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Das „Maaß“ ist voll!

Die große Koalition befindet sich im Dauerkrisenmodus. Selbst eine Personalie wie die von Herrn Maaßen, dem Leiter einer nachgelagerten Behörde, bringt diese Koalition an den Rand des Scheiterns.

von blog1[1]

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Die Causa Maaßen

Der Behördenchef des Inlandsgeheimdienstes, dem Bundesverfassungsschutz, ist ein Spitzenbeamter, der getreu seines Auftrages seine Behörde so zu führen hat, dass inländische Bedrohungsszenarien rechtzeitig erkannt und damit u.U. verhindert werden können. Es ist nicht die Aufgabe des Leiters des Bundesverfassungsschutzes, Zweifel an der Echtheit bzw. der Aussagekraft eines Videos über ein in der Bildzeitung geführtes Interview zu säen und damit in eine offene Konfrontation mit der Bundeskanzlerin zu treten. Schon bei dieser gewählten Vorgehensweise hätte Maaßen wissen müssen, dass er die ihm übertragenen Kompetenzen überschreitet und demzufolge aus seinem Amt entlassen werden muss. Dabei sollte jedoch die mangelhafte Amtsführung von Maaßen in der Vergangenheit nicht unerwähnt bleiben. Allein schon die Vorkommnisse rund um den NSU-Komplex, bei dem V-Leute des Bundesverfassungsschutzes eine höchst dubiose Rolle gespielt haben, hätte genügen müssen, um Maaßen in seiner Funktion abzulösen.

Nun es ja auch so gekommen. Maaßen ist nicht mehr der Leiter des Bundesverfassungsschutzes. Nachdem er aber weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen seines Dienstherrn, Innenminister Seehofer, genießt, wird Maaßen jetzt zum Staatssekretär befördert, mit deutlich höheren Bezügen. Wenn er jetzt von diesem Amt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird, weil beispielsweise sein Dienstherr Seehofer nach der Landtagswahl in Bayern von seinem Amt als Innenminister und Parteichef des CSU zurücktritt bzw. von seinem Nachfolger Söder „zurückgetreten“ wird, dann sorgen die dann erhöhten Bezüge von Herrn Maaßen für ein zukünftig mehr als auskömmliches Leben. Das ist das Schöne am Beamtenleben, wenn man sich nichts zuschulden kommen lässt, genießt man Artenschutz. Ein politisches Statement in einem „Qualitätsmedium“ wie der Bildzeitung, ist kein Dienstvergehen. Das weiß Maaßen als Volljurist ganz genau. Inwieweit er in diesem Fall die Rückendeckung von Seehofer hatte, entzieht sich meiner Kenntnis, es sei denn, die NSA veröffentlicht die Gesprächsprotokolle zwischen Seehofer und Maaßen, die vor dem Interview in der Bildzeitung geführt wurden. Die US-Amerikaner wissen wenigstens, wer solche Abhörmaßnahmen durchführen darf. In Bayern braucht man dafür ein Polizeitaufgabengesetz. Drohende Gefahren lauern schließlich überall. Laut Spiegel ist Seehofer ja ein „Gefährder“. Also so weit möchte ich nicht gehen. Wenn jemand sich selbst gefährdet bzw. seine eigene Partei an die 30%-Grenze heranführt, dann kann man von Fremdgefährdung nicht ausgehen.

Horst Seehofer leistet sich bislang 8 Staatssekretäre, davon 5 beamtete und 3 parlamentarische Staatsekretäre. Wenn jetzt keiner von den beamteten Staatssekretären (vorzeitig) gehen muss, sind es insgesamt 9 Staatssekretäre. Seehofer gibt somit allen seinen Günstlingen eine Heimat, schließlich ist er auch der Heimatminister. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Seehofer seinen Bedeutungsverlust in Bayern mit einem Superministerium in Berlin und einer stattlichen Anzahl von Staatssekretären zu kompensieren versucht.

Die Causa Maaßen zeigt, wie instinktlos mittlerweile die politische Elite in Deutschland handelt. Was Bundeskanzlerin Merkel immer ausgezeichnet hat, nämlich ein Gespür für die Stimmungslage in der Bevölkerung zu haben, ist ihr offensichtlich völlig abhanden gekommen. Sie rettet damit zwar die große Koalition, verspielt aber das Vertrauen der Bevölkerung und beschädigt nachhaltig die Demokratie. Sie ist nur noch eine Getriebene der Macht, die sich an ihren Stuhl klammert, um einen würdevollen Platz in der bundesrepublikanischen Geschichte zu ergattern. Dabei wollte sie doch auf keinen Fall so enden wie ihr Vorgänger in der CDU Kohl.

