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Opa, die Kriege machen die Erde kaputt

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Bild: Ludger Elmer

Mit dem Ball unterm Arm begleitet mich mein kleiner Enkel (6 Jahre alt) auf den Fußballplatz. Nachdem wir eine halbe Stunde gekickt haben und durchgefroren sind, machen wir uns auf den Heimweg. Dann kommt es raus: “Opa, in hundert Jahren, wenn ich schon tot bin, gibt es die Erde nicht mehr.” “Warum das denn?”, meine erstaunte Frage. “Die Korallenriffe sterben”, sagt er “und die Kriege machen die Erde kaputt.” Ich erzähle ihm etwas vom Umweltschutz, vom Müll in den Meeren und von unserer Gier nach Öl. Meine Tochter sagt mir, er habe das auf KIKA, dem KInderkanal, erfahren. Die haben jeden Abend eine Nachrichtensendung für KInder, die Sendung heißt logo! und kommt um 19:50 Uhr. Heute haben sie über die Möglichkeiten der Wasseraufbereitung berichtet, wie aus verdrecktem Wasser Trinkwasser wird und wer das Wasser verunreinigt hat.

Am Abend bei Markus Lanz fällt das nächste Stichwort. Richard David Precht fordert, wir müssen unsere Erde “enkeltauglich” gestalten. Er meint das ein wenig anders als mein Enkel. Er spricht von den nächsten 20 Jahren, in denen die Hälfte der Jobs wegfallen werden. Die Digitalisierung werde dafür sorgen, dass viele Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich, auch eben anspruchsvolle wegfallen werden. Die Häfte der Juristen wird ihren Arbeitsplatz verlieren. Die deutsche Automobilindustrie, wo heute noch inklusive der Zulieferer 2 Mio Menschen beschäftigt sind, wird allenfalls noch 10% davon einen Job geben können. Es werden nur noch ein Sechstel der Autos benötigt. In den Städten wird es sie nicht mehr geben und parkende Autos braucht niemand mehr. Wir werden eine Flatrate haben und uns das Auto mit dem Smartphone herbeirufen. Die Ärzte werden zu Coaches werden, weil unsere App am Unterarm alle Daten über unseren Gesundheitszustand bereitstellen wird. Das ist heute schon Praxis. Precht fordert, die Frage, die wir uns stellen müssen, ist nicht, wie wir leben werden sondern wie wir leben wollen.

Die Illusion, damals vom Wirtschaftsminister Ludwig Erhard verkündet, war “Wohlstand für Alle”, gemeint war durch Arbeit. Aber diese Verheißung ist bald nach den siebziger Jahren aufgekündigt worden, auch weil die Arbeitszeitreduzierung, die aufgrund der steigenden Produktivität möglich gewesen wäre, nicht realisiert wurde. An ihre Stelle ist die Ungleichheit gestiegen, weil Löhne nicht entsprechend der Produktivitäten angehoben worden sind. Wie können wir also Wohlstand ohne Arbeit sichern? Precht glaubt, die Maschinen-  oder Robotersteuer werde nie einen Beitrag leisten, weil die Kapitalisten nicht bereit sein werden, ihre Gewinne zu teilen. Sie hätten ja gerade deswegen investiert. Also bleibt bei geringerer Arbeitszeit lediglich die Arbeit ohne Entgelt, also das Ehrenamt und das Grundeinkommen. Feldversuche dazu laufen bereits in Dänemark und in Finnland. Und dann werde es auch bei uns eingeführt werden. Aber wir müssten auch wirklich mal darüber reden, zum Beispiel jetzt im Wahlkampf 2017.

Precht erinnert uns daran, dass der technische Fortschritt immer bleiben wird. Ändern wird sich immer nur unsere Einstellung dazu, unsere moralischen Vorstellungen. Die Zukunft, die er beschreibt, ist nicht rosig. Wir werden keine Märkte mehr haben sondern nur noch Monopole oder Oligopole und die ökonomische Vernunft sei blind für die Bedürfnisse der Menschen.

Kommt mir da die Diskussion der SPD über die soziale Gerechtigkeit und über die Korrekturen der Agend 2010 nicht rückwärtsgewandt vor? Nein, denn es sind auch gerade Verfechter dieser Agenda, die zugestehen, dass im Umgang mit Hartz IV doch einiges falsch gelaufen sei, dass weitere Programme zur Wiedereingliederung zu entwickeln seien, dass deutlich mehr Betreuer in den Jobcenter benötigt würden, um die Abgehängten aufzufangen. Nur wenn wir erkennen, welche gesellschaftliche Aufgabe hier zu erledigen ist, können wir  wohl auch die Frage beantworten, wie das Grundeinkommen zu gestalten, zu finanzieren und zu verteilen ist. Hartz IV ist heute schon ein Grundeinkommen, aber eben kein bedingungsloses sondern ein stark sanktioniertes.

