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Was ist Kundenkapitalismus?

Der Online-Händler Amazon ist bei vielen Kunden sehr beliebt. Er bietet eine große Warenauswahl, liefert schnell und zuverlässig und gewährt großzügige Garantien und Rückgaberechte. Die Waren sind sehr preisgünstig.
Amazon ist damit ein typischer Vertreter des Kundenkapitalismus. Er richtet die Produktion, die Logistik, die Preispolitik, den Service auf die maximale Befriedigung des Kunden aus.
Amazon macht 75 Mrd. Dollar Umsatz im Jahr, aber kaum Gewinn, erwirtschaftete in den letzten Quartalen sogar Verlust.
Wie geht das? Optimaler Service, hohe Kundenbindung und dann doch Verluste?
Ziel von Amazon ist die Abhängigkeit der Kunden von der Firma sicherzustellen. So wie wir „googeln“ schon als Verb für die Internetsuche benutzen, obwohl es einige andere Suchmaschinen gibt, so ist der Name Amazon für uns schon fast ein Synonym für den Online-Einkauf.
Wo sind aber die Folgen unserer bereitwilligen Zusammenarbeit mit Amazon?
Andreas Zielcke sagt in der SZ vom 12.8.2014, Teil Feuilleton, in seinem Artikel mit dem Titel „Jede Gefälligkeit rächt sich“:

„Zu den unliebsamen Folgen gehören […] die Zerstörung etwa des stationären Einzelhandels und nicht zuletzt die Schinderei und Ausbeutung des Logistikpersonals, das dem Kunden so überaus perfekt die gewünschte Ware besorgt.“

Den Kampf der Amazon-Mitarbeiter um angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen erleben wir regelmäßig.
Nach Hause geliefert werden die Produkte und nicht nur die von Amazon durch Mitarbeiter von Logistikunternehmen, durch Freiberufler und oft auf der Basis von Werksverträgen. Wenn sie ihren Verdienst zusammenrechnen, dann liegt er meistens weit unter dem Mindestlohn. Abgesehen davon, dass es aus ökologischen Gründen Unsinn ist, dass mehrere Logistiker in unserer Siedlung jeden Tag unterwegs sind, wird hier ein Geschäftsmodell auf dem Rücken der Arbeitnehmer praktiziert. Hier wird Lohndrückerei betrieben. Und davon profitiert eben auch Amazon.
Andreas Zielcke weiter in der SZ:

„Da aber die Arbeitnehmer der Produzenten zugleich, wenn auch am anderen Ende der Warenzirkulation, die Käufer und Konsumenten der Waren sind (jedenfalls mehrheitlich), zieht sich ein unglücklicher Riss durch die Bürger. Als Lohnabhängige müssen sie desto stärker mit finanziellem Verzicht und forciertem Arbeitstempo dafür zahlen, je zuverlässiger, schneller und billiger sie als Käufer und Kunden im prachtvollen Warenhaus dieser Welt zulangen können. Auf diesen Kurzschluss zwischen dem fröhlich konsumierenden Ich als Wunschmaschine und dem dafür zur Arbeitsmaschine disziplinierten produzierenden Ich weist Peter Sloterdijk in seinem jüngsten Buch ‚Die schrecklichen Kinder der Neuzeit‘ hin. Als Einheit von Prolet und Konsument entstehe, so Sloterdijk, der neue Typus des ‚Prosumenten‘.“

Zu den Auswüchsen unseres Konsum-Verhaltens gehört auch, dass sog. Zalando-Parties gefeiert werden. Kleidungsstücke werden beim Online-Händler Zalando bestellt, sie werden anprobiert, es wird gefeiert und das, was nicht gefällt, wird zurückgeschickt.
Gelernt habe ich einmal, dass drei Dinge eine gute Firma ausmachen: Erstens zufriedene Kunden, zweitens motivierte Mitarbeiter, drittens zuverlässige Lieferanten!
Da war von den Aktionären und dem Shareholder-Value-Prinzip, das die Gewinnmaximierung des Aktionärs in den Mittelpunkt stellt, gar nicht die Rede.
Und so sagt es auch Jack Welch, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von General Electric:

„Shareholder-Value ist ein Ergebnis, keine Strategie; die wichtigsten Interessensgruppen sind die eigenen Mitarbeiter, die eigenen Kunden und die eigenen Produkte.“
Quelle: Mittelstandsdialog[1]

Das Ganze erinnert mich an den Spruch: „Autos kaufen keine Autos“. Die Menschen, die die Autos produzieren, können sich die Autos nicht mehr leisten.
Quelle: SPON[2]
Übrigens: Wenn ich ein Buch kaufen möchte, informiere ich mich im Internet, auch bei Amazon, rufe dann bei meinem kleinen Buchhändler um die Ecke an. Das Buch ist am nächsten Tag da. Amazon kann es auch nicht schneller.

Endnotes:
  1. Mittelstandsdialog: http://www.mittelstandsdialog.de/Home/Zeitenwende-vom-Shareholder-Value-Kapitalismus-zum-Kundenkapitalismus-Teil-1-42d462.html
  2. SPON: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32134660.html