Eurokrise (2) – Warum Sparen falsch ist

Die Geschichte von der Schwäbischen Hausfrau ist mittlerweile ein Klassiker. Aber wer mal versucht hat, im Freundes- oder Verwandtenkreis zu erklären, warum diese Geschichte auch für Griechenland oder Frankreich gilt, oder wer versucht, den Unterschied zwischen Angebots- und Nachfragepolitik oder zwischen Grundsätzen der Betriebswirtschaft und der Volkswirtschaft rüberzubringen, der hat festgestellt, wie tief das neoliberale Gedankengut in unserem Umfeld verwurzelt ist.

Das IMK-Buch „Die 10 Mythen der Eurokrise … und warum sie falsch sind“ behandelt den Mythos-2: „Staatshaushalte konsolidieren heißt sparen“ (von Henning Meyer)

Wir hatten schon in unserem Beitrag mit dem Titel „Heiner Flassbeck – 10 Mythen der Krise“ darauf hingewiesen, dass es zu Wachstums- und Wohlstandsverlusten kommt, wenn Private (Haushalte und Unternehmen) und Öffentliche (Bund, Länder, Kommunen) gleichzeitig oder in Summe sparen, während die schwäbische Hausfrau durchaus in der Lage ist, eine kurzfristige Einkommensminderung (z.B. durch Kurzarbeit ihres Mannes beim Daimler) durch eine Sparleistung zu überwinden. Befindet sich aber eine Volkswirtschaft wie Griechenland in der wirtschaftlichen Rezession, dann verschärfen alle Sparanstrengungen (z.B. Kürzungen von Beamtengeldern, von Arbeitslosenhilfen, von Rentenzahlungen) den Abschwung. Wer dieses nicht verstehen will, der sagt dann lapidar: „Da müssen sie durch, die Griechen.“ Oder „Es geht ja schon wieder aufwärts!“ … und das bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 60%!

Nun, in der Krise, hervorgerufen durch die Rettung der Banken, reduzierten die Staaten ihre Ausgaben, um den Haushalt zu konsolidieren (siehe Mythos-1: Das Märchen von der Staatsschuldenkrise) und gleichzeitig sanken Investitionen und Konsum, weil einfach die entsprechende Nachfrage fehlte. Blieb alleine der Export – aufgrund der gesunkenen Lohnstückkosten wurde er tendenziell wettbewerbsfähiger – aber die anderen Staaten sparten auch. Ein Wettlauf über Handelsbilanzüberschüsse funktioniert nicht, da Überschüsse eben auch Defizite – im Saldo in der gleichen Größenordnung – mit sich bringen.

Die Folgen dieser Politik waren in Griechenland – allein im Gesundheitssektor – verheerend, u.a.:

  • Kürzung der Ausgaben um 40%
  • 35.000 weniger Beschäftigte
  • Anstieg an HIV-Infektionen um mehr als 200% aufgrund der Kürzung der Drogenprogramme

In der Wirtschaftsliteratur wird diese Politik Austeritätspolitik genannt, Wikipedia formuliert es so:

„Der Begriff wird heute vor allem in ökonomischen Zusammenhängen gebraucht und bezeichnet dann eine staatliche Haushaltspolitik, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ohne Neuverschuldung anstrebt.“

Das hört sich sehr neutral an – aber die Ergebnisse dieser Haushaltskonsolidierung in den Staaten Südeuropas waren und sind in jeder Hinsicht negativ: Die Wirtschaftsleistung wurde reduziert, die Staatsschulden sind gestiegen, und der Lebensstandard ist mit gravierenden sozialen Folgen dramatisch gesunken.

