Das Bayerische Integrationsgesetz – Satire mit erschreckend realem Hintergrund

La puerta de entrada del Bayerische Staatskanzlei.

Foto: Ruben Balderas

Ein Gastbeitrag von blog1

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die Bayrische Staatsregierung, die bis heute auf die göttliche Eingebung wartet, hat in ihrem unermüdlichen Streben, das Bayernland als Paradies zu erhalten, ein neues Konstrukt und zwar „das bayerische Integrationsgesetz“ geschaffen. Ein Beweis dafür, dass ein Think-Tank bayerischer Prägung auch heutzutage funktionieren kann und das ganz ohne Mithilfe unseres allseits vermissten Karl Theodor zu Guttenberg. Damit setzt sich fort, was sich bereits in der PKW-Maut für Ausländer sowie der Obergrenze für Asylbewerber angedeutet hat.

Folgende Grundsätze wurden definiert:

  1. Zentrales Element für eine gelungene Integration ist die bayerische Leitkultur. Sie leitet sich aus den Sitten und Gebräuchen der bayerischen Bevölkerung ab, die sich über Jahrhunderte kontinuierlich entwickelt hat. Dieser Tradition muss sich jede Person, die in das schöne Bayernland einwandern will, verpflichtet fühlen. Dazu gehören eine standesgemäße Tracht, das Erlernen der Jodelsprache sowie tänzerische Bewegungen, die dem Schuhplattler zumindest ähnlich sind. Ersatzweise für die Fähigkeit des Erlernens der Jodelsprache kann die Bayernhymne „Gott mit Dir, Du Land der Bayern“ rezitiert werden. Für den Fall, dass die betreffende Person, die Bayernhymne auf einem Bein stehend fehlerfrei wiedergeben kann, entfallt auch der tänzerische Nachweis durch den Schuhplattler.
  2. Unter einer Einwanderin bzw. einem Einwanderer sind alle Personen zu verstehen, die zumindest einen Eltern- oder Großelternteil haben, der eingewandert ist und zwar auch dann, wenn die betreffende Person bereits die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Für Spitzensportler mit Migrationshintergrund besteht insofern eine Ausnahme, als dass sie sich lediglich einem vereinfachten Aufnahmeverfahren unterziehen müssen. Für die Franken und Schwaben wird geprüft, ob auch hier die Eltern- und Großelternregel zum Tragen kommt, allerdings nur dann, wenn die betreffende Person nicht in einer bayerischen Behörde angestellt ist oder dort gearbeitet hat bzw. der CSU nicht als Parteimitglied oder nicht einem Trachten- oder Schützenverein angehört.
  3. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist unabdingbare Voraussetzung für eine gelingende Integration. Dabei ist die bayrische Mundart als ergänzendes Element durchaus erwünscht. Zu Verdeutlichung dieses Anforderungsprofils dient folgende Abhandlung mit der Überschrift „das Vorstellungsgespräch
    Chef: „Sprechen Sie Englisch?“
    Bewerber(in): “Na”
    Chef: “und Französisch?”
    Bewerber(in): “Na”
    Chef: “ja, welche Fremdsprache denn dann?”
    Bewerber(in): „Wenn i net Deutsch kannt, müaßat i direkt belln”
  4. Wer einen Sprachkurs nicht erfolgreich abschließt, kann nicht darauf hoffen, dass ihm dieser auch noch bezahlt wird. Das Gleiche gilt für Dolmetscherdienste bei Behördengängen. Die Schwarze Null im bayrischen Haushalt steht im wahrsten Sinne des Wortes.
