Nachgerechnet: Mindestlohn in München

2015 kommt der gesetzliche Mindestlohn. 8,50 € die Stunde – macht also in etwa 1.400 € brutto für einen Vollzeitjob, Lassen wir mal für einen Moment die vielen Ausnahmen (z.B. schlechtere noch geltende Tarifverträge) außen vor. Mindestlohn – was bedeutet das beispielsweise für einen Single in München?

Der Brutto-Netto-Rechner von Spiegel Online gibt einen ersten Hinweis: von 1.400 € brutto bleiben 1037,19 € netto (zumindest in diesem Jahr). Glück gehabt, könnte man denken. Die Armutsgefährdung Alleinlebender beginnt ja statistisch in Deutschland erst bei 979 € im Monat.

Nur: wir sind in München. Und da ist das Leben halt teuer –
und vor allem der Wohnraum.

„Die Mieten in und um München sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – 14 oder 15 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit. Der Münchener Mietspiegel 2014 der Wohnungsbörse geht bei Wohnungen mit 30 Quadratmetern Grundfläche sogar von einem durchschnittlichen Mietpreis von 19,83 Euro pro Quadratmeter aus. Der deutschlandweite Durchschnitt liegt bei 9,10 Euro.“
Quelle: Lebenshaltungskosten: Die unbezahlbare Stadt – Zeit online vom 17.10.2014

Nette 3-Zimmer-Wohnung in München

Foto: die moderne Welt / CC BY-NC-ND 2.0

Gut, gehen wir mal davon aus, unser Single hat Glück: eine kleine Einzimmerwohnung für 465 € kalt bzw. 610 € warm. Bleiben 427,19€ zum Leben. Zu wenig. Richtig.

Wohngeld gibt es nicht, dafür sind die Mieten schon lange zu hoch in München, die zu berücksichtigende Miete beträgt nämlich in der Stufe 6 lediglich 405 € Kaltmiete inkl. Betriebskosten (Bruttokaltmiete).

Bleibt also nur der Gang zum Jobcenter – und: unser Single hat Anspruch auf einen Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft in Höhe von 263,81 €.

Gut für unseren Single: vom Nettoeinkommen bleibt ein Freibetrag von 300 €, vermutlich reichen nach Abzug der Warmmiete 691 € zum Leben knapp über der Armutsgrenze. Auch in München, der teuersten Großstadt der Republik.

Nur: wer zahlt eigentlich die 263,81 €? Zum größten Teil, nämlich zu 72,4% die Landeshauptstadt selber, so geregelt in § 46 SGB II – wobei der Erstattungsanteil durch den Bund zunächst an die Länder geht. Bleiben also voraussichtlich 191 € pro Monat, mit denen der kommunale Haushalt jeden Monat neu belastet wird.

Oder – um es grundsätzlicher zu sagen: wir finanzieren mit unseren Steuergeldern die Gewinne der Immobilienbesitzer hier in München. Auch das ist Umverteilung von von unten nach oben.

610 € Bruttokaltmiete (also ohne Heizung und Warmwasser) ist übrigens die anerkannte Obergrenze in München für Ein-Personen-Haushalte gemäß SGB II. Insofern ist die Wohnung im obigen Beispiel ja schon fast ein Schnäppchen.

Wie verhält es sich nun, wenn unser Single mehr verdient?

Erst ab 1.900 € Bruttoeinkommen käme unser Single mit in München heraus aus der Bedürftigkeit. Das entspricht also in etwa einem Stundenlohn von 11,50 €. Allerdings: das verfügbare Einkommen Einkommen – Antragstellung im Jobcenter vorausgesetzt – nach Abzug der Warmmiete steigt bis zum Überschreiten dieser Grenze nicht. Bis zu dieser Grenze führt eine Lohnerhöhung also lediglich zum Abschmelzen des Zuschusses für die Miete.

Und wenn er weniger verdient?

Vorweg: ohne Arbeit gäbe es lediglich den Regelsatz von 391 €. Mit einem Minijob in Höhe von 400 € blieben nach Abzug der Miete aber immerhin schon 551 € übrig zum Leben, mit einer halben Stelle auf Mindestlohnbasis (700 €) wären es 611 €. In etwa ab 1.200 € brutto bleiben dann die 691 € zum Leben.

Halten wir noch einmal fest: in einem Korridor zwischen 1.200 € und 1.900 € brutto gibt es keine Steigerung des verfügbaren Einkommens, wenn man seinen Rechtsanspruch nach dem SGB II geltend macht – und dafür allerdings seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse komplett offenlegt.

