Ein Beitrag von blog1
Die AfD hat bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am letzten Sonntag fast 21% erreicht – und das aus dem Stand.
Ausgangslage
Schockstarre bei den etablierten Parteien. Alle habe sie verloren, bis auf die FDP. Sie verharrt allerdings auf zu vernachlässigendem Niveau. Wiederum hat sich der amtierende Ministerpräsident durchsetzen können. Der gemäßigte Teil der Wahlbürger hat sich also für eine Person ihres Vertrauens entschieden. Die Parteizughörigkeit spielte – wie schon in vorangegangen Landtagswahlen – eine untergeordnete bis keine Rolle, wenngleich der Kandidat der AfD eine gewisse Strahlkraft innerhalb seiner Wählerschaft hatte.
Prozentual betrachtet hat die SPD und die CDU nahezu gleichermaßen verloren. Die Linke wurde regelrecht demontiert. Sie hat ihren Anspruch, in den neuen Bundesländern als Volkspartei zu gelten, endgültig verloren. Die Grünen haben ihren Stimmenanteil halbiert. Jetzt rächt es sich, dass die Bündnis 90 Leute in der Führungsspitze der Grünen nicht mehr existent sind.
Die AfD hat trotz der internen Querelen wiederum ein deutlich zweistelliges Ergebnis erzielt und das aus dem Stand, mit einem höchst widersprüchlichen Parteiprogramm und mit Kandidaten, die auf Bundesebene nicht gerade als Sympathieträger einzustufen sind. Die AfD hat alle Parteien kannibalisiert. Den höchsten Zuwachs an Wählerzustimmung hat die AfD aber aus der bisherigen Nichtwählerschaft erzielt. Es zeigt erneut, dass die Nichtwähler nur mobilisiert werden müssen, um an die Wahlurne zu gehen. Die Nichtwähler sind somit nicht politikverdrossen sondern politikerverdrossen, ein Zeichen dafür, wie hoch sich das Frust-bzw. Resignationspotenzial bei den Wahlberechtigten bereits etabliert hat.
Obwohl sich in Mecklenburg-Vorpommern kaum Flüchtlinge aufhalten, hat die Flüchtlingsfrage eine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung an der Wahlurne gespielt. Die Flüchtlingsfrage ist aber lediglich ein Kulminationspunkt für das Wahlverhalten. Die AfD kann an dieser Problemstellung exemplarisch ihre gegensätzliche Haltung zu den etablierten Parteien festmachen. Das macht die AfD aus der Sicht ihrer Wählerschaft zu der einzig wählbaren Alternative, weil die so genannten etablierten Parteien in der Flüchtlingsfrage mehr oder weniger die gleiche Meinung vertreten.
Wer ist die AfD und wer wählt sie?
Hier verweise ich auf meinem Beitrag „Deutschland rückt nach rechts“, den ich anlässlich der Wahlergebnisse der letzten 3 Landtagswahlen in Baden- Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt verfasst habe. Nicht einmal die Spaltung der AfD in Baden-Württemberg sowie die Querelen zwischen Petry und Prof. Meuthen haben der AfD essentiell geschadet. Bei der Bundestagswahl hätten wir jedoch eine Gemengelage, die durchaus anders einzuschätzen wäre.
Kanzlerdämmerung
Dass die CDU in dem Stammland von Bundeskanzlerin Merkel hinter der AfD gelandet ist, ist für Merkel desaströs. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwar nur 1,3 Mio. Wahlberechtigte. Die Signalwirkung, die von dieser Landtagswahl ausgeht, ist jedoch nicht zu unterschätzen. Die CDU führt ja mit der CSU in der Flüchtlingsfrage einen regelrechten Grabenkrieg. Man könnte schon auf die Idee kommen, dass sich Seehofer als Kandidat für die Kanzlerschaft ins Spiel bringen will. Ob der „Alpentaliban“ allerdings im Norden und Westen der Republik eine Chance hat, wage ich zu bezweifeln. Jetzt geht auch noch die SPD mit Vizekanzler Gabriel auf Distanz zu Merkel. Gabriel, der Hansdampf ohne Konzept in allen Gassen, fühlt sich durch den Ausgang der Landtagwahl in MV auch noch betätigt, wobei ihm Sellering gerade noch einmal das politische Überleben gesichert hat. Ab heute wird Sellering von Gabriel nur noch Erwin genannt.
