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Trumps Sieg ist auch unsere Niederlage

Karikatur vom 09.11.2016[1]

Zeichnung: Klaus Stuttmann

Wie konnte das geschehen? Ein Kandidat, der sich rassistisch zeigt, der frauenfeindlich ist, als unberechenbar eingestuft wird, Mexikaner und Muslime beleidigt und für die USA eine Mauer der Abschottung errichten will, der wird gewählt.

Ein Argument, das immer wieder genannt wird: Es sind diejenigen, die abgehängt sind oder fürchten abgehängt zu werden, es sind vorwiegend die weißen Männer, die Trump gewählt haben. Sie haben die Wahl entschieden, vor allem in den Regionen, die eine lange Phase der wirtschaftlichen Destabilisierung erfahren mussten.

Marco Bülow, Hoffnungsträger in der SPD, sagt sehr deutlich in seinem Blog[2]: “Wir brauchen eine neue soziale Bewegung.” Wählerbeschimpfung, so sagt er, das macht keinen Sinn und wir müssen uns fragen, welchen Beitrag haben wir geleistet, dass die weißen Männer in den USA dem Rechtspopulisten folgen. Sie haben in der Mehrheit seit 30 Jahren keine höheren Löhne bekommen trotz großer Produktivitätsfortschritte. Steigende Löhne sind durch Schulden ersetzt worden, die ein unbarmherziger Finanzkapitalismuss ihnen aufgebürdet hat. Es ist der soziale Abstieg und die Angst davor, die die Wähler zu Trump getrieben haben.

Auch bei uns hat die AfD längst die sozialen Defizite, die nicht nur Sozialdemokraten und Grüne zu verantworten haben, genutzt. Die Angst der 50jährigen vor der Arbeitslosigkeit, dem noch halbwegs erträglichen Zustand als ALG1-Empfänger, mit der Furcht vor dem Absturz auf das HartzIV-Niveau und der Anrechnung des kleinen ersparten Vermögens, dies alles haben die Rechtspopulisten erkannt und sie setzen noch eins drauf, indem sie die Fremden als die eigentlichen Sündenböcke darstellen, und sie sind froh, dass wir die Grenzen geschlossen haben, so wie Trump die Mauer zwischen den USA und Mexiko unüberwindbar machen will. Er hat immerhin erkannt, dass der sog. Freihandel im NAFTA-Abkommen ein Auslöser der steigenden Perspektivlosigkeit in Mexiko war.

Mir tut sich da ein Dilemma auf: Wie wird die Wahlplattform der SPD für die Bundestagswahl 2017 aussehen? Werden Sozialdemokraten bei der nächsten Wahl auf der Straße stehen, um gegen die Rechten standzuhalten? Haben wir dann schon vergessen, dass wir für ihr Erstarken mitverantwortlich sind?

Hohe Mauern haben noch nie – auch kurzfristig nicht – eine politische Lösung befördert. Immerhin, nach nun drei Jahren Großer Koalition haben wir das schärfste Asylrecht aller Zeiten und wir haben es gerade geschafft, einen kleinen MIndestlohn gesellschaftlich zu vereinbaren, in einer Größenordnung, die nicht ausreicht zum anständigen Leben und schon gar nicht zur Vorsorge für’s Altwerden. Was ist das für ein Land, so hat Dachau’s junger SPD-Bürgermeister Florian Hartmann gefragt, in dem wir 10 Jahre über einen kleinen Mindestlohn streiten mussten.

Was hilft es, dass wir uns auf sozialdemokratische Werte berufen, wenn diese Werte sich nicht in den Rechten der Arbeitnehmer, der Niedriglöhner, der Leiharbeiter widerspiegeln, ob bei uns oder in Südeuropa, wo die Austeritätspolititik der EU eine Jugendarbeitslosigkeit von 50% geschaffen hat. Wenn diesen Menschen jemand etwas verspricht, dann werden sie hellhörig.