Existenz sichernde Einkommen gibt es für Singles in München mit dem gesetzlichen Mindestlohn noch lange nicht, dafür bräuchten wir Stundenlöhne von 11,50 € aufwärts – und bezahlbaren Wohnraum.

Bildquelle: die moderne Welt / CC BY-NC-ND 2.0

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5 Gedanken zu „Nachgerechnet: Mindestlohn in München

  1. Thomas

    Ein sehr informativer Artikel, bei dem auch endlich mal mit Zahlen etwas nachvollziehbar erklärt wurde. Das wird dem ein oder anderen ganz sicher eine sehr große Hilfe sein.

  2. Alexander

    Ich muss doch in einem Punkt widersprechen: In München große Gewinne mit Immobilien zu erzielen ist schwerer als im Rest der Republik, da die Kaufpreise nicht selten 30 Jahresnettomonatsmieten betragen und die Rendite bei teils unter 2 Prozent liegen dürfte. Soviel zu den Fakten.
    Ich möchte jedenfalls in München kein Vermieter sein…
    Es handelt sich beim Immobilienmarkt – wie der Name schon suggerieren dürfte – um einen Markt (jedoch einen mit erheblichen Staatseingriffen zugunsten der Mieter und zum vielfachen Nachteil des Vermieters ergo Eigentümers) und auch in München ist jeder frei in seiner Entscheidung, eine Wohnung bzw. ein kleines Appartement zu kaufen oder in eine Genossenschaft einzutreten, die ihren Mitgliedern günstige Wohnungen zur Verfügung stellt.

    Und das beste Mittel gegen Armut ist seit jeher: Bildung!

  3. Andreas Schlutter Beitragsautor

    Wir haben meines Erachtens einen massiven Verdrängungswettbewerb, ich habe über Jahre hinweg zuschauen können, wie sich die Luxussanierung im Dreimühlenviertel auswirkt und aus ehemals günstigen Mietwohnungen teure Eigentumswohnungen werden. Auf das Stichwort Gentrifizierung muss ich hier wohl nicht näher eingehen. Neu gebaut werden vor allem Wohnungen im oberen und im Luxuspreissegment. Wer in München im sozialen Bereich arbeitet, und wir brauchen Krankenschwestern, Altenpfleger, Erzieherinnen und Sozialpädagogen, verdient gerade mal 75 Euro mehr als in Würzburg oder Nürnberg. Aber selbst die geförderten Wohnungen in München sind teuer als die frei vermieteten Wohnungen in anderen Regionen.
    Meines Erachtens ist die Grundkonstruktion, dass ein nicht vermehrbares Gut wie Grund und Boden Privatbesitz sein kann, für das Übel mit verantwortlich. Die Stadt sollte den ihr noch verbliebenen Boden auch nicht mehr verkaufen, sondern nur noch über Erbpacht zur Verfügung stellen.
    Interessant auch der Vergleich mit Wien, auf den hier im Blog Gerhard Dengler hingewiesen hat.

  4. Andreas Schlutter

    Noch etwas: natürlich ist Bildung wichtig, und es wird in Deutschland zu wenig getan, junge Menschen entsprechend zu fördern, dass sie zumindest den Hauptschulabschluss erreichen, quasi Mindestbedingung, um eine Ausbildung zu machen.

    Doch auch Bildung schützt nicht immer vor Armut, und das gilt nicht nur in Griechenland und Spanien, wo viele gut ausgebildete junge Menschen aktuell ihre Heimat verlassen, um zum Beispiel in Deutschland einen Job zu finden.

    Auch in Deutschland gibt es eine Menge an Problemen, wie Christoph Butterwegge bei Spiegel Online schon vor ein paar Jahren dargelegt hat:

    Mehr Bildung, weniger Armutsrisiko – was unter günstigen Umständen ohne Zweifel zum individuellen beruflichen Aufstieg taugt, versagt als gesellschaftliches Patentrezept. Denn wenn alle Kinder, was durchaus wünschenswert wäre, mehr Bildungsmöglichkeiten bekämen, würden sie um die wenigen Ausbildungs- und Arbeitsplätze womöglich nur auf einem höheren Niveau, aber nicht mit besseren Chancen konkurrieren. Folglich gäbe es am Ende mehr Taxifahrer mit Abitur und abgeschlossenem Hochschulstudium, aber kaum weniger Armut.

    Eine bessere (Aus-)Bildung erhöht die Konkurrenzfähigkeit eines Heranwachsenden auf dem Arbeitsmarkt, ohne jedoch die Erwerbslosigkeit und die (Kinder-)Armut als gesellschaftliche Phänomene zu beseitigen.

  5. Pingback: Mehr Geld für Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen gesellschaftlich erforderlich | NachDenken in München

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