Indes sagen die Neoliberalen, dass sinkende Staatsausgaben, niedrige Steuern und geringe Zinsen – der Staat hält sich am Kapitalmarkt zurück – die privatwirtschaftlichen Aktivitäten stimulieren. Doch weil die Einkommen der privaten Haushalte ebenfalls zurückgegangen sind, fehlt die Nachfrage und nur eine erwartete steigende Nachfrage veranlasst die Unternehmen zu investieren. Die Spirale der wirtschaftlichen Tätigkeit dreht sich weiter nach unten.
Das Bruttoinlandsprodukt besteht nun mal aus Konsum plus Ersparnis plus staatliche Leistungen plus dem Saldo aus Export und Import. Wenn die Privaten (Unternehmer und Haushalte) also sparen, dann muss der Staat einspringen, um das Wohlstandsniveau zu halten und eine positive Handelsbilanz können rein logisch nicht alle Staaten haben.

Da kann auch die reichhaltige Versorgung der Banken mit billigem Geld nicht weiterhelfen. Das Zinsniveau ist inzwischen so gering wie nie, aber warum soll die Wirtschaft produzieren? Da ist es lukrativer, das Geld im Kapitalmarkt anzulegen, die Kurse nach oben zu treiben und spekulative Gewinne mitzunehmen. Die Höhe der Aktien spiegelt in den meisten Fällen nicht einen gestiegenen Firmenwert wider.

In seinem Referat „Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau“  stellt Jens Berger die Begriffspaare einer ausgewogenen Konjunktur- und Wachstumspolitik gegenüber:

  • Betriebswirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich
  • Angebots- und Nachfragepolitik

Betriebswirtschaftlich ist es meistens geboten, Kosten zu senken. Ein Unternehmer sieht Löhne ausschließlich als Kosten. Einen Zusammenhang zwischen Lohn und Absatz gibt es hier nicht. Sparen ist etwas Gutes.
Gesamtwirtschaftlich bedeutet, dass jedes Produkt und jede Dienstleistung konsumiert wird. Henry Ford hat es in seiner Aussage „Autos kaufen keine Autos“ auf den Punkt gebracht: Wenn die Arbeiter, die die Autos herstellen, sich diese nicht mehr leisten können, dann finden Produzenten und Konsumenten nicht mehr zueinander. Gesamtwirtschaftlich ist Sparen oft, aber vor allem in der Rezession kontraproduktiv.

Angebotspolitik will die Rahmenbedingungen der Unternehmen verbessern, durch Lohnsenkungen oder Lohnsteigerungen, die sich nicht an der Produktivitätssteigerung (plus Inflationsrate) orientieren, durch Senkungen von Unternehmens- und Gewinnsteuern, durch niedrige Zinsen, durch verbesserte Abschreibungsbedingungen für das eingesetzte Kapital.
Nachfragepolitik will die Kaufkraft stärken durch Lohnerhöhungen, durch Einkommens- und Lohnsteuersenkungen, durch Kaufanreize wie die Abwrackprämie.
Es ist unbestritten, dass sowohl Angebots- als auch Nachfragepolitik geeignete Instrumente sind, um Konjunktur und Wachstum zu steuern, aber jeweils in einer Konjunkturphase, in der sie geeignet und erforderlich sind, wirtschaftliche Tätigkeit (in der Rezession) zu fördern bzw. (in der Boomphase) zu bremsen. In beiden Konjunkturphasen sind prinzipiell angebots- und nachfragesteuernde Maßnahmen angebracht.

Um Staatshaushalte zu konsolidieren, bedarf es also auch und gerade in einer Rezessionsphase staatlicher Impulse, um die Nachfrage nach Investitionen und Gütern zu steigern. Dieses wird höhere staatliche Schulden erfordern, die aber durch höhere Steuereinnahmen im folgenden Aufschwung kompensiert werden können. Wenn Frau Merkel sagt, sie wolle die Wirtschaft nicht durch höhere Schulden beleben, dann vergisst sie einfach, dass unsere Leistungsbilanz jährlich große Überschüsse, z.B. 2012 in Höhe von 200 Mrd € erzeugt. Dieses sind Schulden, allerdings für das Ausland.