  5. Gerade für Kinder im Vorschulalter und oder im schulpflichtigen Alter ist die bayrische Leitkultur verpflichtend, schließlich ist die Jugend von heute die Grundvoraussetzung dafür, dass die in Deutschland existierenden, demographisch bedingten Verwerfungen in der Altersstruktur wirksam bekämpft werden können. Zur Förderung von Leitkultur-Kursen werden Fördermittel zur Verfügung gestellt, die vorzugsweise der einheimischen Bevölkerung zu Gute kommen sollen. Es soll auf keinen Fall der Eindruck vermittelt werden, dass unsere bayrischen Unternehmer in irgendeiner Weise einen Nachteil erfahren. Schließlich hat die bayerische Rüstungsindustrie schon genügend finanzielle Einbußen durch die restriktive Rüstungspolitik der Bundesregierung zu verzeichnen.
  6. Um einen reibungslosen Ablauf in der Integrationsförderung für Kinder sicherzustellen, werden Kinder in Asylunterkünften von der Schulpflicht ausgenommen. Damit verfolgt die bayerische Staatsregierung dem Grundsatz „Schulrecht folgt dem Asylrecht“ und ist damit richtungsweisend für die Auslegung des Begriffs „subsidiärer Schutz“. Für die CSU als staatstragende Bayernpartei mit dem Anspruch auf Alleinregierung macht es überhaupt keinen Sinn, finanzielle Mittel für die Integrationsförderung freizusetzen, wenn von vorne herein klar ist, dass diese Personen keine Bleibeperspektive in dem schönen Bayernland haben. Schließlich gilt nicht nur der Grundsatz „wer betrügt, der fliegt“, sondern auch „wer nicht hierher gehört, der fliegt“.
  7. Die Medien werden ebenfalls auf die bayerische Leitkultur verpflichtet. Die bayerische Staatsregierung folgt damit dem Leitbild der Türkei, die auf eindrucksvolle Art dokumentiert, wie mit staatsfeindlichen Journalisten zu verfahren ist.
  8. Auch für anerkannte Asylbewerbern können die bayrischen Behörden den Wohnort festlegen. Das Recht auf Freizügigkeit – ein verfassungsmäßiges Grundrecht – wird insofern eingeschränkt. Die Einschränkung auf freie Wahl des Wohnortes gilt aber auch für unterschiedliche Bildungs- und Einwanderungsschichten oder so genannte Milieus (so genannte Asoziale). Nach Lesart der bayerischen Staatsregierung soll damit einer Ghettobildung vorgebeugt werden. Meine Frage an die bayerische Staatsregierung: In welchem geistig-moralischen Ghetto lebt eigentlich die bayrische Staatsregierung?
  9. Personen, die durch demonstrative Regelverstöße oder die durch offenkundig rechtswidriges Verhalten auffallen, können durch die Teilnahme an einem Grundkurs über die „Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ unter Beweis stellen, dass sie ihr bisheriges Handeln als falsch bzw. staatszersetzend einstufen und sich künftig als kooperatives Mitglied der bayerischen Leitkultur nützlich machen wollen. Umerziehungskurse für Systemkritiker sind m.W. nur in Diktaturen üblich.
  10. Wer durch sein Handeln die geltende Rechtsordnung missachtet, kann ohne Nachweis einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € belangt werden. Die Sicherheitsbehörden werden angewiesen, in eigenem Ermessen die o.g. Regelverstöße festzustellen und zu ahnden.
  11. Ergänzend hierzu sind die Sicherheitsbehörden berechtigt und verpflichtet, erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Asylbewerbern, wie beispielsweise Personenkontrollen, das Abnehmen von Fingerabdrücken, das Anfertigen von Lichtbildern oder die Vermessung von Personen im Hinblick auf ihre äußerlichen körperlichen Merkmale ohne richterlichen Beschluss oder ohne Gefahr im Verzug in Asylunterkünften oder in Wohnungen für Asylbewerber jederzeit, also auch in der Nacht, durchzuführen.
  12. In öffentlichen Einrichtungen (z.B. Schwimmbäder, Bibliotheken) werden die dortigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen, Asylbewerber nur hereinzulassen, wenn sie vorher die Asylbewerber darüber belehrt haben, die dort bestehende Hausordnung zu beachten.

