Tribut: Konzerne am Tropf

Der Neoliberalismus zeichnet sich aus durch die Devise, je weniger Staat und je mehr Markt, desto besser.  Für die großen Firmen allerdings gilt das nicht.  Die Konzerne werden ständig mit vielen staatlichen Subventionen unterstützt.

Fabian Scheidler überschreibt in seinem Buch “CHAOS. Das neue Zeitalter der Revolutionen”, erschienen im Promedia Verlag, das  Kapitel, in dem er mehrere Beispiele staatlicher Subventionspolitik nennt, mit “Tribut”. Damit bezeichnet er Leistungen der Staaten zugunsten der “Konzerne am Tropf”.

 

 

Fossile Industrie

Die Erdöl-, Erdgas- und Kohleindustrie wird jährlich mit rund 500 Mrd Dollar subventioniert. Dabei sind nicht eingerechnet die verursachten Schäden durch den Klimawandel.

Auch nicht berücksichtigt sind die Kosten für die Kriege um Erdöl und die militärische Sicherung von Pipelines und Tankerrouten, die ebenfalls aus Steuergeldern bestritten werden.

Scheidler bezieht sich auf folgende Quellen:

  1. Internationale Energieagentur (IEA): World Energy Outlook 2015
  2. Joesph E. Stiglitz, LInda J. Bilmes: Die wahren Kosten des Krieges: Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak-Konflikts, München 2008

Automobilindustrie

Wenn die wahren Kosten des Erdöls auf die Benzinpreise umgelegt würden, die Branche könnte nicht überleben, Autofahren wäre nicht bezahlbar.

Der Bau und Unterhalt von Straßen verschlingt außerdem in allen Ländern der Erde weit mehr Geld, als durch Kfz-Steuern eingenommen wird – eine billionenschwere Subvention, die der Autoindustrie einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Schienenverkehr verschafft.

Die Abwrackprämie nach der Finanzkrise hat in Deutschland 5 Mrd Euro gekostet. Umweltschäden und Unfälle übersteigen bei uns die Auto-bezogenen Steuern und Gebühren um 59 Mrd Euro. 80 Mrd Dollar hat den amerikanischen Steuerzahler die Rettung von GM, Ford und Chrysler gekostet.

Quellen:

  1. Umweltbundesamt: Daten zum Verkehr, Dessau 2012
  2. Rettung von GM, Ford und Chrysler

Flugzeugbranche

Fast ausschließlich die Steuerzahler finanzieren den Bau der Flughäfen. Alleine der Bau des Flughafens BER hat bereits 5 Mrd Euro gekostet. Flugbenzin wird nicht versteuert. Der Flugverkehr wird bei den Klimaverhandlungen nicht betrachtet. Airlines werden mit Steuergeldern gerettet.

Die Flugzeugbranche produziert den am schnellsten wachsenden Anteil an Treibhausgasen und bezahlt für die daraus folgenden Schäden nichts.

Quelle:

Großbanken

Fast alle Großbanken sind 2008 mit Steuergeldern in Billionenhöhe gerettet worden, in Deutschland hat das den Steuerzahler etwa 60 Mrd Euro gekostet. Soviel geben wir für alle deutschen Schulen in Summe aus.

Auch die angeblichen “Rettungspakete für Griechenland” dienten, über den Umweg der griechischen Staatskasse, fast ausschließlich der Bankenrettung, bei den griechischen Bürgern ist davon so gut wie nichts angekommen.

Quellen:

  1. Harald Schumann, die Herrschaft der Superreichen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Dezember 2016
  2. Handelsblatt, 3.5.2016

Zentralbanken

Neun Billionen Dollar haben die Zentralbanken seit 2008 in die Märkte gepumt, Empfänger waren die privaten Banken. 80 Mrd Euro hat allein die EZB für den Ankauf von Aktien ausgegeben, damit die Aktienwerte künstlich nach oben getrieben.

Ein einziger Monat aus dem EZB-Wertpapier-Programm hätte genügt, um die Schuldenkrise Griechenlands zu lösen.

Quellen:

  1. Stephan Kaufmann: Die Billionenbombe, Berliner Zeitung, 2.5.2017
  2. Harald Schumann im Interview mit Kontext TV, 13.8.2015

IT-Konzerne

Jahrzehntelang hat der Staat für die IT-Konzerne als Forschungsabteilung gewirkt, besonders hervorgetan hat sich das MIT, das Massachusetts Institute of Technology. Entstandene Monopole werden staatlicherseits abgesichert durch das Patentrecht. Aus staatlichen Geschenken hat sich proprietäre Software gebildet.

In einem iPhone steckt, wie die Ökonomin Mariana Mazzucato feststellt, nicht eine einzige Technologie, die nicht staatlich finanziert wurde.