Die Staatsschuldenkrise war hervorgerufen durch die Finanzkrise und die Bankenrettungen (Mythos-1). Die falschen politischen Antworten darauf, nämlich die Sparpolitik (Mythos-2) führten zur ökonomischen Krise. Diese führt – so ist zu befürchten – in die politische Krise. Wenn Frankreichs Jugendarbeitslosigkeit nicht durch ein politisches Programm, also durch staatliche Investitionen abgebaut werden kann, dann werden die Rechtspopulisten (der Front National) weiter davon profitieren. Deren jugendliche Anhänger sagen: „Warum sollen wir uns um die Flüchtlinge im Mittelmeer kümmern, wenn wir hier keine Zukunft haben.“ Das klingt zynisch – aber die brutale Sparpolitik ist es genauso!

Siehe dazu auch: „Die Denkfehler der Schulden-Bremser“ im Beitrag von Plus-Minus am 1.10.2014

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9 Gedanken zu „Eurokrise (2) – Warum Sparen falsch ist

  1. Annanina

    Den Artikel habe ich noch einmal diskutiert. Ein Exportüberschuss heißt in der Tat, dass das Ausland Schulden bei Firmen und Kreditgebern in Deutschland hat. Dies ist nicht der Staat und hat mit seiner Einnahmesituation nicht viel zu tun. Tatsächich haben sich aber die Einnahmen in den letzten Jahren erhöht. Deshalb ist eine Neuverschuldung nicht ganz zu verstehen? Das Argument ist ja nur, dass derzeit für neue Schulden die Zinsen niedrig sind – wenn man sie innerhalb Europas aufnimmt, und viele Dinge innerhalb des Landes erneuerungsbedürftig sind. Allerdings frage ich mich dann, warum nicht in den letzten Jahren, in denen wir ja stetig Schulden aufgenommen haben, ausreichend in die Infrastruktur investiert haben? Neue Schulden gleich bessere Infrastruktur ist also nicht die automatische Lösung. Sparpolitik in Krisenländern wie in Griechenland ist mit Sicherheit zu rigide gedacht und es müsste nicht national sondern europäisch gedacht werden. Schulden zum Antreiben von Konjunktur, um die Nachfrage im Inland anzukurbeln ist sinnvoll, aber nur wenn die Nachfrage nicht da ist. Wir haben einen hohen Konsumindex im Inland und eine hohe Exportquote. Was wir jedeoch befürchten ist ein weiterer Sozialabbau bei der Politik der schwarzen Null. Deshalb macht es eher Sinn die Einnahmeseite zu stärken, nämlich eine adäquate Besteuerung von Vermogen, die europaweite Inanspruchnahme der Kapitalgesellschaften, die derzeit die Länder gegeneinander ausspielen und zum Beispiel in Deutschland so gut wie gar keine Steuern zahlen. Wir wollen sie hier haben, weil sie Arbeitsplätze schaffen, sie aber setzen ihre Firmensitze jeweils in das Europäische Land, das die niedrigsten Steuern verlangt, und schieben darüber Papierkörbe für Millionen von Euros als Absätze in der Bilanz hin- und her. So bleibt am Ende dann nichts übrig, was zu besteuern wäre. Außerdem sollte die Lohnsteuer wieder so geregelt werden, dass die höheren Einnahmen nicht gekappt werden. Wenn dies alles wieder korrigiert würde, dann wäre eine Neuverschuldung in Deutschland nicht notwendig. Anders sieht dies vermutlich in anderen europäischen Ländern aus. Auch bei uns war vermutlich das Konjunkturprogramm für die Autoindustrie damals erfolgreich. Ich bin aber ganz sicher, dass es zu einer Neuverschuldung für die Militärausgaben kommen wird, die ja dann wieder der Rüstungsindustrie zufließen, die dann wieder Arbeitsplätze schaffen und Einzelteile bei anderen Firmen kaufen, so dass der Staat sich weiter verschuldet, der Binnenmarkt aber weiter angekurbelt bleibt. Wo sind die Grenzen der Staatsverschuldung? Wir geben heute schon 1/7 unserer Einnahmen für die Schuldenbedienung aus. Diese Ausgaben fehlen dann auf der anderen Seite auch wieder, um Infrastruktur zu schaffen, in Bildung und Soziales zu investieren. Der Beitrag von Monitor ist einseitig. Das ganze Thema des Staathaushaltes ist wesentlich komplexer, als nur zu berichten: keine Neuschulden, keine Straßen. Ich bin aber selbst immer wieder platt, mit wievielen Milliarden jongliert wird, um irgendwelchen Verpflichtungen gerecht zu werden, während Arbeitslosengeld2-Empfänger in ihren Leistungen so gedrückt werden, dass von einem würdevollen Leben und Teilhabe nicht mehr zu sprechen ist. Ganz sicher wird auch weiter in der sozialen Infrastruktur gespart werden, denn alleine durch neue Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst nehmen dort Kosten zu, während die Ausgabenhöhe eingefroren wird. Das Dilemma heißt nach wie vor: Umverteilung, soziale Gerechtigkeit – nicht Verschuldung ohne Zwang in Deutschland und rigide Schuldenbremse im Ausland. Europaweite Sozialstanddards und Europaweiter Ausgleich ist nötig.

