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Friedrich Merz – Rückkehr des Schattenmannes

Friedrich Merz bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014

von blog1[1]

CDU-Parteivorsitz

Kaum hatte die CDU-Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Rückzug vom Parteivorsitz bekanntgegeben, begann schon das Stühlerücken um ihre Nachfolge.

Nachbeben nach 2 verlorenen Landtagswahlen für die Union

Im politischen Alltag gibt es selten Zufälle. Nach der Landtagswahl in Hessen, in der die CDU, aber auch die SPD, kräftig Federn lassen musste, war klar, dass Angela Merkel die Flucht nach vorne antreten musste. Mit ihrem Rückzug vom Parteivorsitz wollte sie zumindest einen in ihrem Sinne geordneten Übergang auf ihre Favoritin Annegret Kramp-Karrenbauer sicherstellen. Das betrifft sowohl den Parteivorsitz als auch das Amt der Bundeskanzlerin. Konnte Angela Merkel noch mit einer Kampfkandidatur von Jens Spahn rechnen, war sie sicherlich erstaunt oder sogar überrascht darüber, dass nun ihr Hauptwidersacher aus vergangenen Tagen Friedrich Merz um die Ecke gebogen kam. Zu den Überraschungsmomenten aber später mehr.

Die Mitwettbewerber Kramp-Karrenbauer (AKK) und Spahn

AKK wurde nach der desaströsen letzten Bundestagswahl von Merkel als neue Generalsekretärin installiert. Diese Nominierung war damals ein erster Befreiungsschlag, weil Merkel natürlich registrierte, dass der Zenit ihrer Macht längst überschritten war. Es folgten dann die quälenden Jamaika-Verhandlungen, die nach ihrem Scheitern zu der Neuauflage der Großen Koalition führte. Danach folgte das Sommertheater mit Seehofer und dem Streit um den 63. Punkt seines Masterplans in Sachen Migration. Es dauerte nicht lange, als im Zuge der Ausschreitungen in Chemnitz Verfassungsschutzpräsident Maaßen seine Thesen in der Bild-Zeitung kundtat, der den Zwergenaufstand der SPD auslöste mit dem allseits bekannten Ausgang. Merkel war zwar nicht der Auslöser dieser Regierungskrisen, aber es zeigte sich immer mehr, dass sie nicht mehr die Herrin des Verfahrens war. Sie wirkte wie eine Getriebene, die sich von einem Rettungsanker zum nächsten hangelt.

AKK sollte etwas Ruhe in eine aufgewühlte Partei bringen, indem u.a. unter ihrer Leitung ein neues Grundsatzprogramm erarbeitet werden sollte. AKK hat bewiesen, dass man ein (kleines) Bundesland unaufgeregt regieren und erfolgreich Wahlkampf machen kann. Auch hat sie die Fähigkeit zuzuhören und mit Sicherheit den engsten Kontakt zur Parteibasis. Das zu ihrer Habenseite.

Auf der Sollseite hat sie den Habitus einer Merkel II-Ausgabe, lässt sich schwer in die Karten schauen, und schleppt den Malus mit sich herum, dass gerade Bundeskanzlerin Merkel sie als ihre mögliche Nachfolgerin nach Berlin geholt hat. Nach 18 Jahren Parteivorsitz und 13-jähriger Bundeskanzlerschaft gibt es in der CDU viele, die nicht unbedingt wieder eine Frau in diesen Ämtern sehen wollen. AKK verkörpert also nicht den Willen nach Erneuerung und Aufbruch, den die CDU doch so bitter notwendig hat.

Jens Spahn wird dem konservativen Lager der CDU zugerechnet. Er traute sich auch offen gegen Merkel Position zu beziehen. Spahn geht keiner Diskussion aus dem Weg und ist medial präsent. Bei der Kabinettsbildung war Merkel gezwungen, ihn als Gesundheitsminister zu berufen, wohl auch deshalb, um ihn in die Kabinettsdisziplin einzubinden. Mit der Zeit hätte er sich als Gesundheitsminister in diesem Amt aufgerieben, so ihr Kalkül. Ob Spahn jedoch eine ernsthafte Konkurrenz zu den beiden Mitwettbewerbern darstellen kann, wage ich zu bezweifeln. Meine Prognose geht dahin, dass Spahn – gegen entsprechende Gegenleistung natürlich – auf seine Kandidatur verzichten wird. Dieser Verzicht erfolgt entweder kurz vor dem Parteitag der CDU oder währenddessen.

