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Der Sieg der Ökonomie und Kapitalismus-Kritik

Auf den NachDenkSeiten erschien am 18.07.2014 ein Beitrag [1] von Götz Eisenberg anlässlich des zweiten Todestages des radikalen Kapitalismuskritikers Robert Kurz. Hier als Auszug das Resumee:

Robert Kurz wurde nicht müde, uns an die Möglichkeit zu erinnern, die wild gewordene Ökonomie zurückzupfeifen und an eine gesellschaftliche Leine zu legen. Wir benötigen eine Ökonomie, die nicht länger nach Geldkategorien und den Äquivalenzkriterien des Warentauschs verfährt, sondern ihre Praxis an naturalen Größen und sinnlichen Bedürfnis- und ökologischen Verträglichkeitskriterien ausrichtet. Es wird immer dringlicher, den intellektuellen Mut aufzubringen, uns eine Welt jenseits von Ware und Geld vorstellen zu können und uns praktisch für ihre Verwirklichung einzusetzen.
Alles andere schien Robert Kurz utopisch.

Zeitgleich erschien eine Replik [2] von Jens Berger (“Wenn Kapitalismuskritik zu kurz greift”), die mich ein wenig enttäuscht, scheint er doch zu glauben, der Kapitalismus sei nach wie vor durch die Politik zu bändigen, und diese sei – zumindest theoretisch – in der Lage, Wege zu finden, dass die inneren Widersprüche sich befrieden lassen, Zitat:

Es ist nicht das Wirtschaftssystem, sondern die Politik, die die Leitplanken wirtschaftlichen Handelns bestimmt. Ein echter Schutz der Umwelt, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und ein Leben im Einklang mit dem „inneren Ich“ sind in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem möglich, wenn die Gemeinschaft es denn will und die Politik die dafür nötigen Leitplanken setzt.

Erfreulich war für mich dann ein Leserbrief [3] von Joke Frerichs, der drei Tage später erschien und der mir in die richtige Richtung geht:

Auch hinsichtlich der Gestaltungsmacht des Politischen bin ich skeptisch; die Politik ist längst ein Getriebener und Verbündeter der Entwicklung und mitnichten willens oder in der Lage, dieser Einhalt zu gebieten. Der Hinweis auf die Soziale Marktwirtschaft hilft da nicht weiter; sie war m.E. Ausdruck eines historischen Kompromisses der Nachkriegszeit, als die Kumpanei der großen Unternehmen mit dem Faschismus noch stark im allgemeinen Bewusstsein vorhanden war und sogar die CDU in ihrem Ahlener Programm die Überwindung des Kapitalismus forderte.

Natürlich ist es ebenso wenig hilfreich, die vorkapitalistische Produktionsweise in irgendeiner Weise zu idealisieren; dazu hat Jens Berger viel Richtiges gesagt. Allerdings bleibt er m.E. zu sehr einem gewissem Wachstumsdenken verpflichtet, das längst kritisch zu hinterfragen wäre

Leider scheint die Debatte schon wieder abzuflachen, Albrecht Müller hat verkündet, dass er mit dem Begriff Kapitalismus wenig anfangen kann, Wolfgang Lieb ist der Begriff dagegen wichtig. Und Jens Berger hat auf seinem eigenen Blog, dem “Spiegelfechter” verkündet [4], dass ihn die Debatte langweilt und ihm die wirklichen Gegenentwürfe fehlen.

Langeweile ist natürlich tödlich für eine Idee einer lebenswerten Zukunft. Wenn wir das Gefühl haben, jetzt noch in der besten aller Welten zu leben – mit Ausnahme der eigenen vor zehn Jahren – verharren wir in der zunehmend mühsameren Aufrechterhaltung des Status Quo, wissend, dass uns dies letztlich auf Dauer nicht gelingen kann.

Vielleicht liegt die Utopie gar nicht so fern. Wenn man Harald Welzer bei seinem Aufruf zum Selbst Denken [5] folgt, müssen wir uns ernst nehmen und Verantwortung für unser eigenes Handeln übernehmen, dann beginnt die Utopie im Kleinen zu leben und zu wirken. Bleibt allerdings noch das Problem des weltweit vernetzten globalisierten Kapitalismus, der sich vor der jetzigen Politik viel weniger fürchten muss als vor den Brüchen und Krisen, die er selbst tagtäglich produziert, weil er Wachstum braucht und dies bisher immer mit zusätzlicher Ressourcennutzung und -verschwendung einher ging. Und – mit Ausnahme der Nachkriegszeit, wie Joke Frerichs richtig schreibt – scheint der Kapitalismus auch sozial nicht einhegbar zu sein, die Umverteilung zu Gunsten der Vermögensbesitzer und zu Lasten der Arbeitnehmer und ökonomisch Schwachen in der Gesellschaft bestimmt das Bild der letzten 35 Jahre.

Also zurück zur Utopie: Was können und was wollen wir innergesellschaftlich durchsetzen (Stichworte: UmFAIRteilen, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, Entlastung kleiner und Belastung großer Einkommen) und wo braucht es neue Verabredungen und Regularien, die Wohlstand ohne Wachstum[1] möglich machen?

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Endnotes:
  1. Wohlstand ohne Wachstum: http://nachdenken-in-muenchen.de/?p=242
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