- Nachdenken in München - https://nachdenken-in-muenchen.de -

Nachgerechnet: Mindestlohn in München

2015 kommt der gesetzliche Mindestlohn. 8,50 € die Stunde – macht also in etwa 1.400 € brutto für einen Vollzeitjob, Lassen wir mal für einen Moment die vielen Ausnahmen (z.B. schlechtere noch geltende Tarifverträge) außen vor. Mindestlohn – was bedeutet das beispielsweise für einen Single in München?

Der Brutto-Netto-Rechner[1] von Spiegel Online gibt einen ersten Hinweis: von 1.400 € brutto bleiben 1037,19 € netto (zumindest in diesem Jahr). Glück gehabt, könnte man denken. Die Armutsgefährdung Alleinlebender beginnt ja statistisch in Deutschland erst bei 979 € im Monat [1].

Nur: wir sind in München. Und da ist das Leben halt teuer –
und vor allem der Wohnraum.

„Die Mieten in und um München sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – 14 oder 15 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit. Der Münchener Mietspiegel 2014 der Wohnungsbörse [2] geht bei Wohnungen mit 30 Quadratmetern Grundfläche sogar von einem durchschnittlichen Mietpreis von 19,83 Euro pro Quadratmeter aus. Der deutschlandweite Durchschnitt liegt bei 9,10 Euro.“
Quelle: Lebenshaltungskosten: Die unbezahlbare Stadt – Zeit online vom 17.10.2014[2]

Nette 3-Zimmer-Wohnung in München

Foto: die moderne Welt / CC BY-NC-ND 2.0

Gut, gehen wir mal davon aus, unser Single hat Glück: eine kleine Einzimmerwohnung für 465 € kalt bzw. 610 € warm. Bleiben 427,19€ zum Leben. Zu wenig. Richtig.

Wohngeld [3] gibt es nicht, dafür sind die Mieten schon lange zu hoch in München, die zu berücksichtigende Miete beträgt nämlich in der Stufe 6 lediglich 405 € Kaltmiete inkl. Betriebskosten (Bruttokaltmiete).

Bleibt also nur der Gang zum Jobcenter – und: unser Single hat Anspruch auf einen Zuschuss [4] zu den Kosten der Unterkunft in Höhe von 263,81 €.

Gut für unseren Single: vom Nettoeinkommen bleibt ein Freibetrag von 300 €, vermutlich reichen nach Abzug der Warmmiete 691 € zum Leben knapp über der Armutsgrenze. Auch in München, der teuersten Großstadt der Republik.

Nur: wer zahlt eigentlich die 263,81 €? Zum größten Teil, nämlich zu 72,4% die Landeshauptstadt selber, so geregelt in § 46 SGB II [5] – wobei der Erstattungsanteil durch den Bund zunächst an die Länder geht. Bleiben also voraussichtlich 191 € pro Monat, mit denen der kommunale Haushalt jeden Monat neu belastet wird.

Oder – um es grundsätzlicher zu sagen: wir finanzieren mit unseren Steuergeldern die Gewinne der Immobilienbesitzer hier in München. Auch das ist Umverteilung von von unten nach oben.

610 € Bruttokaltmiete (also ohne Heizung und Warmwasser) ist übrigens die anerkannte Obergrenze in München [6] für Ein-Personen-Haushalte gemäß SGB II [7]. Insofern ist die Wohnung im obigen Beispiel ja schon fast ein Schnäppchen.

Wie verhält es sich nun, wenn unser Single mehr verdient?

Erst ab 1.900 € Bruttoeinkommen käme unser Single mit in München heraus aus der Bedürftigkeit. Das entspricht also in etwa einem Stundenlohn von 11,50 €. Allerdings: das verfügbare Einkommen Einkommen – Antragstellung im Jobcenter vorausgesetzt – nach Abzug der Warmmiete steigt bis zum Überschreiten dieser Grenze nicht. Bis zu dieser Grenze führt eine Lohnerhöhung also lediglich zum Abschmelzen des Zuschusses für die Miete.

Und wenn er weniger verdient?

Vorweg: ohne Arbeit gäbe es lediglich den Regelsatz von 391 €. Mit einem Minijob in Höhe von 400 € blieben nach Abzug der Miete aber immerhin schon 551 € übrig zum Leben, mit einer halben Stelle auf Mindestlohnbasis (700 €) wären es 611 €. In etwa ab 1.200 € brutto bleiben dann die 691 € zum Leben.

Halten wir noch einmal fest: in einem Korridor zwischen 1.200 € und 1.900 € brutto gibt es keine Steigerung des verfügbaren Einkommens, wenn man seinen Rechtsanspruch nach dem SGB II geltend macht – und dafür allerdings seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse komplett offenlegt.

Existenz sichernde Einkommen gibt es für Singles in München mit dem gesetzlichen Mindestlohn noch lange nicht, dafür bräuchten wir Stundenlöhne von 11,50 € aufwärts – und bezahlbaren Wohnraum.

Bildquelle: die moderne Welt[3] / CC BY-NC-ND 2.0[4]

Beitrag versenden[5]
Endnotes:
  1. Brutto-Netto-Rechner: http://www.spiegel.de/embeddedtools/disque-bruttonettorechner.html?id=spiegelrp&brutto=1400&freibetrag=&jahr=2014&lzz=1&stk=1&faktor=1&kirche=1&bdl=02&pkv=0&pkpv=&kksatz=15%2C5&krv2010=0&zkf=0&kinderpv=0&jahrgang=1970&submit=Berechnen
  2. Lebenshaltungskosten: Die unbezahlbare Stadt – Zeit online vom 17.10.2014: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-10/mieten-muenchen-fachkraefte
  3. die moderne Welt: https://www.flickr.com/photos/toobin_zoo/7141641239/in/photolist-6vGZQ1-6vGXV9-6vGXAo-6vCMxM-6vCNfM-9tGzh3-95DcVS-3aVrK-9e2R8C-cHqvc5-cCLmZL-6vH1wC-5oX8Ai-XDu67-95Aawx-cmVfsJ-9X4Ga-6vCK36-9tDAnr-6vCKpr-9X8Qe-9tDAji-9jzDub-b7NTKt-8RaRHm-8RaRFy-gYcnAF-hdrvzV-bT5M8v-9ji8ke-9jmjKw-9jibi2-9ji8De-9jmgEQ-9jmif5-9ji9ai-9jid4T-9jiac8-9jibRv-9ji9Xr-9jmjf5-9jmk2s-9ji8SF-9jiast-9jmgW9-7j1XcG-9jmjuE-9jmkwQ-9jiaHT-9jidBT
  4. CC BY-NC-ND 2.0: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/
  5. Beitrag versenden: https://nachdenken-in-muenchen.de/?p=1154&wp_email_popup=1