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Eurokrise (2) – Warum Sparen falsch ist

Die Geschichte von der Schwäbischen Hausfrau ist mittlerweile ein Klassiker. Aber wer mal versucht hat, im Freundes- oder Verwandtenkreis zu erklären, warum diese Geschichte auch für Griechenland oder Frankreich gilt, oder wer versucht, den Unterschied zwischen Angebots- und Nachfragepolitik oder zwischen Grundsätzen der Betriebswirtschaft und der Volkswirtschaft rüberzubringen, der hat festgestellt, wie tief das neoliberale Gedankengut in unserem Umfeld verwurzelt ist.

Das IMK-Buch „Die 10 Mythen der Eurokrise … und warum sie falsch sind[1]“ behandelt den Mythos-2: „Staatshaushalte konsolidieren heißt sparen“ (von Henning Meyer)

Wir hatten schon in unserem Beitrag mit dem Titel „Heiner Flassbeck – 10 Mythen der Krise[2]“ darauf hingewiesen, dass es zu Wachstums- und Wohlstandsverlusten kommt, wenn Private (Haushalte und Unternehmen) und Öffentliche (Bund, Länder, Kommunen) gleichzeitig oder in Summe sparen, während die schwäbische Hausfrau durchaus in der Lage ist, eine kurzfristige Einkommensminderung (z.B. durch Kurzarbeit ihres Mannes beim Daimler) durch eine Sparleistung zu überwinden. Befindet sich aber eine Volkswirtschaft wie Griechenland in der wirtschaftlichen Rezession, dann verschärfen alle Sparanstrengungen (z.B. Kürzungen von Beamtengeldern, von Arbeitslosenhilfen, von Rentenzahlungen) den Abschwung. Wer dieses nicht verstehen will, der sagt dann lapidar: „Da müssen sie durch, die Griechen.“ Oder „Es geht ja schon wieder aufwärts!“ … und das bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 60%!

Nun, in der Krise, hervorgerufen durch die Rettung der Banken, reduzierten die Staaten ihre Ausgaben, um den Haushalt zu konsolidieren (siehe Mythos-1: Das Märchen von der Staatsschuldenkrise[3]) und gleichzeitig sanken Investitionen und Konsum, weil einfach die entsprechende Nachfrage fehlte. Blieb alleine der Export – aufgrund der gesunkenen Lohnstückkosten wurde er tendenziell wettbewerbsfähiger – aber die anderen Staaten sparten auch. Ein Wettlauf über Handelsbilanzüberschüsse funktioniert nicht, da Überschüsse eben auch Defizite – im Saldo in der gleichen Größenordnung – mit sich bringen.

Die Folgen dieser Politik waren in Griechenland – allein im Gesundheitssektor – verheerend, u.a.:

In der Wirtschaftsliteratur wird diese Politik Austeritätspolitik[4] genannt, Wikipedia formuliert es so:

„Der Begriff wird heute vor allem in ökonomischen Zusammenhängen gebraucht und bezeichnet dann eine staatliche Haushaltspolitik, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ohne Neuverschuldung anstrebt.“

Das hört sich sehr neutral an – aber die Ergebnisse dieser Haushaltskonsolidierung in den Staaten Südeuropas waren und sind in jeder Hinsicht negativ: Die Wirtschaftsleistung wurde reduziert, die Staatsschulden sind gestiegen, und der Lebensstandard ist mit gravierenden sozialen Folgen dramatisch gesunken.

Indes sagen die Neoliberalen, dass sinkende Staatsausgaben, niedrige Steuern und geringe Zinsen – der Staat hält sich am Kapitalmarkt zurück – die privatwirtschaftlichen Aktivitäten stimulieren. Doch weil die Einkommen der privaten Haushalte ebenfalls zurückgegangen sind, fehlt die Nachfrage und nur eine erwartete steigende Nachfrage veranlasst die Unternehmen zu investieren. Die Spirale der wirtschaftlichen Tätigkeit dreht sich weiter nach unten.
Das Bruttoinlandsprodukt besteht nun mal aus Konsum plus Ersparnis plus staatliche Leistungen plus dem Saldo aus Export und Import. Wenn die Privaten (Unternehmer und Haushalte) also sparen, dann muss der Staat einspringen, um das Wohlstandsniveau zu halten und eine positive Handelsbilanz können rein logisch nicht alle Staaten haben.

Da kann auch die reichhaltige Versorgung der Banken mit billigem Geld nicht weiterhelfen. Das Zinsniveau ist inzwischen so gering wie nie, aber warum soll die Wirtschaft produzieren? Da ist es lukrativer, das Geld im Kapitalmarkt anzulegen, die Kurse nach oben zu treiben und spekulative Gewinne mitzunehmen. Die Höhe der Aktien spiegelt in den meisten Fällen nicht einen gestiegenen Firmenwert wider.

