Die neue Lust am Nicht-Konsum

Früher waren viele von ihnen obdachlos und arm. Heute sind sie Verkäufer von BISS, einer Zeitschrift von „Bürgern in sozialen Schwierigkeiten“. BISS ist ein mittelständisches Unternehmen mit 50 Angestellten und 60 freien Verkäufern.

BISS erscheint monatlich und darf in München mit einer Sondergenehmigung der Landeshauptstadt auf öffentlichem Grund verkauft werden.

BISS ist die älteste Straßenzeitung Deutschlands und hat eine Auflage von 38.000 Stück. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind bedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches.

BISS kann Verkäuferinnen und Verkäufer nur anstellen, wenn Patinnen und Paten diese unterstützen, indem sie einen Teil des Gehalts übernehmen. Eine Patenschaft beläuft sich auf durchschnittlich 5.000€ im Jahr. Auch Teilpatenschaften, zeitlich und finanziell, sind möglich. (hier ausführlich)

Ich habe mir das Heft von Juli/August 2014 angesehen. Es macht auf mit dem Titel „Mach’s einfach! Reparieren, tauschen, verschenken und teilen“. Es scheint mir, als ob gerade Bürger in sozialen Notsituationen uns zeigen wollen, dass „es Spaß macht, zu reparieren und zu recyclen und die knappen Ressourcen der Erde zu schonen“. BISS sagt, es gebe eine „Neue Lust am Nicht-Konsum“ und „Wir erleben eine Renaissance der Reparatur, des Tauschens und Teilens – auch in München“.

Beim Lesen des Heftes erhalte ich eine Menge Ansatzpunkte, wie wir die Ressourcenbelastung auf der Erde reduzieren können.

  • Es sind mittlerweile elf Einrichtungen registriert, wo sich die Leute treffen, um zu reparieren und zu basteln.
  • Wolfgang Heckl ist Biophysiker, leitet das Deutsche Museum und lehrt Wissenschaftskommunikation an der TU München. Am Wochenende repariert er in seiner Werkstatt im Keller alte Elektrogeräte. Sein Buch heißt: „Die Kultur der Reparatur“ und ist im Carl Hanser Verlag erschienen.
  • Die sog. „Handy-Doktoren“ werden in BISS als „undurchsichtige, aber nützliche Branche“ bezeichnet. Es gilt, seriöse Anbieter von Reparaturen zu finden, Garantien auf Reparatur und Ersatzteil zu erhalten, wie dies die Augsburger Firma iPhone-Support tut.
  • Zwei Seiten des Heftes widmet BISS ausgewählten Reparaturwerkstätten in München. Repariert werden u.a. Fahrräder, Kameras, Drucker, Schuhe, Stuhlgeflechte, Musikinstrumente, Schirme und Puppen.
  • Das nächste Repair-Café findet statt am 14.9.2014 im HEI, in der Wörthstrasse 42.
  •  Im LETS Tauschring können Dienstleistungen und Sachen, abgerechnet als Einheit in einem Zeitkonto, im Ring getauscht werden.
  • Es gibt sogar zwei Online-Plattformen, wo sich Studenten zum gemeinsamen Kochen und zum Kennenlernen treffen können.
  • Ein offener Bücherschrank, wo man ein Buch mitnehmen, behalten, lesen, zurückbringen oder einfach hinstellen kann, befindet sich am Nordbad, Ecke Schleißheimer-/ Elisabethstrasse.
  • Das Projekt „Wohnen für Hilfe“ bietet ein kostenloses Zimmer für denjenigen, der im Haushalt hilft oder einkaufen geht. Es wird betrieben vom Studentenwerk und vom Seniorentreff Neuhausen.
  • Der Verein Foodsharing e.V. organisiert, dass Lebensmittel, die verwendbar sind, aber nicht mehr verkauft werden sollen, abgeholt und weiterverteilt werden. Am Viktualienmarkt sind täglich bis zu 8 Mitarbeiter beschäftigt, Essen zu retten. Es gibt 30 weitere Kooperationen mit Bäckereien, Bio-Läden und Metzgereien.

Übrigens: BISS kostet 2,20€, der Verkäufer erhält davon 1,10€.

Dieses Heft schließt mit einem Beitrag über die Jurastudentin Franziska Faßbinder, die eine kostenlose Rechtsberatung für Flüchtlinge gegründet hat. Der Verein heißt Refugee Law Clinic Munich (RLCM). Die Beratung findet direkt in Gemeinschaftsunterkünften statt.

BISS bietet obendrein eine Reihe von wichtigen Adressen zur Beratung und Hilfe im Falle von Wohnungsverlust, Sucht, Krankheit und Schulden.

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