    1. Ludger Elmer Beitragsautor

      Hallo annanina und spoxx! Danke für Eure Kommentare!
      Wo sind die Grenzen der Staatsverschuldung? Rogoff und Reinhart (http://www.nachdenkseiten.de/?p=16972) hatten sich wohl verrechnet, als sie behaupteten, ab 90% Staatschulden vom BIP hätte es nur negative Folgen auf das Wachstum. Die deutsche Staatsverschuldung ist wohl wesentlich gestiegen durch zwei Effekte: Kosten der Wiedervereinigung und Bankenrettungen. Es wird für mich zu wenig berücksichtigt, dass es zu jedem € Schulden einen € Guthaben gibt. Das heisst natürlich nicht, dass es keine Grenzen gäbe. Aber ich kenne keine aus der Literatur oder aus der Wissenschaft. Hat jemand schon etwas bei Piketty entdeckt? Aber Staatsschulden sind sicherlich eine Ursache für die Umverteilung von Unten nach Oben. Die Besitzer der Staatsanleihen kassieren die Zinsen, während die Masse der Lohnsteuer- und Mehrwertsteuerzahlenden für Zinsen und Tilgung gerade stehen, aber selbst wohl keine erheblichen Sparleistungen erbringen können.
      Wenn wir Investitionsbedarf in unsere Infrastruktur haben, dann gibt’s nur zwei ökonomisch sinnvolle Möglichkeiten: Steuererhöhungen (Einkommen, Vermögen, Erbschaft und globale Konzerne) oder höhere Schulden. Das erste traue ich der Politik nicht zu – die SPD hat eine Heidenangst (vor den Medien!), wenn sie Steuererhöhungen fordert, nachdem sie ja in Rot-Grün eine Menge an Steuerentlastungen für Konzerne und Gut-Verdienende durchgesetzt hat. Das zweite – die SZ schrieb vor zwei Wochen, dass in Europa 1,5 Bio (!!!) € Steuereinnahmen jährlich durch die Manipulationen der Konzerne verloren gehen – traue ich der Politik ebenfalls nicht zu. Schauen wir uns doch nur den Einfluss von Grossindustrie und Lobbyismus bei TTIP und CETA an! Politisch wirkt eben auch noch die deutsche Schuldenbremse und der europäische Fiskalpakt. Was bleibt – spoxx sieht das wohl richtig – sind “Einsparungen” im Sozialstaat, also Agenda2020 oder eine weitere Welle der Privatisierung, PPP etc., was den Bürger mehr kostet als wenn’s der Staat richtet.
      Dem Argument von Gustav Horn kann ich nicht widersprechen: so preiswert wie zur Zeit wäre die Infrastruktur nie mehr zu finanzieren! Aber politisch steht die Schwarze Null, was ökonomischer Unsinn ist. Wir vererben eben nicht nur Schulden, sondern auch die Guthaben! Aber die Infrastrukur, die vererben wir allemal!

