Erst heute bin ich auf einen interessanten Artikel von Ulrike Herrmann, Wirtschaftsredakteurin der taz, in der April-Ausgabe von Le Monde diplomatique gestoßen: „Über das Ende des Kapitalismus[2]“. Schon mit dem Einstieg macht sie deutlich, in welchem derzeit unauflösbaren Dilemma wir feststecken.
Der Kapitalismus ist zum Untergang verdammt. Er benötigt Wachstum, aber in einer endlichen Welt kann es unendliches Wachstum nicht geben. Viele Kapitalismuskritiker frohlocken, sobald sie diese Prognose hören, doch darf man sich das Ende nicht friedlich vorstellen. Der Kapitalismus wird chaotisch und brutal zusammenbrechen – nach allem, was man bisher weiß.
Die Energieeinsparungen der letzten Jahrzehnte haben sich aufgrund des „Rebound Effect“ in der Summe nicht positiv ausgewirkt, unser Energieverbrauch ist durch mehr Konsum gestiegen. Herrmann beschreibt, warum uns all die vielen guten und sinnvollen Ansätze wie nachhaltiges Wachstum, wie Grundeinkommen, wie Gemeinwohlökonomie nicht aus der Wachstumsfalle befreien. Viele Ideen setzen beim individuellen Handeln, auf regionaler und lokaler Ebene an. Was fehlt, ist ein volkswirtschaftlich vernünftiger Ansatz.
Ohne Wachstum müssen die Unternehmen also Verluste fürchten. Sobald aber Profite ausbleiben, investieren die Unternehmen nicht mehr, und ohne Investitionen bricht die Wirtschaft zusammen. (…)
Wenn man Wachstum verhindert, wäre der Kapitalismus zwar beendet, aber das Ergebnis wäre nicht jene ökologische Kreislaufwirtschaft, die sich Umweltschützer erhoffen. Es wäre eine Wirtschaft im freien Fall, die Panik erzeugt. Die Menschen erschüttert es zutiefst, wenn sie ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen verlieren. Alle großen Wirtschaftskrisen waren ungemein gefährlich – auch für die Demokratie.
Also muss der Kapitalismus weiter wachsen und damit seine bzw. auch unsere Existenzgrundlage zerstören. Derzeit gibt es auch noch keinen Weg, wie wir auf eine ökologische Wirtschaft umstellen können, allein ein Flug nach New York produziert mehr CO2 als wir pro Jahr und Kopf verbrauchen dürfen, wenn wir den nachfolgenden Generationen, also auch unseren (!) Kindern eine lebenswerte Umwelt erhalten wollen.
Der Artikel von Ulrike Herrmann bietet keine Lösung an, sie ist, ohne dass es explizit gesagt wird, innerhalb des kapitalistischen Systems auch nicht zu finden. Das ist zumindest der einzige Schluss, der einem als Leser bleibt.
Der Kapitalismus erscheint wie ein Fluch. Er hat den Reichtum und den technischen Fortschritt ermöglicht, der es eigentlich erlauben würde, mit wenig Arbeit auszukommen. Aber stattdessen muss unverdrossen weiterproduziert werden, obwohl das in den Untergang führt.
In dieser Zwangslage bleibt nur ein pragmatisches Trotzdem: trotzdem möglichst wenig fliegen, trotzdem Abfall vermeiden, trotzdem auf Wind und Sonne setzen, trotzdem biologische Landwirtschaft betreiben. Aber man sollte sich nicht einbilden, dass dies rundum „grünes“ Wachstum ist. Wie man den Kapitalismus transformieren kann, ohne dass er chaotisch zusammenbricht – dies muss erst noch erforscht werden.
Lesenswert ist der Beitrag allemal, und wir müssen in der Tat darüber nachdenken, und dies vor allem gemeinsam, wie ein Entrinnen aus dieser Sackgasse, dieser Wachstumsfalle ohne das große Chaos gelingen kann. Hilfreich, so denke ich, wäre zum Beispiel zu überlegen, welche Bereiche der Grundversorgung, der Daseinsvorsorge nicht (mehr) kapitalistischen Marktbedingungen unterworfen werde dürfen.
Die Diskussion über Alternativen ist dringend zu führen, werden doch die Gestaltungsspielräume nicht zuletzt wegen Abkommen wie CETA und TTIP, wegen der Klimaveränderungen, wegen der zunehmenden Entkoppelung der Wirtschaft von demokratischer Kontrolle immer geringer.
Wir müssen jetzt beginnen.
Bildquelle: Johannes Ortner [1] / CC BY-NC 2.0 [2]
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- Über das Ende des Kapitalismus: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2015/04/10.mondeText1.artikel,a0016.idx,5
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