstärkste Gewerkschaft innerhalb des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Dort gibt es die Kampagne „kürzer Arbeiten – leichter Leben“, die die Verkürzung der Normalarbeitszeit beinhaltet oder die französische CGT, die zweitgrößte, sicher aber mächtigste und politisch einflussreichste Gewerkschaft der französischen Beschäftigten. Ihr Generalsekretär sieht als Antwort auf die digitale Revolution eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden als das Mindeste, „weniger wäre besser und würde helfen, diese Revolution zum Guten zu wenden.“

Europaweite Bewegung

Diese Initiativen und Kampagnen zusammenzuführen und zu koordinieren, dass eine europaweite Bewegung für kürzere Arbeitszeiten entsteht, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wichtig ist auch, das wurde auch auf der Tagung diskutiert, dass Teilzeitkräfte, die gerne mehr arbeiten möchten, aber keine Angebote finden, entsprechend ihre Arbeitszeit erhöhen können und damit auch ein Ausgleich bzw. eine Annäherung der Arbeitszeiten der Voll- und Teilzeitbeschäftigten einhergeht.

Christa Hourani hat als Vertreterin der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
an dem Brüsseler Treffen teilgenommen. Die Veröffentlichung erfolgt mit Zustimmung der Autorin.

Weitere Infos zu der Konferenz finden sich auf der Webseite der bundesweiten AG ArbeitFairTeilen von Attac. In München gibt es darüber hinaus einen lokalen Arbeitskreis ArbeitFairTeilen.

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