      1. Annanina

        Nur ein Gedanke, Ludger, zu Deiner Frage der Guthaben: Hat nicht Helmut Kohl für die Wiedervereinigung die Hälfte an Tafelsilber verscheuert, indem er die Goldreserven halbiert hat? Ich erinnere mich da dunkel an sowas. Und mit der Privatisierung von Post und Bahn ging doch weiteres öffentliches Guthaben in die Binsen – oder nicht? Die Grundstücke, die die Bahn übernommen hat (nicht die Schienen bzw. Gleise), sollen enormen Wert haben, da sie diese Stück für Stück verschleudern kann. Die Schulden der DDR, die sie in der BRD hatte, sind wohl perverser Weise auch an das gesamte Land vererbt, während nach der Wiedervereinigung auch eine Verschleuderung von Werten in Form von Grundstücken und Immobilien stattfand. Ich denke nicht, dass es ein staatliches Interesse gibt, auch diese Bilanz zu veröffentlichen. Wo man dsa finden kann? Keine Ahnung. Die Politik der Fimen, um keine Steuern zu zahlen: Ausspielen der nationalen Regierungen gegeneinander.
        Spoxx: Ich habe schon Pferde husten sehen und bin vermutlich wirklich immer viel zu naiv. Aber da die Politik immer mehr auf Wirtschaftsberater als auf wissenschaftliche Ökonomen hört, könnte die Politik wirklich in diese Richtung des Sozialstaatsabbaus getrieben werden. Nur ist es für Merkel und Co auch schwierig, die Schuldenbremse überall zu fordern und nicht selbst einzuhalten. Und die Frage des Nachhaltigen Wirtschaftens steht auch im Raum. Wer kennt das Buch von Graewe Maxton “die Wachstumslüge”? Ich habe es nicht gelesen und weiß nicht, wie er einzuschätzen ist. Er war wohl Mitglied des Club of Rome. Hier habe ich, als ich nach ihm gesucht habe, eine Zusammenfassung der pro und Contra Argumente für und gegen Schulden gefunden: http://www.format.at/wirtschaft/business/die-wachstumsluege-327828. Vermutlich ist das Argument, sich nicht kaputt zu sparen (ein Modell, in dem es egal ist, ob die Bevölkerung in Griechenland Gesundheitsversorgung oder soziale Absicherung hat mit Folgen bis zu Suiziden), sondern in vernünftige Zukunftstechnologie zu investieren, um auch Guthaben aufzubauen, das vernüftigste Argument. Auf was würden Börsenspekulanten setzen, wenn sie an Europa denken? Bestimmt nicht auf den Umweltschutz. Insofern ist auch in diesem Bereich Nachhaltigkeit nicht immer Sparen. Wie will die derzeitige Regierung all die verkündeten Aufgaben: Energiewende, Krieg, Flüchtlingsströme etc. bewältigen? Es ist wohl weiter das Primat der Ökonomie vor der politischen Steuerung. Schulden oder nicht, es fehlt ein Gesamtkonzept, auch ein Europäisches. Hier geht die Steuerung wohl eher in Richtung TTIP. Ich sehe schwarz bei dem derzeitigen Primat der Wirtschaft. Von der Logik des Geldes habe ich immer nochnicht viel verstanden, trotz Filmen lets make money oder master of the universe. Geld hat immer das Interesse, Geld zu machen, jenseits von irgendeiner Moral oder Planung. Schwierig, wenn man in der Negativbilanz steht, denke ich als schwäbische Hausfrau. Dass ein Außenhandelsüberschuss besteht, heißt vor allem wohl, dass andere europäische Schuldner in unserer Kreide stehen, da wir überwiegend in andere europäische Länder exportieren. Da unklar ist, wie diese Schuldner zurückzahlen, sind nach Sicht meines Volkswirtschaft studierenden Bekannten vor allem die privaten Renten (die überwiegend fondsgesteuert investieren) in Gefahr und damit eine Gefährdung aller, die in das Konzept der Privatabsicherung von Alter gezwungen werden. Insofern wirkt das Ganze auf mich wie eine riesiger Schuldenkreislauf, in den wir uns gegenseitig reissen, Deutschland aber versucht, seine Außenstände in anderen Ländern massiv einzutreiben. Dafür müssen sie natürlich auch die eigene Sicht rechtfertigen, in dem sie so tun, als ob sie mit positivem Bespiel vorangehen. Was ist nachhaltig? Was ist vernünftig? Welche Politik fährt Europa? Auf jeden Fall fehlt mir das Primat einer Politik, die europaweit auf Sozialstanddards und einer zukunftsträchtigen Europäischen Infrastruktur setzt. Wenn ich Schulden mache, dann kalkuliere ich immer, wie ich mit diesem Defizit eine Verbesserung erstrebe. Irgendwie fehlt mir das Alles in dieser großen Angstdiskussion.

