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Harald Welzer, Selbst Denken: 32 Punkte

Im folgenden in 32 Punkten eine subjektive Zusammenfassung der Kernaussagen von Harald Welzers [1] Buch “Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand”, Fischer Taschenbuch[1]

  1. These 50‘er – 60’er Jahre: Mit Rohstoffen und Technik ist alles verfügbar und machbar.
  2. Seit der Wende: Der Abstieg des Westens hat begonnen, die Krisen häufen sich: Finanzkrise, Klimawandel, Globalisierung, Ressourcenkonkurrenz.
  3. Der Mangel an Energie ist nicht das Problem, der Extraktivismus ist es! Alles, was wir konsumieren, ist auf irgendeine Art und Weise aus dem Boden, aus den Wäldern, aus dem Meer geholt worden.
  4. Die Ikeasierung der Welt, Kleidung, Nespresso, Bohrmaschine
  5. Die Bedeutung der Kredite: Investitionsprogramme, Arbeitslosigkeit bekämpfen, Wirtschaftswachstum -> Wachstumsideologie -> die Konsumentenkredite: Prinzip der „Sofortness“: drastische Verkürzung der Zeitspanne zwischen Bedürfnis und Befriedigung

  1. Der Tag, an dem die Ressourcen, die in einem Jahr nachwachsen, verbraucht sind, war 2011 der 27.9. – 2012 der 21.8. / Als einzige Ressource bleibt die Zukunft
  2. Exponentielles Wachstum in allen Bereichen: Bevölkerung, BIP, Wasser, Papier, Tourismus, Kommunikation, Transport, Staudämme
  3. Ein erreichter Zustand ist immer nur die Vorstufe … zur nächsten biografischen Station … jeder Herstellungsvorgang ist nur der Vorläufer des nächsten … jedes Produkt der Vorgänger des folgenden … jeder Arbeitsgang nur der vorläufige Akt in einer unendlichen Kette von Wiederholungen … kein Zweck wird je erreicht … (bis zur Entsorgung)
  4. Einen Masterplan für eine große Transformation kann es nicht geben … wo es so etwas gab, führte das in die Katastrophe … wie die russische oder die nationalsozialistische
  5. Der Protest und die Aufmerksamkeitsökonomie: BP praktiziert aufgrund des verringerten Angebots und der steigenden Preise teurere und riskantere Verfahren zur Förderung – weil der Konsument den Stoff weiterhin nachfragt
  6. Der Kapitalismus schafft Menschen, welche nicht nur produzieren ohne zu konsumieren, sondern auch noch kaufen ohne zu konsumieren
  7. Keine soziale Bewegung überzeugt ihre Anhänger und Gegner durch Belehrung oder wissenschaftliche Beweisführung!
  8. Die Ökologiebewegung war nie utopisch: Es ging weniger positiv um die Frage, wie die Gesellschaft sein solle sondern negativ darum, wie sie gerade nicht sein sollte
  9. Rebound–Effekt: Je mehr Material und Energie in einer expansiven Kultur verfügbar ist, desto mehr wird konsumiert – und es wird desto mehr Energie und Material genutzt, je effizienter sie generiert wird
  10. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung bedeuten zunächst zusätzlichen Aufwand – Das Passivhaus oder der Verbleib in der alten Wohnung
  11. Gegenwärtig gibt es ein Potential von 2795 Gigatonnen CO2 im Boden, im Meer, im Ölschiefer, im Ölsand, die Mineralölfirmen werden diese Potentiale erschließen, ihr Geschäftsmodell ist also die Zerstörung der Erde.
  12. Keine Revolution, sondern sukzessive Veränderung – ein weiteres Argument gegen den Zeitdruck der Klimaforscher
  13. Die Bohrmaschine, Reparatur möglich, Angebot von Betrieben, Kaufanfrage, Verweis auf Nachbarn, als Leihgeber registriert, „Kunden, die die Bohrmaschinen nicht gekauft haben, haben auch folgende Artikel nicht gekauft: …
  14. Szenario 1: Es wird weniger gearbeitet, weil weniger produziert, Produktivitätsfortschritte führen nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen, sondern zur Verkürzung der Arbeitszeit
    • Aufsteiger des letzten Jahrzehnts sind Reparierer, Renovierer, Re-Designer, Provider, Share-Trader
  15. Szenario 2: Sie bemerkten nicht rechtzeitig, dass sich ihre Überlebensbedingungen radikal veränderten, sie passten ihre kulturelle Praxis nicht an (bohrten nur noch tiefer), sie griffen zu Gewalt
    • 150 Unternehmen, vornehmlich aus Finanz- und Mineralölindustrie, kontrollieren die Volkswirtschaften
    • Zunahme der Überflutungen im indischen und pazifischen Raum, Wüsten breiten sich aus in Südeuropa und im subsaharischen Afrika, In der Mongolei schmilzt der Permafrost, Im Himalaya schrumpfen die Gletscher
