Der ewige Schäuble

Foto: oaø

Ich gebe zu, dass bei mir eine Negativliste von deutschen Politikern von Wolfgang Schäuble angeführt würde.

Unser Finanzminister ist für mich DER Protagonist einer harten, engstirnigen neoliberalen Wirtschaftspolitik, der sich auch nicht durch Fakten vom Scheitern seiner Politik (siehe Griechenland, Portugal) beeindrucken lässt.

Jeder halbwegs intelligente Volkswirtschaftler müsste ihm doch erzählen können, dass seine Austeritätspolitik das Gegenteil von dem bewirkt, was er offensichtlich als seine Ziele darstellt.

Ich fürchte, dass es ihm egal ist ob seine Reformpläne was bewirken oder nicht, sondern dass es ihm einzig und allein darum geht, Regierungen von anderen EU-Staaten sein hartes Spardiktat aufzuzwingen.
Aber natürlich nur bei den sog. linken oder sozialdemokratischen Regierungen, die sich weigern seinen Kurs zu befolgen.

Die Folgen dieser verfehlten Politik wie Absenkung der Löhne und Renten, Abbau von Arbeitnehmerrechten, hohe Arbeitslosigkeit gerade bei Jugendlichen, Exodus der Gutausgebildeten in die nördlichen EU-Länder, Verramschen von Staatseigentum durch Privatisierungen sind nach wenigen Jahren neoliberaler Wirtschaftspolitik in Griechenland zu sehen.
Die Folge davon ist die Vertrauenskrise der EU, was die maßgeblichen EU-Politiker aber bis jetzt ignorieren. Auch die sozialen Folgen dieser Politik scheinen bei Herrn Schäuble keine Regung zu hinterlassen.

Dafür können sich jedoch Großkonzerne und Super-Reiche bei Ihm bedanken – ob das nun die Cum-ex-Geschäfte (von Maschmeyer & Co) betrifft oder die Verhinderung von Offenlegungspflichten weltweiter Konzerne über ihre Geschäfte in den einzelnen Ländern.
Und sein mantrahaftes Festhalten an der schwarzen Null ist volkswirtschaftlich eine Katastrophe – da werden deutsche Staatsanleihen mit Negativzinsen verkauft und gleichzeitig sollen die Autobahnen teilprivatisiert werden in einer Autobahn-AG. So wird eine Infrastruktur, die mit Steuergeldern erbaut und unterhalten wurde, an institutionelle Anleger wie Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften verscherbelt, die sich wiederum eine Rendite von mindestens 5-7 % erwarten. Das lässt sich natürlich leicht mit einer Autobahnmaut erwirtschaften weil die wenigsten merken, dass sie damit die Rendite ihrer Rentenversicherung gleich selbst zahlen – tolle Idee.

Wie sagte Volker Pispers in seinem Kabarett-Programm sinngemäß: wenn man von einer Sache nichts versteht dann holt man sich die besten Fachleute und stellt denen die richtigen Fragen; Herr Schäuble als Jurist hat sich wiederum als Berater wieder Juristen geholt.

Aber dass unser Finanzminister in den Politikbarometern seit Jahren Spitzenplätze belegt, ist mir ein völliges Rätsel. Offensichtlich haben die meisten Bürger so wenig wirtschaftliches Verständnis, dass sie die Irrlehre von der „schwäbischen Hausfrau“ als Vorbildfunktion einer Volkswirtschaft wirklich glauben.
Da bleibt mir nur die Hoffnung, dass die von Herrn Schäuble mehrmals geforderte Erhöhung des Rentenalters (z. B. auf 70 Jahren) als erstes ihn selbst trifft.