  2. spoxx

    Die Feststellung, dass gerade in Zeiten von Rezession staatliche Impulse, auch auf Kosten einer höheren Staatsverschuldung und steigender Inflation, gefragt sind, ist ja tatsächlich eine geradezu klassische Erkenntnis, die selbst von eingefleischten Marktwirtschaftlern “systemimmanent” vertreten wird:
    Der US-amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträge Paul Krugman beschreibt diese Zusammenhänge (nur als Beispiel) schon 2011 auf Gesamteuropa bezogen: http://www.nytimes.com/2011/09/26/opinion/euro-zone-death-trip.html

    Ich denke also, die ökonomischen Fakten sind auch in der Regierung bekannt, und so meine ich, es geht im Grunde um etwas anderes:
    Um die Demontage des Sozialstaats – ja, des die Wirtschaft (über Steuern und Gesetzgebung) regulierenden Staates an sich.
    Die Neoliberale Strategie: durch Sparzwang den Staat handlungsunfähig machen!

    Das entsprechende Motto, “Starve the Beast” (mit “Beast” ist der regulierende Staat gemeint), hat bereits Ronald Reagan im Jahr 1985 ausgegeben (http://en.wikipedia.org/wiki/Starve_the_beast)
    – es wurde zum obersten Credo der Konservativen und Neo-Konservativen, die Fiskalpolitik betreffend.

    Angela Merkel gehört dazu.

    Ich denke es ist gut, diese – ausserhalb des engeren finanzpolitischen Kontexts liegenden und, wenn man so will, “staatsideologischen” – Hintergründe bei diesem Thema mit zu bedenken.

  3. Annanina

    Quarks und Co: Über die Schere zwischen Arm und Reich… und warum sich Entschedungen für mehr Vermögenssteuer nicht umsetzen und der Einfluss der superreichen auf parlamentarische Entscheidungen:

    1. Ludger Elmer Beitragsautor

      Hallo Annanina!

      Zunächst zu einigen Aspekten deiner gestrigen Kommentare:

      –> Warum wollen wir auf die Rüstungspolitik setzen und damit das Arbeitsplatzargument verbinden? Wenn wir uns auf unseren eigenen Rüstungsbedarf und den unserer Freunde beschränken würden, das würde ich für sinnvoll halten. Die frei werdenden Arbeitskräfte hätten in der Solarindustrie genug zu tun. Aber dazu wäre eben staatliches Handeln erforderlich!