Stephan Lessenich (SZ vom 10.3.17, Seite 13: Phantomschmerztherapie)  stellt fest, dass nun auch die Eliten in Deutschland erkennen, dass die Ungleichheit  ökonomisch ineffizient und sozial ungerecht ist. Er sieht ein Unbehagen und die deutsche Angst vor dem sozialen Abstieg. Er geht aber weiter:

Es ist das unbestimmte Gefühl, dass sich die Zeiten radikal wandeln, dass die Voraussetzungen der eigenen Lebensweise nicht mehr gesichert sind, dass die “gute, alte Zeit” der ungeheuren Privililegierung der westlichen Wohlstandsgesellschaft im Weltmaßstab zu Ende geht – und nicht wiederkehren wird. Es ist die Ahnung, dass der Gesellschaftsvertrag des wohlstandskapitalistischen Zeitalters nicht mehr aufrechtzuerhalten ist – weder von Angela Merkel noch von Martin Schulz.

Ist es nur die Sorge um die eigene wirtschaftliche Zukunft, verursacht durch die Schattenseiten der Globalisierung, oder die Gefahr, den Wohlstand mit anderen teilen zu müssen, weil wir auf deren Kosten leben – was treibt die Bürger mehr um? Lessenich sagt:

Es ist dieses Unbehagen, diese böse Ahnung, dass das Beste vorbei ist und die Zukunft – und zwar nicht nur für die eigenen Kinder – nichts Gutes mehr verheißt, die den Erfolg rechtspopulistischer Bewegungen […] bis weit in die ökonomisch gesicherten Mittelschichten hinein verständlich machen.

Kann es sein, dass Lessenich hier irrt? Finde ich in den mehrheitsrelevanten Teilen der Gesellschaft, also dort wo sich die Wähler aller Parteien, die Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben, befinden, nur die Ansätze einer Politik, die sich dem Abbau der Ressourcen und der steigenden Umweltzerstörung nachhaltig entgegenstellt?

Das Unbehagen bekomme ich doch dann zu spüren, wenn ich frage, wieviel Fleischkonsum, wieviel Autoverkehr oder wieviel Flugstunden erforderlich sind, damit ich meinen Teil am wachsenden Kuchen sichern kann? Bestimmt es wirklich den Alltag, ob dieses und jenes Handeln eine Auswirkung auf das Überleben der Korallenriffe hat?

Die Grünen hatten vor vier Jahren diesen “Veggie Day”, also den vegetarischen Tag in den deutschen Kantinen gefordert und es war ihnen nicht gelungen, die Wirkung vom Fleischkonsum auf den Klimawandel klar zu machen. Sie scheiterten mit diesem Slogan und mussten sich sogar noch gefallen lassen, als Bevormunder zu gelten.

Erhard Eppler und Niko Paech streiten in ihrem kleinen Büchlein [1] trefflich über die Anforderungen und die Erfolge der Klimapolitik und die darüber hinaus gehenden Herausforderungen, Konsum und Wachstum zu beschränken. Niko Paech sieht die Chancen, die der Politik gegeben sind, sehr pessimistisch (Seite 141f):

Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, dass eine Strategie der Wachstumsvermeidung oder sogar Rücknahme des Wachstums im Moment nicht nur in Deutschland keine Mehrheiten findet, sondern nirgendwo auf der Welt. Ich glaube ja selbst nicht, dass Politiker einen solchen Wandel voranbringen können. Wahlen gewinnt, wer mehr Geld oder neue Freiheiten verspricht. Aber sobald Regierungen Einschränkungen etablieren wollen, sind sie dem Kreuzfeuer der Mehrheit ausgesetzt.

Wie bringe ich das nur meinem Enkel bei, dass die Möglichkeiten einer wirklich nachhaltigen Veränderung unserer Lebensverhältnisse so gering sind?

 

Auf KIKA wird eine Extra-Sendung am 17.4. angeboten: [2]

Jennifer Sieglar macht die Umwelt-Challenge! Die logo!-Zuschauer hatten die Wahl. Sie stimmten ab, welchen Herausforderungen sich Jennie stellen soll. Jetzt muss sie jeweils für eine Woche Alternativen zum Auto finden, auf Palmöl-Produkte verzichten sowie Plastik und Verpackungen vermeiden. Am Anfang ist das gar nicht leicht. Ob Jennie das schafft?

Da bleibt mir nur die Empfehlung, von Börse vor Acht, wo die Kurse steigen, wenn Menschen entlassen werden oder die Produktion und der Müllausstoß wachsen, auf KIKA umzuschalten, jeden Abend um 19:50 Uhr, auf logo!

Endnotes:
  1. [Image]: http://nachdenken-in-muenchen.de/Wordpress/wp-content/uploads/2017/08/Opa_und_Enkel.png