Bildquelle: oaø / CC BY-NC 2.0

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12 Gedanken zu „Der ewige Schäuble

  1. Ludger Elmer

    Die Beliebtheit Schäuble’s hat was mit der medialen Macht in Deutschland zu tun: Schäuble gilt als diszipliniert, fleissig, sparsam, genügsam und konsequent, alles “deutsche” Sekundärtugenden. Es wirkt eben auch, dass es medial gelungen ist, die hohe Staatsverschuldung der Sozialpolitik anzulasten und davon ablenkt, dass auch hier die Rettung der Banken (HRE, IKB) zu Lasten des Staatshaushaltes ging. Schäuble verkörpert für viele Deutsche in einer Welt, die angeblich aus dem Ruder gelaufen ist, so etwas wie einen Anker der Ordnung. Wie einfach wäre es doch für Sahra Wagenknecht, hier in einem wirklich linken Konzept, dagegen zu halten. Eine konsistente linke Wirtschafts- und Sozialpolitik einschliesslich einer Integrationspolitik sollte sie sich vornehmen anstatt missverständlich über Merkel zu sinnieren. So kommt eben eins zum anderen. Gibt es möglicherweise eine Übereinstimmung zwischen Schäuble und Wagenknecht?

  2. Willi

    Lieber Ludger, Deinen letzten Satz kannst Du doch nicht wirklich ernst meinen, oder? Wagenknecht hat den Sachverstand, der Schäuble fehlt, und sie kann ihre Meinung auch recht gut verständlich machen! Und Kritik an Merkel ist mehr als angebracht. Sie verantwortet schließlich die katastrophale Politik dieser Bundesregierung sowie zum Teil den Niedergang der EU.
    Willi

  3. Ludger Elmer

    Lieber Willi,
    Das ist eine Frage – ein Schuss Provokation ist sicherlich enthalten – aber die Diskussion der letzten Tage zeigt doch, dass wir bei den Linken eben auch die Frage nach dem nationalen Interesse stellen müssen, warum eigentlich nicht?
    Schäuble’s Sachverstand würde ich allerdings nicht gerne unterschätzen. Das ist doch die Vertretung von Interessen des Kapitals und der “Märkte”, was seine Finanzpolitik widerspiegelt. Wenn es nur fehlender Sachverstand wäre, könnten wir ihn schnell widerlegen, das schafft sogar der Student im ersten Semester VWL, der weiß, dass nicht alle Segmente in einer VW gleichzeitig sparen können und dass Sparen etwas mit Schulden zu tun hat.

    1. Willi

      Lieber Ludger,
      was Du bei der Linken mit “die Frage nach dem nationalen Interesse” meinst verstehe ich leider nicht.

      Aber bei Schäuble Sachverstand unterstellen: Dem will ich mich nicht verwehren. Das würde bedeuten, er weiß was er tut. Man muss ja bei der Frage nach der Motivation oft überlegen: “Dummheit oder Absicht?” Und dann kommt mir die Frage, ob er nicht seinen Amtseid verletzt. In dem heißt es: “…dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen…”. Ein einseitiges Handeln zum Wohle des Kapitals und der “Märkte” würde diesem Eid widersprechen, weil davon nur eine kleine Minderheit profitieren würde, aber die große Mehrheit (“das Volk”) nicht.
      Im Ernst: Die “Trickle Down”-These (dass es auch dem Volk gut geht, wenn es den Reichen gut geht) ist doch längst widerlegt. Deshalb ist doch klar, dass die aktuelle Finanz- und Wirtschaftspolitik doch eher zum Nachteil der großen Mehrheit der Bürger wirkt, und das lässt sich ja auch statistisch nachweisen. Ich unterstelle mal, dass Du diesbezüglich nicht wirklich Gemeinsamkeiten mit den Äußerungen von Sarah Wagenknecht siehst.
      Willi

      1. Ludger Elmer

        Lieber Willi!
        Ich muss ja Schäuble nicht verteidigen. Aber warum ist er denn so beliebt? Sind es die finanzpolitische Solidität, die er praktiziert plus ein medialer Mainstream, der ihn unterstützt? Oder sind alle Deutschen, die ihn mögen, blöd und blind und zusätzlich verführt?
        Und Sahra Wagenknecht hat sicherlich bemerkt, dass die Pegidas und die AfD’er eben auch der Linken weggelaufen und direkt auf die rechte Seite gewechselt sind. Welche Schlüsse zieht sie daraus? Da gilt es doch genau hinzuschauen.