      –> Tafelsilber, Vermögen und wertvolle Grundstücke haben wir im Überfluss! Wir müssten nur die Erträge daraus in den Wirtschaftskreislauf fliessen lassen, über Vermögenssteuern und über die Sozialpflichtigkeit aller Einkunftsarten. Wie die Schweizer das in ihrer Bürgerversicherung – 7% Beitrag auf alle Einkünfte, Arbeit und Kapital und daraus abzuleitende Minimal- und Maximalrenten! Und eine Beitragsbemessungsgrenze kennen sie nicht!

      –> Staatsschulden (im Haushalt) und Handelsbilanzüberschüsse (Salden daraus) sind zweifellos unterschiedliche Dinge! Ich möchte in meinem nächsten Beitrag zur Eurokrise darauf zurückkommen!

      –> zur Energiewende verweise ich auf einen älteren Beitrag hier in unserem Blog: https://nachdenken-in-muenchen.de/?p=449

      –> Schulden macht man wirklich nur, wenn sich daraus eine Verbesserung der Lebenssituation (Wohnen, Infrastruktur) ergibt. Die Banken mussten wir retten und uns dafür verschulden, um den Staus Quo = funktionierendes Bankensystem zu erhalten. Uns ist hier dieses “To BIg To Fail” um die Ohren gehauen worden. Bei der Rettung der HRE (Hypo Real Estate) sind aber eine Menge Gläubiger, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, verschont worden. Über den Staatshaushalt das Geld einzusammeln, ist eben einfacher und bietet obendrein die Möglichkeit, uns aufzufordern, “den Gürtel enger zu schnallen”.

      –> Prinzipiell unsicher sind alle Formen der Altersvorsorge, die nicht über das Umlagesystem sondern kapitalgedeckt (Fonds, Lebensversicherunge, Riester, etc.) gemanagt werden. Dazu zählen auch die betrieblichen Renten! Die Schweizer wiederum haben mindestens eine Pflichtrentenversicherung auf betrieblicher Basis – für alle Betriebe!

      O Bürgerversicherung ohne Beitragsbemessungsgrenze, sozialverträgliche Energiewende, drastische Beschränkung der Waffenexporte, damit verbundene aktive Friedenspolitik, Steuern auf Vermögen, ja und auch eine wirkliche Flüchtlingspolitik — wir müssen uns schämen, für das, was in NRW passiert ist — all das wären u.a. Themen, die eine Mehrheit links von der CDU finden würden, aber dazu bedarf es viel Mut und noch mehr Glaubwürdigkeit, vor allem bei der SPD!

  4. Annanina

    Ich stimme Dir in den meisten Dingen zu, Ludger! Das mit der Rüstungsindustrie war sakastisch gemeint, wenn man das nicht herausgehört hat. In Infrastruktur zu investieren ist sinnvoll. allerdings verfällt die auch mit jedem Tag, an dem sie erneuert wurde. Tatsächlich sind da heute schon große Mängel zu sehen…. Vermutlich ist die Investition in Infrastruktur nur mit/in neue/r Technologie noch sinnvoller, weil dann nicht nur die Gesamtheit davon profitiert, sondern auch die Weiterentwicklung und Forschung. Wenn Du diesen Link da oben (Quarks und Co) verfolgt hast, spielt es aber eben gar keine Rolle, was wir denken, sondern was das Kapital denkt… Mich entsetzt, dass mit Kriegen soviel Geld verdient werden kann und jedes Aufbegehren gegen den Status Quo genutzt wird, Waffen reinzuschleusen (Syrien, Ukraine). Was Isis angeht, frage ich mich, warum Europa da investiert, während Kathar und Saudi-Arabien vermutlich eher Isis sponsern, als die Gegenbewegung. Und schon wieder ein Grund für Deutschland in Krieg zu investieren. Da reibt sich ein ganzer Industriezweig die Hände, weil innereuropäisch offensichtlich zu wenig verkauft wird. Das sollte mein Zynismus bedeuten, sonst nichts. Das schnelle Geld lässt sich offensichtlich besser verdienen mit spektakulären Dingen (Fracking, Öl, Kriege, Bodenschätze), als mit langsamen nachhaltigen Entwicklungen. Bei der Atomlobby war immer das Argument:””” Wir””” müssen die Technologie in Deutschland selbst nutzen, damit “””wir”””sie ins Ausland verkaufen können. Was sind denn noch “”””unsere”””” Spitzenprodukte? Technologisch holen die anderen “Großen” (China, Indien) gerade auf. Vermutlich geht eben der westliche Kapitalismus gerade doch in die Knie…. Oben wird berichtet, wie der Finanzlöwe Paul Springer aus Griechenland und anderen Krisenländern eine Menge Geld herausgepresst hat…. Ist das nicht doch auch ein Argument gegen Versuchuldung und nicht nur das der schwäbischen Hausfrau?

