Erziehermangel in München: Lösung in weiter Ferne

Foto: Florian Seiffert

Im Lokalteil titelte die Süddeutsche vorgestern so treffend daneben “Kindertagesstätten – München gehen die Erzieher aus“. Anlass des Artikels ist die Kombination aus Fachkräftemangel und Grippewelle gewesen. Richtig müsste es Erzieherinnen heißen, denn Männer sucht man in den meisten Einrichtungen vergebens. Das Fachkräfteportal ErzieherIn.de schreibt dazu:

Unter den EU-Ländern sind dabei große Unterschiede zu verzeichnen. Dänemark ist der Spitzenreiter mit 6 % Männern in der Krippe und 10 % in Kindergärten. Die Anteile sind höher in Freizeiteinrichtungen und im außerschulischen Bereich. Deutschland hat in Kitas einen Anteil von 3 %, die meisten Länder kommen jedoch nicht einmal auf 1 %. Es handelt sich hier also nicht um ein deutsches, sondern um ein europäisches Thema.

Oberhuemer/Schreyer diagnostizieren, dass die geringen Gehälter der Grund für die fehlende Präsenz von Männern im Kita-Bereich seien. Dies ist sicher ein Grund, aber es gibt darüber hinaus andere (…):

  • Das traditionelle Männerbild lässt sich immer noch schwer mit der sorgenden, empathischen Arbeit mit kleinen Kindern vereinbaren.
  • Auch aufgeschlossene, flexible Männer werden häufig Probleme haben, ihrer Umwelt zu vermitteln, dass sie nun mit kleinen Kindern arbeiten wollen: Die Reaktion der Umwelt ist nicht zu vernachlässigen.
  • Ein wesentlicher Punkt ist auch die weibliche Domäne Kita, in der sich einzelne Männer als Fachkräfte behaupten müssen. Es gehört viel Mut dazu, sich einer solchen Übermacht an Frauen auszuliefern.

Nun soll es hier nicht um Sprachanalyse gehen. Dem Fachkräftemangel in München wird seit einigen Jahren von freien Trägern durch das gezielte Anwerben in Griechenland und Spanien begegnet, auch das ist Teil der Krise der Südländer der EU. Mit eigenen Anstrengungen die personellen Lücken zu füllen, kann den Fachakademien für Sozialpädagogik, die die Ausbildung der Erzieherinnen verantworten, kaum schnell gelingen. Die Ausbildung dauert aus gutem Grund fünf Jahre (die ersten beiden qualifizieren dabei zur Kinderpflegerin), selbst bei einem weiteren Ausbau der Ausbildung wird es erst nach 2020 eine deutliche Entlastung geben können.

Die Bezahlung ist mäßig, inklusive der von der Landeshauptstadt München seit November vergangenen Jahres gezahlten Arbeitsmarktzulage in Höhe von 200 Euro sowie der regulären München-Zulage in Höhe von 117,91 Euro verdient eine Erzieherin bei der Stadt mit 10 Jahren Berufserfahrung nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ca. 3.260 Euro – außerhalb des Ballungsraums also in etwa 2.945 Euro, Aufstiegsmöglichkeiten gibt es wenige.

Es gibt viele freie Träger, die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, AWO, BRK, gemeinnützige Vereine, Elterninitiativen. Alle stehen vor demselben Problem – es gibt zu wenig Erzieherinnen. Und bei den hohen Mieten und Lebenshaltungskosten in München ist auch kaum darauf zu hoffen, dass junge Frauen oder gar ganze Familien aus dem ganzen Bundesgebiet nach München ziehen, weil es hier eine so aufregend breite Möglichkeit für die beruflichen Karriere für Frauen gibt.

Ein Teil der Lösung ist die grundsätzlich bessere Bezahlung, wie die Gewerkschaft ver.di sie in der aktuellen Aufwertungskampagne für die sozialen Berufe fordert. Dazu wäre es allerdings dringend wünschenswert, wenn mehr Frauen für sich erkennen und dies in Handeln umsetzen, dass sie sich für eine Verbesserung der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen schon selber durch gemeinsames Handeln einsetzen müssen.