Gegen diesen Gesetzentwurf müssten alle Personen, die die Werte unseres Grundgesetzes hoch halten und auf dem Boden einer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen, Widerstand im Rahmen der gesetzlich zulässigen Möglichkeiten leisten. Ist das BayIntG erst einmal in Kraft, wird diese Form von Widerstand nicht mehr so einfach möglich sein. Ich verweise in dem Zusammenhang auf die Ziffern 9 und 10 meiner obigen Ausführungen.


blog1 ist ein Pseudonym. Unter diesem Namen veröffentlicht ein uns bekannter kritischer Geist regelmäßig Beiträge und Realsatiren in der Freitag-Community. Dieser Beitrag ist ebenfalls dort erschienen.

Am 6. April 2016 findet im Gewerkschaftshaus in München dazu die Auftakt-Informationsveranstaltung “Das geplante bayerische „Integrationsgesetz“ ist ein Angriff auf uns alle!” statt, näheres dazu in unserem Terminkalender.

Der Wortlaut des Gesetzentwurfs mit Begründung steht auf der Seite der Bayerischen Staatskanzlei als Download zur Verfügung.

Bildquelle: Ruben Balderas / CC BY-NC-ND 2.0

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3 Gedanken zu „Das Bayerische Integrationsgesetz – Satire mit erschreckend realem Hintergrund

  1. Willi

    Die im Beitrag beschriebenen Regeln für eine “Integration” sind treffend formuliert. 🙂
    Doch was nützt eine Integration in Bayern, wenn doch die Integration der Bayern in Deutschland noch nicht vollzogen ist? 😉
    Wir sollten deshalb erstmal von der bayerischen Bevölkerung die Beherrschung und Verinnerlichung der “Deutschen Leitkultur” verlangen. Die besteht nicht nur aus der beständigen Wiederholung des Wortes “dahoam”, obwohl genau das in der letzten Zeit im Bayrischen Rundfunk immer wieder praktiziert wird. Erst danach kann man von den Flüchtlingen ähnliches verlangen, muss ihnen aber mehr Zeit geben, als den eingeborenen Bajuwaren …
    Ich würde mir auch überlegen, in welche “Leitkultur” ich mich integrieren lasse. Bestimmt nicht in die, die im Entwurf des “bayerischen Integrationsgesetz” formuliert ist.
    Willi

  2. Andreas Schlutter

    Was ist denn überhaupt eine “Leitkultur”? Sicher nicht das Beachten der Grundrechte im Grundgesetz. Die Einhaltung der Menschenwürde z.B. ist gerade eben keine Frage einer Leitkultur.
    Das, was uns kulturell verbindet, ist die gemeinsame Sprache. Mehr kaum nach gut vierzig Jahren Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen.

    Geradezu erschreckend ist die Haltung der Politiker*innen, die sowohl bei den Entwürfen in Bayern aber auch in Berlin deutlich wird. Ganz schnell wird Strafe bei “Integrationsverweigerung” in den Vordergrund gestellt. Gabriel hat das unsägliche Wort “Integrationssimulant” wohl kreiert. Geht es noch?

    Übrigens: natürlich ist das Erlernen der deutschen Sprache wichtig, um sich hier zurechtzufinden und seine Rechte – auch und gerade als Flüchtling – artikulieren zu können. Artikel 1 GG gilt ja auch für sie, was die Politik offensichtlich nicht immer präsent hat. Aber eine Bemerkung zur Sprache ist dennoch notwendig: wenn man das auf die USA übertragen würde, müsste wahrscheinlich ein Großteil der Bewohner der vielen Chinatowns in den US-Großstädten das Land verlassen, weil es mit den Englischkenntnissen so stark hapert. Ganz zu schweigen von der wachsenden Gruppe derer, die Spanisch als Muttersprache sprechen und zum Teil auch nicht gut Englisch sprechen.

    Mittlerweile sind über die Asylpakete auch Klassen entstanden, Flüchtlinge erste Klasse bekommen natürlich Sprachkurse, diejenigen aus Herkunftsländern, wo geringe Chancen auf einen sicheren Aufenthaltsstatus bestehen, natürlich auch nicht. Dort ist das Ziel der Politik ja gerade, Integration zu erschweren, damit dann die Abschiebung nach Libyen, Tunesien, Marokko oder dem Sudan auch logisch erscheint. Welcher Zynismus in der deutschen und bayerischen Politik.

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