  5. Andreas Schlutter

    In der Tat ist Sparen in der Krise falsch. Spoxx hat schon Recht, wenn er sagt, es gehe darum, den Staat handlungsunfähig zu machen. Das allerdings ist eine Strategie, die nur kurzfristig erfolgversprechend ist. Mittel- bis langfristig brauchen die Unternehmen den Staat, weil er Investitionen anschieben kann, wo der wirtschaftliche Erfolg nicht absehbar ist. Das Internet, Googles Suchalgorhithmus und viele Medikamente basieren auf staatlicher Investitionsförderung.

    Weniger sparen, Kapitalerträge und Vermögen (mehr) zu besteuern, könnte, ja muss die Handlungsfähigkeit des Staates erhöhen. Aber mit welchem Zweck? Investitionen in Bildung, eine bessere Bezahlung von ErzieherInnen und AltenpflegerInnen, da bin ich sofort dabei. Aber um mehr Konsum zu ermöglichen. da regt sich Widerstand in mir. Falls es überhaupt eine Zukunft im Kapitalismus gäbe, müssten doch die Unternehmen im produzierenden Bereich jedes Jahr mit vielleicht 10% weniger Ressourceneinsatz (Rohstoffe, Energie) Gewinne erwirtschaften können – der Klimawandel und die Ressourcenverknappung müssten doch massiv drücken, und der Staat bzw. die Staatengemeinschaft müsste hier ordnungspolitisch eingreifen können und zielgerichtet Investitionsförderung z.B. in flexible öffentliche Nahverkehrssysteme betreiben.

    Also, Sparen der Staaten ist falsch, zumal es die Existenzgrundlage der Menschen bedroht (sh. Griechenland, Spanien, Portugal, Italien – die Länder sind z.B. mit der Abwanderung qualifizierter Menschen konfrontiert, was mittelfristig zu erheblichen Problemen führen wird).

    Henning Meyer schreibt: “Als die globale Wirtschaftskrise in Europa zur Eurozonenkrise wurde, war klar, dass ein schwieriger Reformprozess bevorstand. Die strukturellen Defizite in der Konstruktion der Währungszone waren zu einem akuten Problem geworden und die internen Ungleichgewichte mussten ausgeglichen werden. Im Jahr des europäischen Neustarts – mit einem neuen Europarlament und einer neuen Kommission Ende des Jahres – kann aber festgestellt werden, dass die eingeschlagene Politik die Situation verschärft und nicht gelindert hat.”

    Wo bzw. wer sind die Subjekte, die gemeinsam dagegen aufbegehren, eine Politik des sozialen Ausgleichs und der Nachhaltigkeit, der (ökologischen) Zukunftsfähigkeit einfordern? Wie kann es gelingen, Wohlstand vom Konsumterror entkoppeln?

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