Der andere Teil ist die Frage, wie es gelingen kann, mehr Männer für den Beruf zu interessieren. Das bedarf wohl einer Veränderung der gesellschaftlichen Werte und Ziele. In einem marktradikalen, von Konkurrenz getriebenen Kapitalismus ist es schwer, öffentlich zu finanzierende Leistungen wie Kindertagesbetreuung den gesellschaftlichen Wert zu geben, den sie verdienen. Aber diese Leistungen sind existenziell für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Diese notwendige Debatte können, ja müssen wir vor Ort führen. Wir sind es unseren Kindern schuldig. Lasst uns damit beginnen.

Bildquelle: Florian Seiffert / CC BY-NC-SA 2.0

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3 Gedanken zu „Erziehermangel in München: Lösung in weiter Ferne

  1. Christian Reischl

    Ein weiteres zentrales Problem ist die fünfjährige Ausbildung, die es in keinem anderen Fach”arbeiter”beruf gibt. Noch dazu wird erst ab dem 2. Ausbildungsjahr eine Vergütung bezahlt. Im 5. Jahr gibt es nur 2/3 des Einstiegsgehaltes. Solange die Ausbildung nicht verkürzt wird und ab dem ersten Monat auch bezahlt wird, wird sich an dem Mangel wenig ändern.

    1. Andreas Schlutter Beitragsautor

      Die Zugangsvoraussetzungen sind kompliziert, allein mit Mittlerer Reife sind es zwei Jahre “Sozialpädagogisches Seminar (SPS)”, das kann auf ein Jahr verkürzt werden (z.B. nach FOS 11. Klasse oder FSJ) oder komplett entfallen (z.B. bei zusätzlicher Vorqualifikation als Kinderpflegerin).
      Es kann sein, dass die Vergütung in dieses zwei Jahren fachpraktischer Ausbildung (nichts anderes ist das SPS) sehr unterschiedlich geregelt ist. Ich kenne es nur mit Praktikantenvergütungen von bis zu 500 € im ersten und 550 € im zweiten Jahr.
      Im Kern schließt sich daran eine zweijährige schulische Ausbildung an, die erst seit kurzem hier in Bayern bei den Schulen freier Träger vom monatlichen Schulgeld befreit ist. Dadurch, dass es eine schulische Ausbildung ist, gibt es nicht mal für alle einen BAföG-Anspruch. Das ist natürlich unbefriedigend im Vergleich mit den Ausbildunsgvergütungen in den Betrieben.
      Bei der Verkürzung der Ausbildung unter gleichen Zugangsvoraussetzungen bin ich skeptisch, aus fachlicher Sicht spricht viel für eine Professionalisierung und Aufwertung des Berufes, wie es auch in anderen EU-Ländern üblich ist. Dort ist es ein Studium an einer Hochschule und teilweise dem Lehramt an Grundschulen gleichgestellt.

  2. Willi

    Erzieher oder Erzieherinnen ist mir eigentlich gleich, solange beide Geschlechter die gleichen Chancen in diesem Beruf haben, wenn sie es denn wollen. Frauen und Männer haben nunmal nicht unbedingt die gleichen Interessen, und das äußert sich auch in der Berufswahl.
    Aber es ist sicher eine finanzielle Aufwertung dieses Berufs notwendig, die auch in einer vernünftigen Relation zur notwendigen Ausbildung steht. Dann wäre auch ein Fachkräftemangel nach einer Übergangszeit vermutlich kein Thema mehr.
    Es ist doch paradox, dass Dienste am Menschen (Kindererziehung, Krankenpflege, Altenpflege,…), also Dienste an uns so deutlich schlechter honoriert werden, als z.B. Dienste am Geld!
    Willi

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