Reaktionen der etablierten Parteien
Die etablierten Parteien haben bislang mit zwei unterschiedlichen Reaktionsweisen auf die AfD reagiert:
- Man hält komplett dagegen und zeigt quasi Flagge -> Strategie der Grünen und lange Zeit auch der Linken -> Konfrontationsstrategie
- Man übernimmt Argumente der AfD und baut sie etwas um -> Strategie von der CSU -> Anlehnungsstrategie
Beide grundsätzlichen Vorgehensweisen bergen aber auch Gefahren. Die Anlehnungsstrategie wird vom Wähler dahingehend interpretiert, dass man doch lieber das Original wählt als die Kopie. Die Konfrontationsstrategie birgt die Gefahr, dass auf die Sorgen und die Nöte der Bevölkerung nicht adäquat eingegangen wird. Das ist im Übrigen das Hauptproblem der Linken in den neuen Bundesländern.
Es bleibt festzuhalten, dass beide Vorgehensweisen bislang nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben. Die Politiker der etablierten Parteien müssen sich eingestehen, dass ihre Politik nicht glaubwürdig ist.
Entweder werden die Probleme ignoriert, weggelächelt und mit der Notwendigkeit der Anpassung an eine globalisierte Welt, bei dem die Wettbewerbsfähigkeit einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt, begründet. Der Neoliberalismus hat den Egomanen als Leitbild stilisiert. Dieses Leitbild teilt die Bevölkerung in Gewinner und Verlierer ein. Und jetzt schlagen die so genannten „Looser“ zurück. Und täglich werden es mehr. Diese „Verlierer“ würden zwar von der AfD alles andere als pfleglich behandelt werden, nur, wenn stört das schon, sie regieren ja nicht und müssen nichts unter Beweis stellen, außer dem politischen Establishment kräftig heimzuleuchten. Es ist dieses Ohnmachtsgefühl, alles im Leben erreichen zu können und dennoch keine Chance zu haben, dorthin zu gelangen, wo sich die Schönen und Reichen bereits befinden.
Interessant zumindest am Rande: die einzige Partei, die absolut Stimmen – abgesehen von der AfD – hinzugewonnen hat, ist die SPD (!). Macht sich hier womöglich das leichte Absetzen von Merkel’s Flüchtlingspolitik bemerkbar?
Früher hieß es immer: Je geringer die Wahlbeteiligung, desto grösser die Chancen der Radikalen. Jetzt ist es umgekehrt. !0% – Plus bei der Wahlbeteiligung und über 20% für die AfD. Was heisst das? Die AfD ist nach dem Verständnis der Wähler nicht radikal? Oder die latente Rechtsradikalität der Deutschen (bei ca 30%) ist nun virulent geworden?
siehe auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/mecklenburg-vorpommern-der-verlust-der-keiner-ist-1.3149147
Zur Linken: Oskar Lafontaine sagt gestern: “Ob Kritik an der Globalisierung, am Euro, an der EU, an den Interventionskriegen der USA, oder ob eine Politik der Verständigung mit Russland gefordert wird, alles ist AfD-nahe.” Wenn es so viele Übereinstimmungen gibt zwischen links und rechts, warum haben dann die Leute nicht die Linken gewählt, anstatt von ihnen wegzulaufen?
siehe auch: http://www.nachdenkseiten.de/?p=34871#h01
Katastrophal ist für die Linken – und wird sich weiterhin für sie auswirken -, wenn sie sich um die richtige Flüchtlingspolitik streiten. (Wagenknecht / Lafontaine versus Kipling / van Aken) Bei all der medialen Feindseligkeit ihnen gegenüber, das kann sie zerreissen!
Auch die SPD hat prozentual verloren und zwar von 35,6% auf 30,6%. Das sind 15% weniger gegenüber den letzten Landtagwahlen. Bei der CDU liegt der Verlust prozentual bei knapp 18%.
Nicht übersehen werden darf der so genannte Ministerpräsidenteneffekt. Das war bei den letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ähnlich.
Auf Mecklenburg-Vorpommern bezogen hat Sellering somit den Schaden für die SPD in Grenzen gehalten.
In der Tat ist der Wahlerfolg der AfD, der mit einer gestiegenen Wahlbeteiligung einhergeht, ein Problem. Man könnte auch sagen, nicht eine niedrige Wahlbeteiligung stärkt die Radikalen, sondern eine Einheitsregierung, die sich zudem noch ignorant verhält.
