„Sitzen ein Millionär, ein Hartz-IV-Empfänger und ein Flüchtling an einem Tisch mit 20 Keksen; als Erstes nimmt sich der Millionär 19 Kekse und sagt dann zum Hartz-IV-Empfänger: Du musst aufpassen, damit Dir der Flüchtling nicht deinen Keks wegnimmt.“
In der Realität wird die Geschichte allerdings etwas anders erzählt – die 19 Kekse für den Millionär kommen erst gar nicht vor sondern es geht nur um den einen Keks, um den sich die wirtschaftlich schwachen Bevölkerungsschichten streiten können.
Aus Sicht der Politik, Wirtschaft und Medien ist das durchaus gewollt, so kann man in Ruhe die Besserverdienenden und die Konzerne noch etwas besser verdienen lassen, ohne dass das von der breiten Öffentlichkeit bemerkt wird. Und durchaus gewollt ist es auch, wenn man die Schwächsten gegeneinander ausspielt (Hartz-IV-Empfänger, osteuropäische Leiharbeiter, Flüchtlinge usw).
Nur dumm, wenn dann diejenigen am unteren Ende der Einkommensskala sich rechtspopulistischen Parteien zuwenden und so ihre Wut und Enttäuschung zum Ausdruck bringen.
- die „Rechten“ verfahren dabei immer nach dem gleichen Motto – Angst erzeugen, Schuldige benennen, Lösung anbieten „wenn die nicht da wären, dann würde es dir besser gehen“
- die Schuldfrage kann man auch leicht mit Personen verbinden (Ausländer, Flüchtlinge, Islam, verschleierte Frauen, Angst vor Überfremdung und Terror)
- Zudem gibt es ca. 20 – 25 % der Deutschen, die ein eher abwertendes Bild von Ausländern haben und mehr rechtspopulistischen Parteien zuzuordnen sind (10 % davon haben sogar ein sog. geschlossenes rechtes Gedankenbild)
- Demgegenüber erscheint es schwer, die Schuldigen ganz woanders zu suchen, weil Großkonzerne und politische Entscheidungen anonymisiert erscheinen und die Betroffenen eher geneigt sind, keinen Zusammenhang mit der eigenen Lage zu sehen.
- Auch erscheint die Thematik deutlich schwieriger, wenn man sich mit Themen wie Steuerparadiese, Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Exportüberschüsse, Ausbeutung afrikanischer Staaten etc. auseinandersetzen müsste – dazu müsste man sich informieren (Statistiken und Studien lesen) komplexe Zusammenhänge begreifen und auf Basis von Faktenwissen argumentieren um herauszufinden was wirklich schiefläuft.Demgegenüber ist die Erzählung der Rechten attraktiver als die der Linken, weil sie einfacher ist.
- Keine Solidarität mit Anderen sondern Abgrenzung gegenüber Einwanderern/ Flüchtlingen und dem Establishment. Nur so kann man Fakten ignorieren damit das eigene Weltbild nicht in Frage gestellt werden muss. (Joseph Stiglitz, Ökonom)
- Vorurteile werden nicht hinterfragt (z. B. Flüchtlinge bekommen bevorzugt Wohnungen gegenüber Deutschen – war schon in den 50er- und 60er Jahren eine beliebte Aussage ohne sich zu fragen, wer und warum und auf welcher Grundlage eine Sozialwohnungsvergabe erfolgt und wer ein Interesse haben könnte, Ausländer gegenüber Deutschen zu bevorzugen)
- Einen mehr philosophischen Aspekt habe ich in einem Beitrag des Philosophen Michael Schmidt-Salomon gefunden: Er sieht eine Ursache für den Rechtspopulismus darin, dass sich Menschen, die aufgrund fehlender persönlicher Aufstiegschancen nicht mehr als Individuen wahrgenommen fühlen, dazu neigen sich als Gruppenmitglieder zu begreifen und sich als Gruppe über andere Gruppen zu erheben. Damit kann ein übersteigertes Gruppenbewusstsein die Defizite eines Ich-Bewusstseins kompensieren.
- Wer manipulieren will wie beim Rechtspopulismus, also die Wirklichkeit umdeuten will, bedarf der Furcht – Furcht führt zu Wut. Deshalb haben die Rechten auch kein Interesse daran die Probleme wirklich zu lösen, weil ihnen sonst ihr Weltbild und letztendlich ihre Existenzberechtigung verloren gehen würde.
Wie könnte eine linkspopulistische Antwort aussehen:
- Erster Gedanke bei dieser schwierigen Frage: wie schafft man eine ähnliche Bewegung wie in den USA mit Bernie Sanders oder in Großbritannien mit Jeremy Corbyn für Solidarität und Gerechtigkeit ?
- Kann ein parteiübergreifendes Bündnis von linken SPDlern, Grünen und Linken, wie es Sahra Wagenknecht vorschwebt, überhaupt funktionieren oder wird es einfach totgeschwiegen? Ich bin da auch skeptisch, weil letztendlich so eine Sammlungsbewegung in Stimmen bei den Wahlen umgemünzt werden müsste und wie das funktionieren soll bei den verschiedenen Flügeln der Parteien?
- Wie kann die Linke ein positives Bild für die Zukunft bei vielen Themen anbieten im Sinne „was gewinnt der Einzelne, die Gesellschaft“ und nicht nur Antihaltung propagieren?
- Wie kann die Linke eine Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzthemen erreichen, die ihr zum Teil jedenfalls nicht zugeschrieben werden?
Und wie könnte eine populistische und durchaus auch ironische Öffentlichkeitsarbeit ausschauen – hier ein paar Beispiele:
- 45 Haushalte besitzen soviel Vermögen wie die ärmeren 50 % – schaut so Gerechtigkeit aus ?
- Verdienen Sie mehr als 2 Mio € im Jahr ? Dann brauchen Sie vor einer Vermögenssteuer ja keine Angst haben – wir verzichten gerne auf ca. 20 Mrd. € pro Jahr.
- Finden Sie es in Ordnung wenn der Amazon-Chef über 100 Mrd. € Vermögen besitzt aber seine Firma keine Steuern zahlt und keine Tarifverträge will ?
- Haben Sie mehr als 20 Mio € zu vererben – Glückwunsch dann zahlen Sie auch nur 0,5 % Erbschaftssteuer gegenüber 5 % im Durchschnitt (Attac München).
- Auch der VW-Vorstand verdient den Mindestlohn – allerdings mit 4000 € die Stunde rund 500 mal so viel.
- Steuern auf Arbeit max. 42 %, Steuern auf Kapitaleinkünfte 25 %
- 40 % der Deutschen verdienen weniger als vor 20 Jahren – sind daran die Flüchtlinge schuld?
- Ab 95 Jahren rechnet sich die Riester-Rente – jedes Jahr ca. 3, 5Mrd. € Steuerzuschüsse umsonst.
- Was haben Google, Amazon, Facebook, Starbucks und IKEA gemeinsam – richtig, sie zahlen so gut wie keine Steuern – aber die EU verzichtet gerne auf jährlich 70 Mrd €.
- Wenn wir weiterhin die Wirtschaft in Afrika durch subventionierte Lebensmittelexporte, unfaire Handelsabkommen und Rohstoffausbeutung knebeln, brauchen wir uns über mehr Flüchtlinge nicht zu wundern.
Bilddquelle: pixabay [1]| CC0 [2]
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