Glaubwürdigkeitskrise der Medien!

Gestern Abend im DGB-Haus in München: Albrecht Müller, der Initiator und Mitherausgeber der NachDenkSeiten ist zu Gast. Mit Ihm nehmen Wolfgang Donsbach, Studienleiter und Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden und Detlef Esslinger, stellvertretender Ressortleiter Innenpolitik der SZ, an einer Podiumsdiskussion teil. Das Thema ist die Glaubwürdigkeitskrise der Medien.
Die anfängliche Frage, ob das Thema mit einem Frage- oder Rufzeichen zu versehen sei, beantwortete Müller schnell. Günter Jauch habe mit der Stinkefinger-Geschichte über den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis eindeutig dafür gesorgt, dass sogar drei dicke Rufzeichen angebracht seien.
Im Laufe der Diskussion lerne ich, dass in der SZ ausschließlich die Relevanz, die Glaubwürdigkeit und die Qualität der Analyse entscheidend sind dafür, ob ein Artikel gebracht wird oder nicht – die Meinung, die dahinter steht, ist unerheblich. Die später folgenden Vorwürfe, das manches auch einseitig dargestellt sei in der SZ, kontert Esslinger damit, dass eben nicht ein einzelner Artikel ausgewogen sein müsse, sondern entscheidend sei das Gesamtbild.
Und man dürfe nie enttäuscht sein, so will er glauben machen, denn enttäuscht sein, heiße doch, dass man sich vorher getäuscht habe. Also muss sich der Fragesteller im Publikum, der mit der Differenzierung von Meinung und Fakten in einem Artikel nicht einverstanden war, getäuscht haben. Und nun ist die Täuschung Gott sei Dank vorbei. So kann man das auch sehen!

Müller hatte aber über die angebliche Gleichschaltung der Medien geschrieben und wird damit von Esslinger konfrontiert. Nach den Friedensverhandlungen von Minsk hatten mehrere Kommentatoren deutscher Medien geschrieben, die EU sei nicht von den USA abhängig, weil sie eigenständig diese Verhandlungen initiiert und geführt habe. Aber Frau Nuland habe doch mit ihren Äußerungen, wie viel Geld die USA in die Ukraine gesteckt hätten und wer denn unbedingt neuer Ministerpräsident werden müsste, eindeutig die dominante Rolle der USA in diesem Konflikt herausgestellt, so Müller. Kann man da von Gleichschaltung sprechen? Wenn ja, wer hat denn dann den Schalter betätigt? In diesem Punkt bleibe ich skeptisch.

Aber – ein ehemaliger Abonnent der SZ, der gekündigt hatte, berichtet dann, dass Stefan Kornelius, Leiter des außenpolitischen Ressorts der SZ, ihm geschrieben habe, die SZ werde nie die Rolle und die Verantwortung der USA im Ukraine Konflikt kritisieren.
So endet die Veranstaltung für mich doch unbefriedigend, zumal da noch ein Teilnehmer sich an Müller wendet und moniert, die Medien dürften nie spalten. Esslinger von der SZ pflichtet ihm bei. Ich frage mich, wer spaltet denn wirklich, ist es mal wieder der Überbringer der schlechten Nachricht oder ist es die Politik, die mit dieser schlimmen Austeritätspolitik für Griechenland und der mangelnden Differenzierung von Schuld und Schulden, den Spalt zwischen Deutsche und Griechen getrieben hat?

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5 Gedanken zu „Glaubwürdigkeitskrise der Medien!

  1. Andreas Schlutter

    Gut, ein wenig vom Innenleben der Süddeutschen habe ich erfahren, insgesamt war es aber eine unbefriedigende Diskussion. Detlef Esslinger hat sich weitestgehend darauf zurückgezogen, dass die SZ eine hervorragende Zeitung sei – und sich damit auch jeglicher Medienkritik bequem entzogen. An die eigentliche Frage, nämlich warum z.B. bei Themen wie Altersvorsorge, Ukraine-Krise der weit überwiegende Teil der Medien parteiisch ist und warum bzw. in wessen Interesse das geschieht, sind wir nicht gekommen.