Was die Linkpartei betrifft, stimme ich deinen Thesen weitestgehend zu. Ob es die Linkspartei zerreißt, wage ich zu bezweifeln. Die Linkspartei gehört mittlerweile zum Politikestablishment. Bei einer Establishment-Partei schadet der innerparteiliche Streit immens, vor allem dann, wenn er öffentlich ausgetragen wird. Viele entscheidender ist aber die Tatsache, dass die Linkspartei ihr Wahlklientel nicht erreicht, weil u.a. zu viele Themen kontrovers diskutiert werden. Es kann doch nicht sein, dass ein Drittel der Bevölkerung der Unterschicht zuzurechnen ist und von denen ein Großteil die AfD wählt. Da läuft gewaltig etwas schief.
Ich finde, das Zitat von Lafontaine sollte man ganz lesen. Kritik als solches an der herrschenden Politik ist ja nicht per se einerlei. Es kommt schon auf die Begründung und die Alternativen an, die benannt werden. Und da fehlt ein schlüssiger Vorschlag der Partei DIE LINKE. Insofern ist der öffentlich ausgetragene Streit in der Tat schädlich. Ohne bisher jemals in die Nähe von Regierungsverantwortung auf Bundesebene gekommenen zu sein, macht sie sich unattraktiv, kaum wählbar. Die SPD hat die Verschärfung von Hartz IV gerade mitgemacht. Sie bietet auch der verunsicherten Mittelschicht nichts an. Insofern denke auch ich, der Ministerpräsidenten-Bonus hat sie gerettet.
Was fehlt, sind überzeugende linke Antworten, die die Sorgen und Àngste aufgreifen, ohne vermeintlich einfachen Lösungen das Wort zu reden. Zentral ist die Verteilungsfrage, die Eigentumsfrage. Die jetzige Situation spaltet das Land, sie spaltet Europa, führt zu Krieg und Chaos in Ländern des globalen Südens. Chauvinistische Antworten wie von der AfD und übrigens der CSU werden keines dieser Probleme erfolgreich lösen.
Die gesamte gesellschaftliche Linke ist jetzt gefordert, Antworten außerhalb der herrschenden neoliberalen Erzählung zu finden.
Ich schlage eine Vorwärtsstrategie der Linkspartei vor:
Die Linkspartei müsste der SPD ein Angebot unterbreiten, unter welchen grundsätzlichen Bedingungen sie bereit ist, an einer Regierung teilzunehmen. Das Angebot müsste sich fast ausschließlich auf das Thema „soziale Gerechtigkeit“ beziehen, ein 10 Punkte-Plan sozusagen, aber nicht allzu detailliert. Gleichzeitig sollte die Linkspartei ihre Forderung aufgegeben, aus der Nato auszutreten bzw. absolute Reizthemen vermeiden. Darüber hinaus sollte durchaus der Eindruck erweckt werden, dass man ergebnisoffen diskutieren will.
Ich glaube zwar nicht, dass die SPD auf dieses Angebot eingehen wird, aber es würde vor allem die Führungsspitze der SPD unter Druck setzen und die Reformkräfte in der SPD stärken.
Ausgehend von Andreas’ letztem Satz, nämlich “Die gesamte gesellschaftliche Linke ist jetzt gefordert, Antworten außerhalb der herrschenden neoliberalen Erzählung zu finden” schlage ich vor:
Tja – dann fühlen wir uns doch mal als Teil der gesamten gesellschaftlichen Linken und entwerfen die Grundzüge eines Programms zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Also – was müsste in einer Wahlplattform für die Bundestagswahl 2017 zur Flüchtlingsfrage stehen? Die Überschriften dazu sollten wir doch zusammen bekommen. Es sollten also nur Dinge drin stehen, die einen direkten Bezug zur Flüchtlingsproblematik haben – natürlich bis zur Sozialpolitik und einem Einwanderungsrecht und zu den Fluchtursachen und sie müssen in der nächsten Legislaturperiode realisiert oder mindestens initiiert werden können. So viel Realismus muss sein.
Einige Leitsätze will ich schon mal formulieren:
• Einstellung aller deutschen Waffenlieferungen – zunächst in Krisengebiete, dann generell und Behebung der daraus resultierenden beschäftigungspolitischen Auswirkungen durch einen aktive staatliche Wirtschaftspolitik.