Friedrich Merz – Mr. BlackRock

„Ich heiße Friedrich Merz mit e“, so begann sein Auftritt in der Bundespressekonferenz, weil sein Name in der Einladung wohl falsch geschrieben wurde. Dann folgte in gewohnt eloquenter Art und Weise die Begründung für sein Comeback aus den exzellent bezahlten Höhen der Finanzbranche.

Jetzt wird in der Presse zitiert, dass „Geheimrat“ Wolfgang Schäuble zu seinen Förderern gehört und ihn wohl schon vor geraumer Zeit instruiert hat, dass er sich auf seine Rückkehr in die CDU – an exponierter Stelle wohlgemerkt – vorbereiten solle. Wenn dies stimmen sollte, ist mir immer noch nicht klar, ob Schäuble nur Jens Spahn verhindern wollte, damit AKK am Ende doch das Rennen macht, getreu nach dem Motto, wenn zwei sich streiten, freut sich die Dritte. Unbestritten ist, dass Merz auf einen breiten Kreis von Unterstützern zählen kann. Dazu gehören der CDU-Wirtschaftsrat sowie die Werte-Union.

Merz wird zum neuen Messias der CDU aufgebaut. Er soll die Partei wieder zur Volkspartei machen. Aufgrund von mehreren Wahlschlappen in Folge, Umfrageergebnisse in der Größenordnung von 25% und einem drohenden Verlust der Vormachtstellung in den neuen Bundesländern hinter der AfD ist die Parteiseele zutiefst angeschlagen. Zur Mitte integrieren heißt die Devise. Alle Wähler, die ursprünglich die CDU gewählt haben, sollen zurückgeholt werden. Dabei wird schnell vergessen, dass die CDU – trotz einer massiven Wählerabwanderung in der SPD – gleichermaßen an Bündnis 90/die Grünen und die AfD verloren hat. Wenn man auf der einen Seite gewinnt, verliert man auf der anderen.

Friedrich Merz ist ein Neoliberaler reinsten Wassers. Er bekleidet diverse Aufsichtsratsmandate, u.a. bei der HSBC Trinkhaus & Burkhardt und der deutschen Tochter des weltgrößten Fondsverwalters BlackRock mit einem verwalteten Vermögen von über 6 Billionen USD.

Merz hat entscheidend an der Zerschlagung der WestLB mitgewirkt, deren Aktiva von HSBC Trinkhaus & Burkhardt übernommen wurde, nachdem die Ramschpapiere vorher in eine Bad Bank ausgelagert wurden. Für seine Dienste wurde Merz mit einem fürstlichen Honorar (5.000 € pro Tag) entlohnt und bescherte ihm anschließend einen Sitz im Aufsichtsrat der Bank. Dezent agieren und zweimal kassieren, so die Devise eines überzeugten Kapitalisten. Die ganze Transaktion hat den Steuerzahler 18 Milliarden € gekostet. In einer Bad Bank arbeiten im Übrigen keine „schlechten“ Leute, aber die schlechten Leute in der Bank sind dafür verantwortlich, dass die „faulen“ Papiere in die Bad Bank ausgelagert werden, ohne dass die „schlechten“ Leute mitgehen müssen.

HSBC Trinkhaus & Burkhardt war in so genannten Cum-Ex-Geschäfte verwickelt, die zu einem steuerlichen Gesamtschaden von 12 Milliarden € geführt hat.

Aber dem nicht genug. Friedrich Merz fungiert seit März (mit ä) 2016  als Aufsichtsratsvorsitzender der BlackRock Asset Management Deutschland AG. Diese Position wird ihm noch zu schaffen machen, weil seine Begründung, BlackRock verwalte ja nur treuhänderisch das Vermögen von hunderttausenden von Anlegern, nicht bei allen verfangen wird. Zu diesen Anlegern gehören primär die UHNWIs [1] (Ultra High Net Worth Individuals) bzw. HNWIs. BlackRock fungiert als Aktionär bei den meisten deutschen DAX-Konzernen und hält dort zum Teil strategische Aktienpakete. Merz ist ja auch deshalb geholt worden, um als Schlüsselfigur für die Ausweitung des Geschäfts für die Region Europa (speziell Deutschland), Naher Osten und Afrika im Sinne einer Wachstumsstrategie der Konzernmutter in den USA zu agieren.