        1. Nachdenkerin

          Kann es sein, dass Herr Schäuble als Rollstuhlfahrer einen Bonus hat? Würde er anders beurteilt werden, wenn er noch auf zwei Beinen selbst gehen würde?

  4. Andreas Schlutter

    Ich denke, Schäuble ist deshalb so beliebt, weil immer noch zu viele glauben, dass Deutschland ökonomisch alles richtig macht. Eine der niedrigsten Arbeitslosenraten in der EU, Handelsüberschüsse, jetzt sogar Gewinne mit Schulden, weil deutsche Staatsanleihen so sicher sind. Die Kehrseite wird ausgeblendet, die Situation von Hartz-IV-Empfänger*innen wird eben gerade nicht als skandalös empfunden. Niedriglöhne, Leiharbeit, Zeitverträge, prekäre Jobs werden mittlerweile als selbstverständlich und normal erlebt.
    SPD und Grüne haben (sich) ja vor zehn, fünfzehn Jahren viel geleistet, um diese Zustände erst zu ermöglichen – und haben es beide bisher vermieden, grundlegende Fehler einzuräumen bzw. eine Umkehr einleiten zu wollen.

    Den Vorwurf gegen Wagenknecht kann ich nicht nachvollziehen, lieber Ludger. Die gesellschaftliche Linke (und dazu gehören im Wesentlichen SPD und Grüne wohl nicht mehr) hat kein Gegenkonzept zur Erosion des Sozialstaats auf europäischer Ebene, wofür Schäuble ja auch steht. Sahra Wagenknecht sieht hier eher Handlungsspielräume auf nationalstaatlicher Ebene, andere wie Yanis Varoufakis und Ulrike Guérot wollen Europa zu einer Demokratie, einer Republik umbauen und den europäischen Bürger als Souverän erst entstehen lassen.
    Dass wir – als Bürger*innen des Landes – an unserem relativen Wohlstand, der auf hohem Konsum und Ressourcenverbrauch fußt, auf Dauer nicht werden festhalten können, ist allen mehr oder weniger bewusst, aber die meisten wollen es nicht glauben und haben womöglich Angst davor, was danach kommt. Also werden diejenigen gewählt, die den noch als stabil empfundenen Status Quo verteidigen. Auch daraus resultieren die immer noch hohen Zustimmungswerte für Merkel und die hervorragenden für Schäuble.

    1. Ludger Elmer

      Es ist wirklich komisch. Wenn ich nur die Frage stelle, wie wird eine Linke sich verhalten, wenn ihre eigenen Argumente von Rechts benutzt werden und ihr dadurch auch noch eine Menge Wähler verloren gehen, kommt das Totschlagargument mit SPD und Grünen. Niemand scheint ernsthaft an einer Analyse der linken Argumente interessiert zu sein und die Reaktionen sind irgendwie immer reflexhaft.
      Ist damit auch die Diskussion zu Eribon beendet? Der sagt doch wohl, dass angeblich linke – “kulturelle” – Argumente (Stichwort: LGBT) kompatibel sind mit dem Neoliberalismus aber die soziale Frage ausklammern. So hab ich das verstanden.

  5. Andreas Schlutter

    Es geht hier nicht im billiges SPD-Bashing. Eribon sagt:

    Die linke Politik steckt in einer schweren Krise, die sich seit Jahrzehnten angebahnt hat. Ich habe ein Buch darüber geschrieben, wie es dazu kommen konnte, D’une révolution conservatrice: In den Achtzigern haben linke Neokonservative mit Investorengeld Konferenzen organisiert, Seminare gegeben und mediale Debatten angezettelt mit dem Ziel, die Grenze zwischen rechts und links zu verwischen. Das war eine konzertierte Kampagne. Sie wollten all das abschaffen, worauf sich linkes Denken gründet: den Begriff der Klasse, die soziale Determination, die Ausbeutung der Arbeitskraft etc. Heute sehen wir, dass sie zum größten Teil erfolgreich waren.

