München sozial? Nicht unbedingt bei der Stromrechnung

Foto: Andreas Schlutter

Angefangen hat es Ende November – in der Bürgerversammlung des Bezirksausschusses 09 Neuhausen-Nymphenburg: eine arbeitslose Sozialpädagogin hat dort mündlich die Einführung einer Flatrate für Strom, Gas und Telefon mit Grundpreisermäßigung für München-Pass-Inhaber bei Verträgen mit den Stadtwerken München beantragt, die Versammlung hat dem zugestimmt.

Anfang Dezember hat Pfarrerin Beate Frankenberger der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde St. Lukas in der Bürgerversammlung des BA 01 Altstadt-Lehel einen gleich lautenden Antrag schriftlich eingereicht und ebenfalls eine mehrheitliche Beschlussfassung erreichen können. Dieser Antrag mit Begründung ist auch online einsehbar. Dort heißt es:

“Die letzte Strompreisermäßigung gilt nur für höheren Stromverbrauch. Gerade die kleineren Haushalte, deren Stromverbrauch niedrig ist, die Strom sparen, profitieren nicht davon. Im Gegenteil, der Grundpreis wurde erhöht. Es muss für einkommensschwache Haushalte eine Grundpreisermäßigung möglich sein.”

Möglich wäre dies schon, beide Anträge sollen übrigens an den Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft des Münchner Stadtrats weitergeleitet worden sein, die Bearbeitungsfrist für den Antrag von Frau Frankenberger endet am 11.03.2015.

Was ist nun das Problem? Strom müssen Hartz-IV-Bezieher sowie Bezieher von Grundsicherung aus dem Regelsatz bezahlen. Aktuell beträgt der Regelsatz beim SGB II 399 €.  8,36% = 33,36 € sind nun für die Posten Wohnung, Strom, Instandhaltung vorgesehen. Davon sind laut Lutz Hausstein gut 6 Euro Wohnungsinstandhaltung abzuziehen, bleiben noch ca. 27 €, die ein Hartz-IV-Empfänger für Strom zahlen kann, ohne sich das Geld vom Munde abzusparen.

Der Erwerbslosenverein Tacheles e.V. geht von einem durchschnittlichen Verbrauch von 1800 kWh aus und weist zu Recht auf das Drama um die vom Regelsatz nicht gedeckten Energiekosten hin:

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr über 7 Millionen Mahnverfahren wegen säumiger Forderungen für Haushaltsenergie eingeleitet. In 344.798 Fällen wurde Stromkunden der Stromanschluss zumindest vorübergehend gesperrt. Davon betroffen waren rund 200.000 Haushalte von SGB-II-Leistungsbeziehenden (Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2014, S. 149 ff.). Gegenüber dem Vorjahr erhöhten sich die Mahnungen um über 1 Million. Diese Zahlen belegen dringenden sozialpolitischen Handlungsbedarf. Der Erwerbslosenverein Tacheles e.V. fordert daher im Rahmen der geplanten SGB-II-Änderungen eine Reihe von Korrekturen zur Bekämpfung von Energiearmut.

Lutz Hausstein argumentiert damit, dass die Lebenssituation Hilfebedürftiger signifikant anders ist und sie mehr in der Wohnung sind, er rechnet mit 2000 kWh jährlich. Das macht bei den Stadtwerke München im günstigsten Tarif 516,28 € bis 564,66 € jährlich, also 43,02 € – 47,06 € monatlich – je nachdem, ob man 1800 kWh oder 2000 kWh als mittleren Verbrauch zu Grunde legt.

Einen regelmäßigen monatlichen Fehlbetrag von 16-20 € auszugleichen, ist für einen Hartz-IV-Empfänger eine große Herausforderung. Strompreiserhöhungen oder ein höherer Verbrauch als im Vorjahr führt zu hoch belastenden Nachzahlungen, die allein aus dem Regelsatz zu erbringen sind, um keine Stromsperre zu riskieren. Deshalb verdient der Antrag auf Einrichtung einer Flatrate Unterstützung.

Die SWM weisen im Geschäftsbericht 2013 ein Konzernjahresergebnis von gut 204 Mio € vor Gewinnabführung an die Landeshauptstadt München aus. Das heißt, für die SWM wäre diese Flatrate ohne Weiteres finanzierbar – und der Münchner Stadtrat wäre gut beraten, hier ein Zeichen zu setzen: wenn es schon nicht gelingt, den Regelsatz auf ein menschenwürdiges Maß zu erhöhen, dann kann hier die Stadt über ihre eigenen Anbieter eine notwendige Entlastung schaffen und zeigen, dass nicht nur München sozial ist, wie das Bündnis von Wohlfahrts- und Sozialverbänden und Gewerkschaften verspricht, sondern auch städtische Unternehmen wie die SWM. Und: warum sollte nicht auch hier etwas möglich sein, was bei der SWM-Tochter MVG und im gesamten MVV mit der IsarCard S möglich ist.

Unabhängig davon muss die Höhe des Regelsatzes deutlich angehoben werden. Das allerdings kann die Stadt München nicht beeinflussen, dazu bedarf es einer entsprechenden Richtungsänderung auf bundespolitischer Ebene.

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2 Gedanken zu „München sozial? Nicht unbedingt bei der Stromrechnung

  1. Rudolf Winzen

    Eine soziale Komponente einzuführen ist hier sicherlich erstrebenswert, z. B. in Form einer wesentlich niedrigeren Grundgebühr. Aber eine Flatrate bei Energiekosten halte ich generell für kontraproduktiv, weil damit der wichtigste Anreiz zum Energiesparen wegfällt.

  2. Andreas Schlutter

    “Ein Leben ohne Strom ist in der heutigen Welt kaum möglich, deshalb ist Energie kein Luxusgegenstand, sondern gehört zum Grundbedarf. In der Praxis aber gilt das wieder einmal nicht für Hartz-IV-Bezieher.”

    Strom für jeden! – ein passender Kommentar in der Tageszeitung “neues deutschland”, der auf das Problem hinweist. Grit Gernhardt schließt mit den Worten: “Lösen ließe sich das Problem nur, wenn die unsoziale Praxis der Pauschbeträge endlich zugunsten einer Übernahme der realen Kosten für Grundbedürfnisse abgeschafft würde.”

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