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Das Schlachthaus Europas

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Foto: Johannes Lietz

Wir können nicht sagen, wir hätten nichts gewusst. Es hat so viele Artikel und Sendungen gegeben, die über Massentierhaltung und Tierquälerei berichtet haben. Dabei tun die Bilder und das Lesen schon weh, wie in den beiden folgenden Beispielen im „Ersten[2]“ und in der Tagesschau[3].
Deutschland ist mittlerweile das Schlachthaus Europas geworden, so schreibt die Oldenburger Onlinezeitung[4] und die Massentierhaltung dient dazu, unsere Produktions- und Exportstärke abzusichern.
Die Albert-Schweizer-Stiftung[5] beschreibt, was wir unter Massentierhaltung zu verstehen haben. Tiere werden unter unnatürlichen und gewaltsamen Bedingungen gehalten: „Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und z. T. auch Zähne werden ohne Betäubung gekürzt/abgetrennt.“ Merke: Wenn du ein Schwein im Garten oder auf dem Balkon hast, darfst du ihm nicht den Ringelschwanz abschneiden. Wenn du mehrere Tausend davon in einer Fabrik hältst, dann darfst du das schon!
Von artgerechter Tierhaltung kann da keine Rede mehr sein. Um das Leiden der Tiere „erträglicher“ zu gestalten, werden Massen an Antibiotika eingesetzt. Der Tierarzt und die Pharmaindustrie gehören zur Tierhaltung dazu wie das Tierfutter. Spitzenreiter ist das Land Niedersachsen[6], wo im Jahre 2011 allein 700 von bundesweit 1.700 Tonnen Antibiotika für Tiere geliefert wurden.
Dabei haben die Antibiotika im Puten- und Schweinfleisch eine enorme Nebenwirkung. Es ist massiv mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland[7] führt aus:

„Wenn zu viele Tiere auf zu engem Raum gehalten werden, sind diese Stress, Hitze, und Hygieneproblemen ausgesetzt. Intensivtierhaltung („Massentierhaltung“), bei der Tiere nicht artgerecht gehalten werden, funktioniert nicht ohne Hilfsmittel. Um das System der Fleischerzeugung in industriellem Maßstab aufrechterhalten zu können, werden sehr große Mengen Antibiotika eingesetzt. Beispielsweise zeigt die Evaluierung des Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, dass 92 Prozent der Mastputen mit Antibiotika behandelt wurden. Mehr als jeder fünfte Einsatz in NRW erfolgte mit Medikamenten aus der Gruppe der so genannten Reserveantibiotika. So genannten Reserveantibiotika werden vor allem dann benötigt, wenn herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken.“

Wenn wir so brutal mit den Tieren umgehen, wie ergeht es dann den Menschen, die in den Tierfabriken arbeiten?
Das „Netzwerk für Menschenwürde[8]“ beklagt „menschenunwürdige Arbeits-, Lebens- und Wohnverhältnisse der osteuropäischen Werkvertragsarbeiter in der Fleischindustrie“. Die Stundenlöhne betragen teilweise zwischen zwei und drei Euro oder „25 Euro für einen Zwölf-Stunden-Tag“. Im August 2013 waren zwei rumänische Arbeiter bei einem Brand in ihrer Wohnung in Papenburg ums Leben gekommen.
Somit ist das Fleisch, das wir essen, oft billig und ungesund zugleich. Wer beim Discounter kauft, muss wissen, was er sich antut. Wer den Verbraucher auffordert, der Massentierhaltung ein Ende zu bereiten, verkennt, dass derartige Praktiken verboten werden müssen.
Obendrein, die Fleischindustrie leistet ihren Beitrag zu unserer Exportstärke, gestützt durch Lohndumping. Im Oktober 2013 berichtet Die Welt[9] über die französische Fleischindustrie, die in der Krise steckt:

„Hintergrund ist eine Entlassungswelle in der französischen Fleischindustrie, die zu großen Teilen in der Bretagne sitzt. Dort geraten immer mehr Schlachtbetriebe in Bedrängnis. Sie beklagen sich darüber, dass sie ihren Beschäftigten einen Mindestlohn bezahlen müssen, während die deutsche Konkurrenz sich auf Arbeiter vor allem aus Bulgarien und Rumänien stütze, die mit Billiglöhnen abgespeist würden.
Montebourg [der ehemalige französische Industrieminister] kritisierte: “Wenn unsere Schlachthäuser eines nach dem anderen schließen, dann liegt das auch daran, dass Deutschland Beschäftigte anwirbt, die 400 Euro im Monat bekommen.”

Angesichts dieser Misere der deutschen Agrarindustrie fordern die Grünen,[10] „die Tierfabriken zu stoppen, indem wir Stallgrößen begrenzen und den Antibiotika-Missbrauch im Stall gesetzlich unterbinden.“ Und die Forderung nach dem Veggie Day sollten sie auch wieder erheben – aber diesmal mit Nachdruck!

Bildquelle: Johannes Lietz [1] / CC BY-NC-ND 2.0 [2]

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Endnotes:
  1. [Image]: https://farm6.staticflickr.com/5177/5402368718_d9daa6fb3c_b.jpg
  2. Ersten: http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/wdr/sendung-vom-30112014-118.html
  3. Tagesschau: http://www.tagesschau.de/inland/schweinemast-101.html
  4. Oldenburger Onlinezeitung: http://oldenburger-onlinezeitung.de/regional/ausbeutung-auf-den-spuren-der-menschlichen-gier-41411
  5. Albert-Schweizer-Stiftung: http://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung
  6. Land Niedersachsen: http://www.t-online.de/regionales/id_64744794/antibiotika-einsatz-bei-tierhaltung-niedersachsen-ist-spitzenreiter.html
  7. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/landwirtschaft/150113_bund_landwirtschaft_antibiotikaresistente_keime_faq.pdf
  8. Netzwerk für Menschenwürde: http://oldenburger-onlinezeitung.de/regional/ausbeutung-auf-den-spuren-der-menschlichen-gier-41411
  9. Die Welt: http://www.welt.de/wirtschaft/article121117588/Frankreich-wirft-Deutschland-Lohndumping-vor.html
  10. die Grünen,: http://www.gruene.de/presse/2015/internationale-gruene-woche-zeit-fuer-eine-neue-haltung.html
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