In seinem Referat „Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau[5]“  stellt Jens Berger die Begriffspaare einer ausgewogenen Konjunktur- und Wachstumspolitik gegenüber:

Betriebswirtschaftlich ist es meistens geboten, Kosten zu senken. Ein Unternehmer sieht Löhne ausschließlich als Kosten. Einen Zusammenhang zwischen Lohn und Absatz gibt es hier nicht. Sparen ist etwas Gutes.
Gesamtwirtschaftlich bedeutet, dass jedes Produkt und jede Dienstleistung konsumiert wird. Henry Ford hat es in seiner Aussage „Autos kaufen keine Autos“ auf den Punkt gebracht: Wenn die Arbeiter, die die Autos herstellen, sich diese nicht mehr leisten können, dann finden Produzenten und Konsumenten nicht mehr zueinander. Gesamtwirtschaftlich ist Sparen oft, aber vor allem in der Rezession kontraproduktiv.

Angebotspolitik will die Rahmenbedingungen der Unternehmen verbessern, durch Lohnsenkungen oder Lohnsteigerungen, die sich nicht an der Produktivitätssteigerung (plus Inflationsrate) orientieren, durch Senkungen von Unternehmens- und Gewinnsteuern, durch niedrige Zinsen, durch verbesserte Abschreibungsbedingungen für das eingesetzte Kapital.
Nachfragepolitik will die Kaufkraft stärken durch Lohnerhöhungen, durch Einkommens- und Lohnsteuersenkungen, durch Kaufanreize wie die Abwrackprämie.
Es ist unbestritten, dass sowohl Angebots- als auch Nachfragepolitik geeignete Instrumente sind, um Konjunktur und Wachstum zu steuern, aber jeweils in einer Konjunkturphase, in der sie geeignet und erforderlich sind, wirtschaftliche Tätigkeit (in der Rezession) zu fördern bzw. (in der Boomphase) zu bremsen. In beiden Konjunkturphasen sind prinzipiell angebots- und nachfragesteuernde Maßnahmen angebracht.

Um Staatshaushalte zu konsolidieren, bedarf es also auch und gerade in einer Rezessionsphase staatlicher Impulse, um die Nachfrage nach Investitionen und Gütern zu steigern. Dieses wird höhere staatliche Schulden erfordern, die aber durch höhere Steuereinnahmen im folgenden Aufschwung kompensiert werden können. Wenn Frau Merkel sagt, sie wolle die Wirtschaft nicht durch höhere Schulden beleben, dann vergisst sie einfach, dass unsere Leistungsbilanz jährlich große Überschüsse, z.B. 2012 in Höhe von 200 Mrd € [6]erzeugt. Dieses sind Schulden, allerdings für das Ausland.

Die Staatsschuldenkrise war hervorgerufen durch die Finanzkrise und die Bankenrettungen (Mythos-1). Die falschen politischen Antworten darauf, nämlich die Sparpolitik (Mythos-2) führten zur ökonomischen Krise. Diese führt – so ist zu befürchten – in die politische Krise. Wenn Frankreichs Jugendarbeitslosigkeit nicht durch ein politisches Programm, also durch staatliche Investitionen abgebaut werden kann, dann werden die Rechtspopulisten (der Front National) weiter davon profitieren. Deren jugendliche Anhänger sagen: „Warum sollen wir uns um die Flüchtlinge im Mittelmeer kümmern, wenn wir hier keine Zukunft haben.“ Das klingt zynisch – aber die brutale Sparpolitik ist es genauso!

Siehe dazu auch: „Die Denkfehler der Schulden-Bremser[7]“ im Beitrag von Plus-Minus am 1.10.2014

Endnotes:
  1. Die 10 Mythen der Eurokrise … und warum sie falsch sind: http://www.boeckler.de/pdf/imk_10_mythen.pdf
  2. Heiner Flassbeck – 10 Mythen der Krise: http://nachdenken-in-muenchen.de/?p=413
  3. siehe Mythos-1: Das Märchen von der Staatsschuldenkrise: http://nachdenken-in-muenchen.de/?p=860
  4. Austeritätspolitik: https://de.wikipedia.org/wiki/Austerit%C3%A4t
  5. Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau: http://www.nachdenkseiten.de/?p=17317
  6. 2012 in Höhe von 200 Mrd € : http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/ausfuhrbilanz-2012-deutschland-exportiert-so-viel-wie-nie-zuvor-a-882151.html
  7. Die Denkfehler der Schulden-Bremser: http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/videos/stillstand-durch-schuldenbremse-100.html