  2. Andreas Schlutter

    Auf der Veranstaltungsseite bei facebook habe ich – bis auf den ersten Satz – einen gleichlautenden Kommentar gepostet und eine Antwort von Detlef Esslinger bekommen. Da dies öffentlich ist, gebe ich sie hier wieder:

    Lieber Herr Schlutter, diese Hoffnung konnte aber nur jemand haben, der felsenfest davon ausgeht, “die Medien” agierten im Auftrag von Dritten und deren Interessen. Die These ist aber grottendaneben.
    Was mich wirklich umtreibt, ist, wieso es neuerdings Mode wird, jemanden, der einen anderen Standpunkt einnimmt als man selbst, gleich und immer wieder der Unlauterkeit zu verdächtigen? Wo soll das hinführen?
    Um das Beispiel Ukraine aufzugreifen: Dass der Westen an der Krise Anteil hat, dürfte unbestritten sein und wird in zahlreichen Medien immer wieder thematisiert. Beispiele dafür habe ich am Donnerstag genannt. Aber rechtfertigt das die Methode Putin? In deren Ablehnung mögen sich zahlreiche Kommentatoren weitgehend einig sein – so wie sie es in anderen Fällen aber auch waren: bei Netanjahus Gazakrieg, Bushs Irakkrieg, Abu Ghraib, Guantanamo, etc.pp. Da hat aber auch niemand gedacht, sie agierten im Interesse von irgendwem. Wieso also jetzt auf einmal? Herzliche Grüsse!

    Und hier meine Antwort:

    Lieber Herr Esslinger,
    ich zumindest gehe nicht davon aus, dass “die Medien” im Auftrag von Dritten agieren. Und dennoch hat sich in den Jahren ein Eindruck verstärkt, nämlich der, dass sich mit dem Durchsetzen der neoliberal bzw. marktradikal geprägten Politik auch die Diskurse in den Medien verändert hat.
    Mein Bruder ist ebenfalls Journalist, er macht mittlerweile professionelle PR. Daran ist einerseits nichts zu kritisieren, da stehen ja auch in der Regel die Firmen und Verbände drauf, die “den Medien” dann fertige Texte anbieten. Anders war es für mich aber zum Beispiel mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ihren Botschaftern, die sich z.B. in Talkshows nicht als solche zu erkennen gaben. Aber auch hier gab und gibt es ja wohl fertig aufbereitete Texte für die Redaktionen: https://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Neue_Soziale_Marktwirtschaft#Medien
    Wirklich beurteilen kann ich das natürlich nicht, deshalb habe ich mir jetzt die Kurzstudie “Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption” aus dem Jahr 2013 bei der Otto Brenner Stiftung bestellt: https://www.otto-brenner-shop.de/publikationen/weitere-publikationen/shop/kurzstudie-gefallen-an-gefaelligkeiten.html
    Ich bin seit 15 Jahren Abonnent der Süddeutschen Zeitung, unter anderem auch deshalb, weil es solche spannenden Beiträge wie die von Andreas Zielcke im Feuilleton gibt, weil es eine hervorragende Berichterstattung von Sven Loerzer und Bernd Kastner zu sozialpolitischen Fragen sowie zu der Situation der Flüchtlinge in München gibt.
    Zum wirtschaftspolitischen Teil: ja, die Position von Marc Beise ist bekannt und es gibt Beiträge anderer Autoren, die ich bevorzuge. Eher problematisch in der SZ finde ich in der Tat den Bereich Außenpolitik.
    Aber im Zentrum der Kritik steht ja nicht die Süddeutsche, problematischer ist die Wirkmächtigkeit einer BILD-Zeitung, die zudem ja auch noch durch Medienpreise geadelt worden ist. Gut finde ich es in diesem Zusammenhang, dass ihre Kollegen 2012 den Henri-Nannen-Preis deshalb ausgeschlagen haben.
    Problematisch sind für mich viele Spiegel- oder Stern-Titel zum Islam, der Umgang – positive Ausnahmen wie gestern im Feuilleton der SZ, wie Beiträge von Harald Schumann im Tagesspiegel und bei arte durchaus wahrnehmend – mit Griechenland. Natürlich findet man, wenn man genauer recherchiert, auch in der ZEIT Zahlen darüber, dass 90% der Hilfsgelder eben nicht nach Griechenland, sondern zu einem großen Teil an deutsche und französische Banken geflossen sind. Der in der Tendenz unkritische Umgang mit der deutschen Wirtschaftspolitik. Gut mittlerweile liest man – 10 Jahre nach Einführung von Hartz IV – wie der mehr dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland zu weit auseinandergeht.
    Glaubwürdigkeitskrise: Deutschland soll es ja gut gehen – aber vielen Menschen in Deutschland halt nicht. Gut, Arbeitnehmer könnten mehr in die Gewerkschaften gehen, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu streiten. Aber auch die Gewerkschaften sind immer noch in der Glaubwürdigkeitskrise, obwohl Tariflöhne keine Reallohnverluste zu verzeichnen haben. Das sind die Kollegen in tarifungebundenen Branchen bzw. Betrieben. Der Aus- und Aufbau des Niedriglohnsektors. Vielleicht zerfällt die Gesellschaft – und vielleicht ist dieser Prozess auch nur schwer aufzuhalten. Und Medien – unter Konkurrenz- und Preisdruck – haben häufig vielleicht gar nicht die Zeit, ihren Nutzern ein differenziertes Bild zu vermitteln. Die Nutzer haben auch zu wenig Zeit angesichts von Arbeitsverdichtung und finanzieller Probleme, sich vertieft mit Themen zu beschäftigen. Und so bleiben häufig nur die Schlagzeilen auf der Seite 1 übrig, die zur Meinungsbildung beitragen.
    Vielleicht sind – auch aufgrund der persönlichen Schichtzugehörigkeit und politischen Präferenz der Journalisten (und da spielen deren Netzwerke, in denen sie sich bewegen, vielleicht auch eine Rolle, Stichwort: Atlantik-Brücke) – viele Journalisten in den großen Medien näher an den Mächtigen und ihrem Denken und weniger an den Ohnmächtigen.
    Noch ein Wort zu Putin: die Methoden gefallen mir nicht, aber mir gefallen auch die chinesischen nicht, auch nicht die der Saudis. Und auch nicht die Politik der USA in den islamischen Ländern während der letzten 60 Jahren. Mir gefiele es allerdings, wenn wir – gerade in Europa – weg kämen von der Konfrontationslogik. Und das, was ich über die USA im Ukraine-Konflikt mitbekommen habe, trägt nun überhaupt nicht dazu bei, den USA lautere Absichten als Russland zu unterstellen. Und das ist das Problem, was Gabriele Krone-Schmalz zu Recht im letzten Jahr kritisiert hat. Und diese eher parteiische Berichterstattung wiederum trägt in meinen Augen zu einem Glaubwürdigkeitsverlust auch der Süddeutschen in dieser Frage bei.
    Herzliche Grüße

