Der Einladung zum Diskussionsabend bin ich gerne gefolgt. Dr. Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe spricht im Gasthof Doll in Markt Indersdorf über „TTIP – JA zum Freihandel – NEIN zur Aushöhlung der Rechts- und Gesellschaftsordnung“. In der Ankündigung der Veranstaltung schreibt der CSU-Kreisvorsitzende, dass viele Fragen zu TTIP, ob zum Verbraucherschutz, zu Umwelt- und Sozialstandards, zum Investitionsschutz oder zu den geplanten Schiedsgerichten, offen seien. Es gelte, mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze durch TTIP zu generieren.
Im Vortrag hört sich dass alles doch ein wenig anders an. Es gebe zwar in der Diskussion innerhalb der CSU den Wunsch nach sog. „Roten Linien“, also nach Bedingungen, an die eine Zustimmung gebunden sei. Als einzige nennt Niebler allerdings nur die privaten Schiedsgerichte, die wir nicht benötigen würden. Streitigkeiten könnten auch vor ordentlichen Handelsgerichten ausgetragen werden. Ein wirkliches Dokument mit einer Auflistung von „Roten Linien“ kann Niebler nicht vorlegen, daran werde gearbeitet. Das klingt sehr schwammig. Niebler weiß, dass nur das Überschreiten einer Linie unweigerlich ein NEIN zur Folge haben müsste, ein Nachverhandeln wird es nicht geben. Trotzdem ist sie sich sicher, dass TTIP unbedingt gut und richtig ist, vor allem weil es die Exportchancen des bayerischen Mittelstandes weiter verbessern wird. Daran zweifelt niemand. Handwerksmeister und Unternehmer bestärken Niebler in der Diskussion.
In der Frage, die ich ihr stelle, verweise ich auf die Argumente des IFO-Instituts. Es sagt, dass es bei TTIP eindeutig Verlierer geben werde, das seien die afrikanischen Staaten. Wenn sich der wirtschaftliche Status und die Handelschancen der Staaten Afrikas durch TTIP verschlechtern werden, dann wird die Zahl der Flüchtlinge nach Europa noch einmal steigen, so führe ich aus und frage Niebler, ob sie sich dessen bewusst sei. Ihre Antwort dazu gibt sie erst nach nochmaligem Nachfragen: „Zu Afrika kann ich nichts sagen!“
Frau Niebler hat offenbar noch nicht wahrgenommen, dass es zusätzlich zur Ausbeutung der Natur, um uns mit Rohstoffen zu versorgen, unsere Handelsbeziehungen zu den afrikanischen Staaten, die Subventionen unserer Agrarexporte, die vom IWF aufgezwungene Mono- und Exportkultur sind, die die Lebensbedingungen in Afrika dramatisch verschlechtert haben. Für sie ist die Frage, warum die Menschen flüchten, gar nicht relevant. Das hat für sie mit unserer Politik, mit unserem Handel, mit unserem Lebensstandard nichts zu tun.
In der Diskussion werden alle Argumente, die gegen TTIP vorgebracht werden, als „Angstmache“ abgetan. Ein Fragesteller will die Zuhörer ermahnen, darüber nachzudenken, warum wir diesen Wohlstand haben. Er meint, wir haben ihn selbst erarbeitet, weil wir so fleißig sind und wir so viel exportieren. Auf wessen Kosten das geht, darüber spricht er nicht.
Um rüberzubringen, dass unser Handel etwas mit dem Lebensstandard in Afrika zu tun hat, hätte ich doch eigentlich nur Papst Franziskus bemühen müssen, der in seiner neuen Umwelt-Enzyklika „Laudato Si[2]“ sagt, dass „der ‚unverantwortliche Gebrauch und Missbrauch‘ der Natur vor allem den Entwicklungsländern [schade]“ (SZ vom 20. / 21. 6. 15, S.6) In diesem Artikel sagt Otmar Edenhofer, der Vize-Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung:
„ Laudato Si verbindet Armut, Ungleichheit und Klimawandel miteinander, also die drei zentralen ethischen Herausforderungen. Sie ist deshalb auch keine Klima- sondern eine Gerechtigkeits-Enzyklika. Sie stellt nicht das Bevölkerungsproblem ins Zentrum, sondern die Verteilung. Die Reichen verursachen den Klimawandel, die Armen tragen die Folgen. Und der Papst sagt klar: Verantwortlich ist die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas und die Abholzung von Wäldern.“
Wie viele Beispiele müssen wir noch bringen, damit klar wird, dass unsere Handelsbeziehungen die ökonomischen und die humanen Verhältnisse in Afrika beeinflussen? Die Rosen, die in grossen Plantagen gezüchtet und die morgens in Europa auf den Märkten angeboten werden und für die Ackerland, das den heimischen Anbau von Lebensmitteln ermöglicht hatte, aufgegeben wurde? Und das alles nur, weil der IWF als Kreditgeber Exporterlöse sehen wollte.
Aber eine Europaabgeordnete, die diese Zusammenhänge nicht sieht, die ist entweder “politisch blind” oder sie täuscht ihre Wähler.
Es müssen wohl noch mehr Flüchtlinge kommen, dass wir auf unsere Fragen auch Antworten erhalten.
Bildquelle: greensefa [1] / CC BY 2.0 [2]
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- Laudato Si: http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/die-sorge-fur-das-gemeinsame-haus
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