Ein paar Worte zur SPD. Frau Nahles sagte wörtlich „Herr Maaßen muss gehen und ich sage Euch, er wird gehen“. Auch das ist eingetreten. Frau Nahles hat ja schließlich nicht gesagt, wohin er gehen soll und das hat Seehofer zum Anlass genommen, die SPD auszubremsen. Nun regt sich aber Widerstand, vor allem in Landesverbänden und beim Dauerkritiker der großen Koalition, dem Juso-Chef Kevin Kühnert.

Früher hätte ich ja gesagt, Andrea Nahles ist von der „Königskobra“ Merkel gebissen worden, das Gift hat aber nicht ausgereicht, um sie politisch betrachtet auszuschalten, sondern hat lediglich eine vorübergehende politische Lähmung ausgelöst. In dem Zusammenhang spricht man von Fremdeinwirkung.

Und heute? Die SPD leidet an einem fortgesetzten Stadium von politischem Parkinson, dessen Symptomatik sie sich selbst eingehandelt hat. Die Symptome lassen sich wie folgt beschreiben:

Dabei ist die Sturzgefahr extrem hoch. In Bayern rangiert die SPD mittlerweile bei 11%, gleichauf mit den Freien Wählern und der AfD. Frau Kohnen versendet bereits Brandbriefe, die in der Bundespartei bis zum Donnerstag dieser Woche ungehört verhallen.

Heute am Freitag, 21.09.2018 macht Andrea Nahles die Rolle rückwärts und möchte die Causa Maaßen neu verhandeln. Wir dürfen gespannt sein auf das, was sich am Wochenende ergeben wird. Aus meiner Sicht steht jetzt die Position von Seehofer als Bundesinnenminister und Parteivorsitzender der CSU zur Disposition. Lassen ihn jetzt Söder und Dobrindt fallen, nachdem der Schaden, ihn im Amt zu belassen noch größer wäre, als ihn zum Rücktritt zu bewegen? Die Entscheidung darüber wird jedenfalls nicht im Bundeskanzleramt getroffen.

 

Die Ereignisse in Chemnitz

Im Kriegsfall redet man von einem so genannten Aufmarschgebiet, wenn die angreifende Kriegspartei im Vorfeld entsprechende Vorkehrungen trifft, um eine möglichst effiziente Kampfführung bei dem eigentlichen Einsatz zu gewährleisten.

Eine solche Planung, die mit dem o.g. Szenario eines so genannten „Aufmarschgebietes“ vergleichbar ist, konnte man bei den in Chemnitz agierenden rechtsradikalen bzw. rechtextremen Gruppen und Hooligans beobachten. Diese Personen sind untereinander bestens vernetzt und können innerhalb weniger Stunden eine größere Zahl von Demonstranten mobilisieren, die dann als Speerspitze für andere Gruppierungen dienen. Das „Aufmarschgebiet“ ist sozusagen das Netz.

Wer glaubt, wir hätten es hier mit Dumpfbacken zu tun, die Nazi-Parolen skandieren, den Hitler-Gruß zeigen und „alle Ausländer raus“ grölen, der irrt gewaltig. Dahinter steckt System und auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Das alles läuft wohlgeordnet ab. Der Rechtsstaat soll gezielt herausgefordert werden und es ist ein Testfeld für zukünftige „Aufmärsche“ dieser Art, mit dem Ziel, wieviel gewaltbereite Demonstranten werden benötigt, um die vor Ort agierenden Polizisten in die Flucht zu schlagen. In Chemnitz war es wohl schon kurz davor, dass die Situation zu kippen drohte. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Führung der Rechtsextremisten über genaues Videomaterial verfügt, um künftige Einsätze weiter zu „optimieren“.

Dem Beobachter ist nicht verborgen geblieben, dass die AfD sich diesem rechtsextremistischen Täterkreis angeschlossen hat. Das nennt man neuerdings einen Trauermarsch. Zunächst einmal kann ich nur um einen Menschen trauern, den ich vorher gekannt habe. Der Trauermarsch war somit nur der Deckmantel für AfD und Pegida, um mit den gewaltbereiten Rechtsextremisten gemeinsame Sache zu machen. Man hatte sogar den Eindruck, dass die Rechtsextremisten am Rande der Demonstration liefen und damit wie eine Schutztruppe für die AfD- und Pegida-Mitglieder auftraten. Aber auch für die „friedlichen“ Demonstranten gilt: Spätestens dann, wenn dieser Teil der Demonstranten erkennt, wer hier neben ihnen marschiert, muss er diese Demo schleunigst verlassen. Mitgehangen = Mitgefangen!

