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Das Märchen von der Staatsschuldenkrise – Eurokrise (1)

Die politische und ökonomische Krise Europas währt nun schon mehrere Jahre. Die Europawahlen 2014 haben einerseits rechtspopulistische Kräfte – vor allem in Frankreich und in Großbritannien – nach oben gespült, andererseits in vielen Ländern – vor allem in Osteuropa – ein großes Desinteresse in Form niedriger Wahlbeteiligung offenbart.

Nun ist im IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) ein Buch erschienen mit dem Titel „Die 10 Mythen der Eurokrise … und warum sie falsch sind“[1]. Die Herausgeber sind Henning Meyer und Andrew Watt. Die 10 Autoren, unter ihnen die deutschen Volkswirte Gustav Horn und Peter Bofinger, behandeln verschiedene Gründe für die Eurokrise, u.a. woher die Schulden kommen, warum die Sparpolitik falsch ist, die verfehlte deutsche Politik, die Rolle der EZB und die angeblichen Inflationsgefahren.

Wir werden die wichtigsten Thesen der Autoren in jeweils einem Beitrag hier vorstellen und beginnen mit:

Mythos-1: Die Krise Europas ist eine Staatsschuldenkrise (von Thomas Fricke)

In den gängigen Medien ist immer wieder suggeriert worden, dass südeuropäische Regierungen nicht wirtschaften können, ständig ihre Schulden erhöhen und die deutschen Steuerzahler dafür zahlen müssten. Die Daten aber beweisen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Staatsschulden und Eurokrise gibt – z.B. hatten Spanien und Irland vor Ausbruch der Krise sogar Überschüsse im Staatshaushalt. Insgesamt lagen 2007 die Staatschulden aller OECD-Staaten bei 75% vom BIP. Mit der Krise waren diese bis 2012 auf mehr als 105% gestiegen.

Thomas Fricke macht die typischen Verhaltensmuster an den Finanzmärkten, deren Herdentrieb, die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, die Ratingherabstufungen und die Spekulationen dafür verantwortlich, dass die Anleger aus den Staatsanleihen flohen und die Zinsen in die Höhe schossen. Im Dominoeffekt sprang die Krise über von Griechenland auf Portugal, Irland, Spanien und Italien. An den fundamentalen wirtschaftlichen Daten hatte sich in diesen Ländern nichts geändert.

Da die Finanzmarktspekulationen aber nicht als Ursache für die gestiegenen Zinsen herangezogen, sondern die Staatshaushalte verantwortlich gemacht wurden, mussten auch die erforderlichen Kredite mit Sparauflagen verbunden werden, also mit der Austeritätspolitik. Die falsche Diagnose führte zur falschen Therapie. Immer neue Ausgabekürzungen und höhere Steuern ergaben, dass die Wirtschaft immer weiter einbrach und die Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen stieg.

Fricke fasst zusammen:

„Kanzlerin und oberste Währungshüter scheinen vor lauter Staatsschuldenmanie die typisch-tückische Eigendynamik von Finanzmärkten unterschätzt – und damit zur Eskalation stark beigetragen zu haben […] Die Staatsschulden stiegen unzweideutig nach Ausbruch der globalen Finanzkrise, nicht vorher.“

Geholfen hat letztendlich, dass die EZB ankündigte, alle Staatsanleihen ohne Limit aufzukaufen, das beruhigte die Anleger und erbrachte in Spanien und Italien wieder normale Zinsniveaus.

Was Fricke nicht erwähnt, das ist die Umschuldung der Staatschulden von z.B. Irland und Griechenland. Hier sind private Gläubiger (Banken, Versicherungen, Hedgefonds) „rausgehauen“ worden und die Schuldenlast ist von der EZB (Europäische Zentralbank) und vom ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) übernommen worden. Für deren Schulden stehen die Staatshaushalte und damit der Steuerzahler gerade.

Jens Berger führt in den NachDenkSeiten [1] aus, dass Anfang 2010 die Verschuldung Griechenlands 297 Mrd. € betragen hat, das waren 129% des griechischen BIPs. Die Gläubiger waren zu 100% private. Im Jahre 2013 ist die Schuldenlast von Griechenland auf 323 Mrd. € (176% vom BIP) gestiegen und der öffentliche Sektor, also die Staaten, die EZB und der IWF (Internationaler Währungsfonds) halten davon 81%.

Jens Berger:

„Wie man es auch dreht und wendet, die gesamten Verluste beim nächsten Schuldenschnitt werden ausschließlich die Steuerzahler der Euroländer tragen müssen. Da Deutschland für rund 27% der Kredite direkt haftet, wird der deutsche Steuerzahler somit mehr als ein Viertel der Verluste tragen.“

Hintergrund dieser Umschuldung ist die Rettung der Banken, die auf den unsicheren Papieren saßen. Somit tragen die Steuerzahler schon ihren Anteil an der Eurokrise, aber eben nicht für die Staatshaushalte der anderen Länder sondern für die Rettung der Banken.

Jens Berger weiter:

„Denn Angela Merkel hat alles in ihrer Macht stehende getan, um die privaten Gläubiger Griechenlands herauszuboxen und die Risiken dem Steuerzahler aufzuladen.“

Somit ist es also doch kein einfaches Märchen von der Staatsschuldenkrise. Die Staatschulden haben sich erhöht – aber nicht weil etwa die Sozialleistungen gestiegen seien. Die Finanzmärkte haben gegen die Staatsanleihen spekuliert, die Banken sind gerettet worden und die Staatshaushalte und damit wir tragen die Last.

 

Endnotes:
  1. „Die 10 Mythen der Eurokrise … und warum sie falsch sind“: http://www.boeckler.de/pdf/imk_10_mythen.pdf