• Überprüfung der Bundeswehreinsätze im Ausland auf humanitäre Schutzfunktionen, gflls Einstellung diverser Einsätze
• Formulierung und Beantragung eines Einwanderungsrechts, indem der Bedarf an Migranten aus ökonomischen und demografischen Gründen definiert wird.
undundund ….
Ihr seid also aufgerufen, Euren Beitrag zu leisten, einfach in Form von Statements. Ich will das gerne zu einem Konzept zusammenfügen. Am besten machen wir das per email. Wenn wir ein vernünftiges Papier zusammen bekommen, stellen wir es dann Sahra Wagenknecht und Sigmar Gabriel zur Verfügung. Einverstanden?
Die Flüchtlingsfrage ist nicht die zentrale Frage, zentral ist die Frage der sozialen Sicherheit. Insofern ist der Vorschlag von blog1 im Prinzip richtig. Die Flüchtlingsfrage ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die ersten beiden Forderungen unterschreibe och sofort. Zu Forderung drei: Flüchtlinge und Einwanderer sollten wir, nein: müssen wir getrennt voneinander betrachten.
In den Forderumgskatalog gehären eime Abkehr vom Sanktionssystem bei Hartz IV, Investitionen in kommunale Strukturen, um Bibliotheken, Frei- und Hallenbäder zu erhalten, der Ausbau eines kostengünstigen ÖPNV. Thema Wohnen: wie kann man sich entvölkernde Regionen beleben? Dort steht Wohnraum leer. Und wie kann günstiges Wohnen in den Städten organisiert werden? Es kann ja nicht sein, dass die Kommunen Millionen Euro hernehmen müssen, um Wohnen zu subventionieren, weil sich manche in den attraktiven Ballungsräumen wie München eine goldene Nase verdienen.
Es bräuchte ein linkes Projekt für Rot-Rot-Grün, das die sozisle Frage in den Vordergrund stellt, aber die ökologische bei allem mitdenkt. Und außenpolitisch muss jeder Schritt hin zu Deeskalation, zu friedenschaffenden Maßnahmen, zu einer aud Ausgleich und Entwicklung des globalen Südens führen. Das geht nicht alles sofort, es muss aber erkennbae werden, dass wir die Fluchtursachen erkennen und verstehen, wie sich das ändern lässt.
Das alles kostet Geld. Also muss auch hier ein ernsthafter Vorschlag zur Finanzierung gemacht werden.
Ich stimme Andreas zu, die Frage der sozialen Sicherheit ist der zentrale Punkt. Die Flüchtlingsfrage ist – wie ich bereits geschrieben habe – der Kulminationspunkt oder auch der Auslöser, an dem sich die Unzufriedenheit vieler Wähler festmacht. Die Ursachen liegen aber tiefer und sind auch seit längerem bekannt.
Auch sind außenpolitische Fragestelllungen für wenige Wähler wirklich entscheidend. Sie schauen nach ihrer persönlichen Situation vor Ort und ob sich dort konkret etwas verbessert. Die Linke muss die Wählerschichten der Unterschicht und der Mittelschicht erreichen, die von Abstiegsängsten tangiert sind. Die Intellektuellen unter den Linken sollten sich endlich mal auf ein gemeinsames Konzept verständigen und ihren Streit teilweise um Kaiser`s Bart beenden. Das heißt nicht, dass es auf die Problemstellungen eine einfache Antwort gibt, so wie es die AfD suggeriert, sondern dass die angestrebten Lösungen klar und eindeutig kommuniziert werden müssen, so dass sie auch jemand versteht, der nicht ein Studium in Politikwissenschaften oder ein anderweitiges Studium absolviert hat.
Zur der finanziellen Frage nur Folgendes. Wenn wir beispielsweise die Mittelschicht steuerlich entlasten wollen, dann muss die Oberschicht hierzu einen Ausgleich leisten. Ich halte es für kontraproduktiv, Vorschläge zu machen, die darauf abzielen, die Haushaltüberschüsse zu verbraten bzw. in eine erneute Verschuldung zu gehen. Das kommt nicht gut an, auch wenn eine strukturelle Verschuldung, beispielsweise die Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur durchaus akzeptabel wäre. In der Bevölkerung herrscht jedoch das Vorurteil, dass die Linken nicht mit dem Geld umgehen können.