Hier zeigt sich, wie weit gerade in den neuen Bundesländern der Radikalisierungsgrad der AfD vorangeschritten ist. Glaubt man den Wahlumfragen, dann ist die AfD  dort die stärkste politische Kraft.

Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass in Chemnitz ein Tötungsdelikt begangen wurde, das mit allen rechtsstaatlichen Mitteln geahndet werden muss. Der Staat hat das Gewaltmonopol und sonst niemand.

 

Ursachenforschung dieser Gewaltexzesse

Es ist in den letzten Tagen viel vom besorgten Bürger die Rede, deren Besorgnis bei einigen zumindest in eine Art komplette Verweigerungshaltung gegenüber dem Staat und seinen gewählten Vertretern ausgeufert ist. Dies Verweigerungshaltung manifestiert sich auf unterschiedliche Art und Weise.

Was nun die AfD betrifft, lässt sich festhalten, dass diese Partei sich unter der Führung von Lucke zunächst als euro- bzw. europakritische Partei etablierte, unter der Führung von Petry in das rechtsnationale Milieu abglitt und heute von Personen wie Höcke und Poggenburg dominiert wird. Die Parteisprecher Meuthen und letztlich auch Gauland bilden lediglich die bürgerliche Fassade für eine demokratisch legitimierte Partei. Die Fraktion im Bundestag ist somit der politische Arm einer rechtsradikalen bis hin zur rechtsextremen Partei, die dann ihr wahres Gesicht zeigen wird, wenn sie stärkste politische Kraft in Deutschland geworden ist. Und das ist ja das erklärte Ziel der AfD.

Wenn man nach den Ursachen forscht, dann stellt man fest, dass die etablierten Parteien – mit Ausnahme der Linkspartei – seit nunmehr 20 Jahren einen neoliberalen Kurs eingeschlagen haben, der sich mit der Regierung Schröder unter Rot/Grün mit der Agenda 2010 politisch manifestiert hat und durch die Unionsparteien wohlwollend begleitet bzw. noch verstärkt wurde.

Der Neoliberalismus hat die Gesellschaft gespalten, sie in Gewinner und Verlierer eingeteilt, verschiedene Gruppierungen gegeneinander ausgespielt und den Egomanen regelrecht gezüchtet. Die neoliberale Doktrin lautet knapp formuliert

Natürlich wird diese Grundphilosophie medial anders verpackt. Begriffe wie Wettbewerbsfähigkeit, Globalisierung, Eigenverantwortung und der Markt wird es schon richten prägten den Diskurs. Das Ergebnis sehen wir heute. Wohnraum, der für den Normalverdiener in Ballungsräumen nicht mehr erschwinglich ist, ein Pflegenotstand, der durch eine Pflegemafia dominiert wird, ein Niedriglohnsektor, der in Europa seinesgleichen sucht, Großkonzerne, die verschwindend geringe Steuern zahlen, eine zunehmende Altersarmut und eine erschreckend hohe Kinderarmut.

Jetzt ernten die etablierten Parteien das, was sie gesät haben. Eine gespaltene Gesellschaft radikalisiert sich wesentlich einfacher. Und es ist doch einleuchtend, dass keiner zu den Verlierern gehören will. Er „spuckt“ also auf diejenigen“, die noch weiter unten in der Hackordnung stehen und das sind nun mal die Geflüchteten. Hinzu kommen Abstiegsängste im Hinblick auf die bevorstehende Digitalisierung u.v.m. Aber auch die Linkspartei ist nicht in der Lage, den Schalter umzulegen, weil sie zutiefst zerstritten ist. Während also die „Rechten“ ihre Hasstiraden außerhalb ihres eigenen Klientels ausleben, zerfleischen sich die „Linken“ untereinander.

Weder plumpe Annäherungsversuche an die AfD noch der bornierte linksliberale Zeigefinger, wie eine freiheitliche, weltoffene und gentrifizierte Gesellschaft auszusehen hat, führen zum Erfolg. Jetzt lautet das neue Credo „wie müssen nur die Probleme der Menschen lösen, dann werden wir auch wieder gewählt”. Am Ende stehen jedoch immer die Vertrauensfrage und das Erscheinungsbild der gewählten Volksvertreter. Dieses Erscheinungsbild wird jedoch immer erbärmlicher. Damit schließt sich der Kreis zu dem oben Gesagten.

Bildquelle: pixabay | CC0 Creative Commons

Endnotes:
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