    Quelle: Die Zeit

    Es geht hier nicht allein um die soziale Frage. Die Soziale Marktwirtschaft war ein Nachkriegskonstrukt, um die kerneuropäischen Gesellschaften nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs zu befrieden und gleichzeitig am Kapitalismus festhalten zu können, und sie wäre ohne den Systemgegensatz auch nicht so lange aufrechterhalten worden. Dazu muss man sich doch nur die deindustrialisierten Regionen im England und dem USA anschauen.

    Eribon stellt zu recht fest, dass der Linken das Klassenbewusstsein verlorengegangen ist – anders als den Reichen, die wie Warren Buffett Klartext reden. Die soziale Frage ist also eine Klassenfrage. Und man kann es ja anders nennen wollen, aber wenn Buffett einerseits und Eribon andererseits nicht irren, dann muss sich die Linke diesem Klassenkampf stellen, will sie nicht untergehen. Und das geht nicht, ohne auch die Frage der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel zu stellen. Denn die ist im globalisierten Kapitalismus dem Souverän, den Bürgern, selbst den Staaten weitestgehend entzogen.
    Dabei agiert der Neoliberalismus perfekt. Es gibt ja kaum noch einen sichtbaren Gegner, die Märkte sind scheinbar neutral und unbestechlich. Und Schäuble bedient das Ganze perfekt, gehört Deutschland doch seit Jahren zu den Nutznießern dieser obszönen Ordnung.

  6. Blog 1

    Wenn man Schäuble besser verstehen will, muss man wissen, dass es seine Rolle als Staatsdiener begreift. Deshalb auch dieses hohe Maß an Disziplin. Wer ihn als Fraktionsvorsitzender erlebt hat, der weiß, dass er mit harter Hand seine Linie durchzieht ohne Rücksicht darauf, ob es seinem Gegenüber passt oder nicht.

    Getreu diesem Amtsverständnis ist Schäuble davon überzeugt, dass seine Finanzpolitik Deutschland – und nur darum geht es ihm – nutzt. In der Tat hat Deutschland wie kein anderes Land von der Finanzkrise profitiert, allerdings nur Teile davon. In erster die Linie die Exportwirtschaft und auch der Staat. Der Staat verzeichnet sprudelnde Steuereinnahmen auf Rekordniveau und profitiert als sicherer Hafen vom Kapitalmarkt. Deutschland hat den letzten 7-8 Jahren Zinsen in der Größenordnung von ca. 200 Mrd. € gespart. Vor kurzem wurde eine 10-jährige Staatsanleihe zu einem Negativzins ausgegeben. Das muss sich mal auf der Zunge zergehen lassen, ein Gläubiger zahlt Zinsen dafür, dass er Geld an den deutschen Staat verleiht.
    Also, warum um alles in der Welt sollte er eine andere Politik betreiben. zumal diese Politik auch am deutschen Arbeitsmarkt keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat. Diese Politik muss bis zum September nächsten Jahres halten. Dann sind Bundestagswahlen und dann regiert wieder die CDU/CSU, mit wem auch immer. So einfach ist das!

    1. Andreas Schlutter

      Spannend wird es allerdings, wenn die beiden Krisenbanken Deutsche Bank und Commerzbank nicht bis zu Herbst 2017 durchhalten. Wird Schäuble beide Häuser retten? Und dafür ganz schnell – anders natürlich als bei notleidenden Menschen wie in Griechenland -ganz viel Geld in die Hand nehmen?

      1. Blog 1

        Wie es mit den beiden Banken weitergeht, ist sicherlich interessant, aber kein Problem für Schäuble.

        Die Commerzbank wird verstaatlicht und für die Deutsche Bank wird ein Käufer gesucht, sollte es wirklich zu Schlimmsten kommen, was ich bezweifle.

        Das alles wirft Schäuble nicht aus der Bahn, er hat die EZB fest im Griff. Nur der IWF macht manchmal Schwierigkeiten, aber der hat sich mit Griechenland so vergaloppiert, dass Schäuble auch hier die Nase vorne hat.

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