Die eiserne Sparpolitik des Kanzler Brüning war geprägt durch die Angst vor der Inflation. Deutschland hatte im Jahre 1931 4,5 Millionen Arbeitslose und die Preise sanken um 8,1%, aber beschäftigungspolitische Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Das Land erlitt eine schwere Wirtschaftskrise, die den gesellschaftlichen Nährboden bereitete für die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.
Im IMK-Buch Teil 6 behandelt Mark Schieritz den Mythos von der Inflation. Sein Beitrag lautet: “Die Weimarer Hyperinflation steht vor der Tür”.
Wenn heute von Inflation gesprochen wird, dann sind zunächst 2 Geldgrößen zu betrachten:
1) Die große Menge an Zentralbankgeld, die im Umlauf ist
2) Das Buchgeld der Geschäftsbanken, das entsteht, wenn sie Kredite vergeben
Ad 1) Die Zentralbankgeldmenge der Eurozone hat sich in der Zeit zwischen 2008 und 2012 verdoppelt, auf fast 1.800 Mrd Euro. Dieses Geld haben sich die Banken von der Notenbank geliehen, um ihre sog. Mindestreservepflicht zu erfüllen. Dies ist ein variabler Prozentsatz ihrer Kundeneinlagen und muss mit Zentralbankgeld abgesichert werden. Da das Vertrauen der Banken untereinander gesunken ist, sind die Ausleihen zwischen den Banken erheblich gesunken. Um dieses auszugleichen, haben die Banken mehr Geld von der Notenbank in Anspruch genommen. Das in den Wirtschaftskreislauf gepumpte Geld hat sich deswegen nicht wirklich erhöht und ist somit auch nicht zusätzlich ausgabe- und nachfragewirksam geworden.
Ad 2) In der Krise sind an private Haushalte und Unternehmen weniger Kredite vergeben worden als vorher. Deutschland z.B. hat einen Investitionsstau, vor allem im öffentlichen Sektor aber auch in der privaten Wirtschaft. Da wirken die Schuldenbremse, der europäische Fiskalpakt und die Stagnation der Realeinkommen.
Es ist eben nicht die verfügbare Geldmenge, die für sich allein inflatorisch wirkt, sondern es ist die Nachfrage auf den Gütermärkten, die Einfluss auf die Preisentwicklung hat. Erhöht sich die Nachfrage bei konstantem Angebot, dann sind Spielräume für Preiserhöhungen gegeben. Relevant für den Warenkorb, dessen preisliche Entwicklung wir mit der Inflationsrate messen, sind die Gütermärkte, nicht die Aktien- und die Immobilienmärkte.
Statistische Daten belegen den Unterschied zwischen dem Wachstum der Geldmenge und der tatsächlichen Inflation. In den USA wuchs die Geldmenge M3, die alle relevanten Geldgrößen umfasst, zwischen 1997 und 2008 um jährlich 9,1%. Die Inflation betrug im Durchschnitt 2,7%. In der Eurozone stieg die Geldmenge zwischen 2001 und 2008 um durchschnittlich 8,2% im Jahr, die Preise stiegen im gleichen Zeitraum um 2,3% jährlich. (Quelle: NachDenkSeiten)
Eine wichtige Rolle in der Preisentwicklung spielen die Produktionskapazitäten. Diese haben heute in der EU eine Auslastung, die die niedrigste seit dem zweiten Weltkrieg ist. Wegen der fehlenden Nachfrage sind Erweiterungsinvestitionen nicht erforderlich, steigende Nachfrage im Rahmen der Produktionskapazitäten erhöht die variablen Fertigungskosten und nicht die Fixkosten. Von der Angebotsseite geht somit kein Preisdruck auf die Güter aus. Wenn die vorhandenen Produktionskapazitäten nicht genutzt werden, dann ist eine deflatorische Entwicklung gegeben.
Deflation bedeutet ein sinkendes Preisniveau. Dies veranlasst die Konsumenten, ihre geplanten Käufe zu verschieben. Damit verringert sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was einen weiteren Preisdruck hervorruft – eine Spirale nach unten hat sich entwickelt, die Arbeitslosigkeit steigt. (Siehe auch Wikipedia)
Grundsätzlich sind in unserem Warenkorb immer Güter enthalten, deren Preis sinkt, denken wir nur an viele elektronische Artikel. Wie oft haben wir uns schon gefragt, kaufen wir jetzt oder warten wir mit dem neuen Laptop, bis der Preis weiter sinkt. Diese deflatorischen Effekte, basierend auch auf dem ständigen Preisverfall in der Chipindustrie, werden meistens kompensiert durch inflatorische Tendenzen bei anderen Gütern.
Zu befürchten ist zur Zeit keine Hyperinflation wie in der Weimarer Republik. Die Gefahr einer Deflation ist nicht von der Hand zu weisen. Das Streben der Bundesregierung nach der „Schwarzen Null“, also keine Maßnahmen zur Nachfragesteigerung über eine höhere Staatsverschuldung zu ergreifen, wird vom DIW-Chef Marcel Fratzscher als „ein fatales Signal“ bezeichnet.
Wir produzieren weniger als wir können, wir investieren weniger als erforderlich, wir verschenken Wachstumsspielräume. Wir werden unseren Enkeln weniger an Infrastruktur vererben als wir könnten, während den Schulden, die wir ihnen überlassen, genauso hohe Vermögenspositionen gegenüberstehen werden. Zu jeder Schuldenuhr gehört auch eine Vermögensuhr, die mit gleicher Geschwindigkeit tickt.
Wenn uns Frau Merkel zu Silvester wieder erzählt, wir sollten den Gürtel enger schnallen, dann wissen wir, was wir davon zu halten haben.
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Niedrige Auslastung der Produktionskapazitäten – brauchen wir zum Beispiel mehr Autos bzw. schneller neue Autos? Oder ist es richtig und sinnvoll, wie ich in der Süddeutschen gelesen habe, dass die Milchbauern die Hälfte ihrer Produktion ins Ausland exportieren und deshalb aktuell einen Preisverfall erleben? Was übrigens in dem Artikel fehlt, ist der Hinweis auf die Folgen einer an industriellen Kriterien orientierten Produktion. Turbokühe, die auf der Weide grasend verhungern würden, weil sie Turbo-Kraftfutter, meist importiert und zunehmend genmanipuliert, benötigen. Ein Antibiotika-Einsatz in der Intensiv-Tierhaltung, der mit dazu beiträgt, dass es immer mehr resistente Bakterienstämme gibt und wir vielleicht in einigen Jahren wieder an Allerweltsinfektionen sterben. Haben wir hier nicht aus schlechtem Grund bereits eine schädliche Überproduktion, die heruntergefahren werden müsste?
Natürlich haben wir Wachstumsspielräume bei Erzieherinnen, Sozialpädagoginnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen, Altenpflegerinnen (und jeweils die Männer), allerdings bräuchte es dafür dringend einer stärkeren Beteiligung der Wohlhabenden und Reichen, der Konzerne am Steueraufkommen, um das zu finanzieren. Genauso wie wir deren Geld für den Erhalt und die Sanierung der Infrastruktur brauchen. Wobei es es hier auch nicht der Gießkanne, sondern einer nachhaltigen Planung bedarf. Nämlich zum Beispiel daran ausgerichtet, wie Mobilitätsbedürfnisse möglichst umweltfreundlich und für alle bezahlbar gestaltet werden können.