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Deutsche “Qualitätsmedien”

Wir wissen mittlerweile alle, dass unsere sogenannten “Qualitätsmedien” nicht wirklich qualitativ hochwertige Informationen liefern. Traurig genug. Oft sind diese Informationen leider nicht nur nicht hochwertig, sondern ganz einfach sachlich falsch!

Ich berichte heute nur über einen Fall einer eindeutigen Falschinformation. Vielleicht können wir daraus eine Fortsetzungsgeschichte machen, indem interessierte Leser weitere Fälle von Fehlleistungen unserer “Qualitätsmedien” als Kommentar berichten und kommentieren.

Mein heutiger Fall betrifft das ZDF, das sich zwar selbst damit bewirbt, einäugig zu sein, aber trotzdem als Qualitätsmedium gelten möchte. In der Heute-Sendung am 08.12.2014 um 19 Uhr heißt es ab Minute 2:

“Bei der sogenannten kalten Progression handelt es sich um einen Steuereffekt, der bei Lohnerhöhungen auftritt. Beim Übergang in eine neue Steuerklasse wird die Erhöhung vom Fiskus aufgefressen.” Dieser Text wurde noch untermalt von einer Grafik, die suggerierte, dass der Lohnempfänger nach der Erhöhung weniger ausbezahlt kommt, als vorher.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/2299942/ZDF-heute-Sendung-vom-08-Dezember-2014 [1]

Wer jedes Jahr seine Steuererklärung macht weiß, dass eine Lohnerhöhung bzw. Einkommenssteigerung nichts, aber auch garnichts, mit der Steuerklasse zu tun hat. Die Steuerklasse (I bis VI) richtet sich u.a. nach den persönlichen Familienverhältnissen und kann vom Steuerpflichtigen max. einmal pro Jahr geändert werden. Einkommenserhöhungen bewegen sich innerhalb dieser Steuerklasse, die durch Lohnerhöhungen nicht verändert wird.

Kann eine Lohnerhöhung also zu einer geringeren Lohnauszahlung führen? NEIN! Höherer Lohn bedeutet höhere Auszahlung.

Was ist dann Progression? Je höher das Einkommen ist, desto höher ist der persönliche Spitzensteuersatz. D.h.: Der Lohnzuwachs wird ggf. höher besteuert, als das bisherige Einkommen. Aber nur der Zuwachs, also die Differenz zwischen dem neuen und dem alten Lohn. Die auf den Lohn in der bisherigen Höhe anfallende Steuer bleibt unverändert. Das ist ganz normal und entspricht der Grundgesetzregel “Besteuerung nach Leistungsfähigkeit”. D.h. die oberen Anteile des Einkommens werden höher besteuert, als die unteren. Da es aber keine Lohnsteuer von mehr als 100% gibt (sondern maximal ca. 48% incl. SolZ und KiSt), bleibt auch von dem Lohnzuwachs eine Auszahlung übrig. Höherer Lohn bedeutet also – trotz evtl. höherer Besteuerung des Lohnzuwachses – eine höhere Auszahlung. Falls Ihr Arbeitgeber Sie bedrängt, eine Lohnerhöhung zu akzeptieren, sollten Sie das also ruhig annehmen. 🙂

Man sollte sich jetzt fragen: Warum bringt das ZDF diese Falschmeldung in seiner vermutlich wichtigsten Nachrichtensendung um 19 Uhr? Dass die gut verdienenden (und vermutlich in der Progression weit oben liegenden) Redakteure es nicht besser wissen ist eigentlich schwer vorstellbar. Flüchtigkeitsfehler? Oder soll uns eine unterschwellige Botschaft vermittelt werden? Welche Ursache auch tatsächlich vorliegen mag: Mit Qualitätsjournalismus hat das jedenfalls nichts zu tun! Das ist eher Volksverdummung und Missachtung der Zuschauer, den zahlenden Kunden.

Das Thema “kalte Progression” ist durchaus ein wichtiges Thema. Aber dazu hat der ZDF-Beitrag nicht wirklich weiter geholfen.

Wer hat weitere Beispiele für die “Qualität” unserer Medien?

Willi

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