Marco Bülow sagt: “Wer so intransparent Politik macht, wer die Ungleichheit auf solche Höhen treibt und die Chancengleichheit untergräbt, der weckt Ängste und Abneigung.”

Ist es nicht genau das Fatale in dieser Situation, dass mit Hillary Clinton die Vertreterin des Finanzkapitalismus und des militärisch-industriellen Komplexes abgewählt wurde, aber an ihre Stelle ein Mann tritt, der mit seiner Partei von den gleichen Strukturen abhängig sein wird, da mag er noch so laut tönen? Es werden die Lobbyisten und die Verteter der Konzerne sein, die Trump auffordern werden, den Militärhaushalt unverändert hoch zu halten und die ca 1000 weltweiten militärischen Stützpunkte abzusichern.

Bernie Sanders, dem im Nachhinein gute Chancen für das Präsidentenamt attestiert wurden, ist von der eigenen Partei ausgebremst worden. Aber wir haben nicht mal einen Bernie Sanders, der uns z.B. auffordern würde, endlich der umlagefinanzierten und lohnbasierten Rente die politische Priorität EINS zu geben und die dafür erforderliche Basis der Löhne deutlich noch oben zu korrigieren, indem der Niedriglohnsektor drastisch reduziert wird.

Das Feld, das die Sozialdemokraten aufgegeben haben, wird mittlerweile besetzt von den Rechtspopulisten und eine Rückeroberung kann nur über konsequente sozialdemokratische Politik erfolgen. Das sieht so auch Hilde Mattheis, die Vertreterin der DL21[3]:

Die Lehre aus den Wahlen in den USA, aber auch aus den jüngsten Ereignissen in Europa muss gerade für uns SozialdemokratInnen lauten, dass wir uns auf unseren Markenkern, die soziale Gerechtigkeit zurückbesinnen müssen. Das heißt, dass wir uns vor allem auf Verteilungsgerechtigkeit und die Aufstiegschancen für alle Menschen konzentrieren müssen. Wir müssen allen glaubwürdig die Perspektive auf ein besseres Leben bieten, wenn wir ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten auch hier bei uns verhindern wollen.

Jonathan Freedland bemerkt im Freitag[4], es genüge nicht, den Wahlsieg von Trump mit dem Wahlverhalten der weißen Männer zu erklären.

Es reicht nicht zu sagen, es gehe dabei um die Angst derjenigen, die wirtschaftlich abgehängt sind. Auch wenn das in den Staaten des Rustbelt mit Sicherheit eine Rolle gespielt hat. Doch die Erklärung ist unvollständig, denn Trump hat nicht einfach nur diese Wähler gewonnen. Er hat die Stimmen von 63 Prozent der weißen Männer und 52 Prozent der weißen Frauen gewonnen. Viele von ihnen fühlen sich von der Botschaft angezogen – zumindest zum Teil und nur sehr dünn kodiert –, dass Trump ihnen, den Weißen, ihre einstigen Privilegien wieder zurückzugeben will.

Wenn wir die soziale Balance der Gesellschaft nicht sichern können, laufen wir die Gefahr der Spaltung – zwischen Weißen und Schwarzen, zwischen Arm und Reich, zwischen Migranten und Einheimischen, auch zwischen Jung und Alt.

Bildquelle: Klaus Stuttmann[5]

 

Endnotes:
  1. [Image]: http://www.stuttmann-karikaturen.de/karikaturen/2016/great_kol_b.jpg
  2. Blog: http://blog.marco-buelow.de/2016/11/09/trumpisierung-die-zeit-des-kleineren-uebels-ist-vorbei/
  3. DL21: http://www.forum-dl21.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=4&wysijap=subscriptions&user_id=2942
  4. Freitag: https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/zeit-sich-zu-fuerchten
  5. Klaus Stuttmann: http://www.stuttmann-karikaturen.de/