Sollte Merz als Parteivorsitzender gewählt werden, die ihm unweigerlich die Kanzlerschaft bzw. die Kanzlerkandidatur im Falle von Neuwahlen einbringen wird, wird er natürlich von allen Aufsichtsratsmandaten zurücktreten. Geld verdient hat der Mann schließlich genug. Nur reicht das aus?

Man stelle sich einmal folgende Szenarien vor:

Man könnte die Reihe beliebig fortsetzen. Merz ist (Gründungs-)Mitglied neoliberaler Denkfabriken wie z.B. Initiative neue soziale Marktwirtschaft und der Stiftung Markwirtschaft.

Merz ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der Atlantik-Brücke, die laut der Expertise von Anna Zetsche als Schwesterorganisation des ACG (American Council of Germany) agiert und sich als Organ der transatlantischen Elitenvernetzung und -koordination versteht. Das passt 1:1 auf den Habitus eines Friedrich Merz, der in 2002 von Merkel aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden gedrängt wurde und der 7 Jahre vergeblich darauf gewartet hat, dass Merkel stürzt. Diese Schmach hat Merz niemals verwunden. Sie war aber auch die Triebfeder für seine Karriere in Wirtschaft und auch dafür, dass er seine politischen Kontakte zu entscheidenden Personen in der CDU niemals vernachlässigt hat. Nur so lässt es sich erklären, dass er so schnell in das politische Rampenlicht gelangen konnte. Ein(e) künftiger Parteivorsitzende(r) der CDU soll den wirtschaftsliberalen, konservativen und sozialen Flügel miteinander versöhnen. Merz mag ja noch den konservativen Flügel der Partei für sich einnehmen, in dem er beispielsweise dem Sicherheitsbedürfnis bzw. dem Ruf nach Recht und Ordnung in dieser Klientel eher als Merkel Rechnung trägt. Mit seinen Thesen zur „Deutschen Leitkultur“ streichelt er regelrecht die Seele der Konservativen.

Wie das im Hinblick auf den sozialen Flügel funktionieren soll, ist mir ein Rätsel. Hier müsste Merz im wahrsten Sinne des Wortes Kreide fressen. Merz verachtet im Grunde alle Menschen, die dem Leistungsgedanken in westlichen Demokratien nicht Rechnung tagen. „Wer es zu nichts bringt, hat nicht den Anspruch, alimentiert zu werden, von Ausnahmen einmal gesehen“.

Merz hat die Fähigkeit, dass ihm die Menschen zuhören. Er gilt als kritisch und unbequem. Er ist unter den Kontrahenten um den Parteivorsitz mit Abstand der Wortgewaltigste. Kritik prallt weitestgehend an ihm ab. Er ist ein intellektuell beeinflusster Vereinfacher, was er u.a. mit seiner Bierdeckelreform in Sachen Einkommensteuer demonstriert hat. Von ihm kann man schnelle Entscheidungen erwarten, egal, ob man ihnen zustimmt oder nicht.

Fazit

Wie das Rennen um den Parteivorsitz ausgehen wird, ist schwer einzuschätzen. Klar für mich ist, dass nur AKK und Merz eine wirkliche Chance haben. Sollte Spahn auf eine Kandidatur verzichten, steigen die Chancen von Merz erheblich. AKK ist zwar in der Partei besser verankert und damit auch bei den rund 1.000 Delegierten, die den Parteivorsitzenden wählen.

Merz ist aber bei potentiellen CDU-Wählern deutlich populärer. Der mediale Hype um ihm kann ihm nutzen, aber auch schaden und zwar dann, wenn er sich argumentativ verheddert. Nur Merz ist nicht Schulz, dafür ist er zu clever.

Sollte Merz das Rennen machen, wäre das keine Überraschung. Für die „Linken“ böte er eine ideale Projektionsfläche. Vielleicht wacht dann ein Teil der Mandatsträger der Linkspartei, Bündnis 90/die Grünen und der SPD endgültig auf, wenn ein gemeinsames „Feindbild“ mit Merz verinnerlicht wurde.

Bildquelle: Wikimedia Commons [3]|Public Domain

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