  3. Willi

    In diesem Beitrag und den Kommentaren dazu stecken viele interessante und wichtige Meinungen.
    Was m.E. zumindest in dieser Berichterstattung fehlt ist die Trennung von Berichterstattung und Meinung. Das ist doch ein ganz wichtiges journalistisches Prinzip! Wenn zunächst mal die Fakten berichtet werden, und zwar möglichst ohne einseitige Auswahl, dann habe ich ja nichts dagegen, wenn danach – erkennbar getrennt! – eine Meinung geäußert wird. Aber ich möchte mir aufgrund von Fakten eine eigene Meinung bilden können! (Sonst könnte ich ja gleich BILD lesen …)
    Mir kommt allerdings die Galle hoch, wenn beides ohne Trennung vermischt wird, wichtige Fakten unterschlagen werden, und andere Fakten durch die Wortwahl mehr als Meinung denn als Fakten berichtet werden.

    Nach dem Lesen des Beitrags habe ich den Eindruck, dass Albrecht Müller in der Diskussion ziemlich untergegangen ist. Ich hoffe, dass ich mich damit täusche.
    Willi

  4. Andreas Mirgel

    Herr Esslinger scheint sich ja darauf zurück zuziehen, dass die SZ ein vertrauenswürdiges Medium sei, was nach spätestens nach SZ Leaks bezweifelt werden darf:
    https://heisersstimme.wordpress.com/2015/02/16/sz-leaks-schleichwerbung-fur-steuerhinterziehung/
    Wurde denn die Frage von Herrn Esslinger geklärt ob er nicht an eine Vertrauenskrise glaubt oder er sie auch sieht, es aber für die SZ nicht gelten lässt…
    Es klingt jedenfalls nicht besonders reflektiert, weitsichtig und selbstkritisch…

  5. Andreas Mirgel

    Ich habe gerade einen (mich) beeindruckenden Artikel eines Journalisten gelesen, der aufgrund der medialen Ereignisse, Arbeitsweisen und Spekulationen in bezug auf den German Wings Absturz “kein Journalist mehr sein mag”. Er möchte einfach nicht mehr zu “denen”, den Witwenschüttlern”, gehört und glaubt das der Journalismus tot ist:
    http://m.dwdl.de/a/50332

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