    • Konkurrenz um Ressourcen nimmt zu und privilegiert diejenigen, die frühzeitig ihre Militärausgaben erhöht hatten und ihre Skrupel abgesenkt hatten, Gewalt anzuwenden
    • Fehlende staatliche Gewaltmonopole, die Sicherheits- und Sanktionierungsmacht fällt an private Gewaltakteure: Warlords, Milizen, parastaatliche Gruppen, private Gewaltunternehmer
    • Demokratische Regierungen werden entweder per Wahl abgelöst oder durch außerstaatliche Wirtschaftsakteure (Troika) ersetzt
    • Rohstoffknappheit herrscht weiterhin, Nachhaltigkeit und ungleiche Verteilung integrieren sich: es werden Verbrauchergruppen ermittelt, die weniger bekommen, im Schnitt leben 20% der Bevölkerung gut und nachhaltig
  16. Man braucht keine Mehrheiten, um Gesellschaften zu verändern, drei bis fünf Prozent der Bevölkerung reichen aus, um einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel in Gang zu setzen, Beispiele: Solargenossenschaften, Gemeinschaftsgärten, Recyclingbörsen
  17. Ergebnisse der Shell-Jugendstudie (18 – 25jährige):
    • 47% Mitglied eines Vereins
    • Viele davon mit freiwilligen Ämtern in Schule und Uni
    • 16% in der Kirchengemeinde aktiv
    • 5% bei Greenpeace und Amnesty International
    • 3% in Gewerkschaften
    • 2% in Parteien
  18. Es geht um das Lernen von Widerständigkeit, und da haben in der Gegenwart Ältere Jüngeren nichts beizubringen, gar nichts. Wie überhaupt die Zeit der Belehrungen vorbei ist; es gibt ja keine gelehrten Experten für Transformation.
  19. Upcycling ist eine Strategie, aus alten Dingen neue zu machen, Viele Beispiele: Möbel, Autos (Oldtimer), Socken, Kleider, Häuser, Umnutzung von Flüssen und Kanälen: die geplante Obsoleszenz überwinden
  20. Genossenschaften: Volksbanken und Sparkassen mussten in der Finanzkrise nicht gerettet werden
  21. Soziale Veränderungen, bei denen niemand etwas weggenommen wird, wo kein Privilegierter etwas abgeben muß, die ohne Umverteilung auskommen, denen jeder Außenstehende Beifall klatscht, können keine sein. Irgendjemand wird dann mit Sicherheit betrogen. (also Vorsicht bei sog. Win–Win–Situationen?)
  22. Wie oft habe ich Komplexitätsbehauptungen geglaubt, obwohl die Dinge ganz einfach lagen.“ Beispiele Finanzmarktprodukte, Investmentbanking, das Einverständnis, etwas sei zu komplex, um es zu verstehen, ist konsequenzlos. So ist es nun mal – man kann nichts machen!
  23. Nicht die Wissenschaft und nicht die Wirtschaft waren der Treiber für die guten Entwicklungen, wie z.B. die Energiewende.
  24. Schönauer Stromrebellen: Sie waren gegen die Struktur der Fremdversorgung, die Arroganz der großen Stromanbieter, die Quelle des Stroms, den man abnehmen musste (also Widerstand)
  25. GLS – Bank legt offen, was sie finanziert und was nicht, Mitarbeiter erhalten keine Provisionen und Boni, sondern Zuschläge, wenn sie Kinder haben
  26. Die Schweizer Bahn: In Bern haben knapp die Hälfte der Einwohner kein Auto, In der Schweiz legen die Einwohner mehr als doppelt so viele Kilometer mit der Bahn zurück wie z.B. in Deutschland, Soziale Tarife, Service, Pünktlichkeit, Verbund mit anderen Verkehrsträgern, kostenloser Fahrradtransport, Schweizer Bahn will nicht an die Börse, kein globaler Dienstleister, kein Wettbewerber für irgendjemand
  27. Soziale Gruppen werden dann mächtig, wenn ihre Träger nicht aus Subkulturen kommen, sondern aus allen gesellschaftlichen Gruppen: 3 – 5%

Zum Schluss: 12 Regeln für den erfolgreichen Widerstand

(1) Alles könnte anders sein.
(2) Es hängt ausschließlich von Ihnen ab, ob sich etwas verändert.
(3) Nehmen Sie sich deshalb ernst.
(4) Hören Sie auf, einverstanden zu sein.
(5) Leisten Sie Widerstand, sobald Sie nicht einverstanden sind.
(6) Sie haben jede Menge Handlungsspielräume.
(7) Erweitern Sie Ihre Handlungsspielräume dort, wo Sie sind und Einfluss haben.
(8) Schließen Sie Bündnisse.
(9) Rechnen Sie mit Rückschlägen, vor allen solchen, die von Ihnen selber ausgehen.
(10) Sie haben keine Verantwortung für die Welt.
(11) Wie Ihr Widerstand aussieht, hängt von Ihren Möglichkeiten ab.
(12) Und von dem was Spaß macht.

Endnotes:
  1. Fischer Taschenbuch: http://www.fischerverlage.de/buch/selbst_denken/9783596195732