Quellen:

Mariana Mazzucato, Das Kapital des Staates, München 2014

siehe auch unseren Beitrag: Mehr Staat! Der unterschätzte Innovationsmotor!

Pharmaindustrie

Milliardenschwer wird die Pharmaindustrie subventioniert, unter anderem durch das IMI der EU, das “Innovative Medicines Initiative”, das 2,5 Mrd Euro in die Pharmaindustrie investiert hat.

In den USA werden zwei Drittel der Pharmaforschung aus staatlichen Subventionen bestritten, die sich auf ca 30 Milliarden Dollar jährlich belaufen; die Gewinne aus den meist überteuerten Medikamenten dagegen sind vollständig privatisiert.

Quellen (u.a.):

Maxie Eckert et al: Bürger zahlen, Konzerne profitieren, in Spiegel Online, 9.3.2015

Deutsche Großunternehmen

Die Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung umfasst ein Forschungsprogramm im Umfang von 27 Mrd Euro und unterstützt überwiegend die Großunternehmen. Beteiligt am Programm sind die Firmen Daimler, BMW, BASF, Siemens, E.ON, Boehringer Ingelheim und Dr. Oetker.

Die Forschungsförderung für eine sozial-ökologische Transformation beträgt dagegen ein Tausendstel der High-Tech-Strategie, nämlich 30 Millionen Euro.

Quelle:

Steffi Ober: Partizipation in der Wissenschaft: Zum Verhältnis von Forschungspolitik und Zivilgesellschaft am Beispiel der Hightechstrategie, München 2014

Chemieindustrie

Allein durch die Ausnahme von der Erneuerbaren-Energien-Umlage wird die Chemieindustrie mit 1,6 Mrd Euro subventioniert.

Quelle:

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Atomindustrie

Eine Greenpeace-Studie sagt, allein in Deutschland sind in den 1950er Jahren 200 Mrd Euro in die Atomforschung geflossen. Die Kosten für den Rückbau der Atommeiler und die Endlagerung der atomaren Brennstoffe sind darin nicht enthalten.

Rüstung

Die Summe der staatlichen Verteidigungsetats beträgt weltweit ca 1,5 Billionen Dollar.

Mit einem Bruchteil dieses Geldes ließe sich sowohl der Hunger auf der Welt, der 800 Millionen Menschen betrifft, beseitigen, als auch die Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Alternativen umstellen.

Landwirtschaft

Die industrielle Landwirtschaft erhält jährlich mindestens 50 Mrd Euro an Agrarsubventionen. Die Landwirtschaft verantwortet weltweit etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen, verbraucht 80 bis 90% des Süßwassers und zerstört durch Überproduktion und Exporte die Landwirtschaft vor allem in westafrikanischen Ländern.

Agrarsubventionen fließen sogar an branchenferne Konzerne wie BASF, Bayer, RWE und – man kann es kaum glauben – an den Panzerhersteller Rheinmetall.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 26.4.2014

Steueroasen

Alle großen Konzerne profitieren von Steueroasen und Steuerschlupflöchern. Die daraus resultierenden staatlichen Einnahmeverluste werden auf 1000 Mrd Euro geschätzt, damit ließen sich mittelfristig alle Staatsschulden in der EU begleichen. Oft sind es Regierungen, die Steuervermeidung organisieren, wie Luxemburg, Monaco, Großbritannien oder Delaware in den USA. Die Zentralbanken könnten sehr einfach allen Kreditinstitutionen, die mit Steueroasen Geschäfte machen, die Konten kündigen und die Steuervermeidung beenden.

Die Bundesregierung unterstützt die Steuerflucht außerdem mit einem Trick, indem sie die Aufsicht darüber ausgerechnet an die Wirtschaftsprüfungskonzerne KPMG und PriceWaterhouseCoopers outgesourct hat, die selbst Steuervermeidung im großen Stil organisiert haben.

Quellen:

Sven Giegold (MdEP für die Grünen) im Interview mit Kontext TV, 19.7.2016

Investitionsschutzabkommen

Diese Abkommen werden fälschlicherweise Freihandelsabkommen genannt. Konzerne können Staaten auf Schadensersatz verklagen, wenn ihnen fiktive Gewinne entgehen durch staatliche Gesetzgebung in der Sozialpolitik oder in der Umweltpolitik. Deutschland hat immerhin schon 130 solcher Verträge abgeschlossen.

Der Sinn dieser Verträge besteht darin, Investitionsrisiken auf Steuerzahler abzuwälzen, Gesetzgeber vor unliebsamen Regulierungen abzuschrecken und eine neue Art von Geldflüssen aus Staatskassen an Unternehmen zu organisieren.

Entwicklungszusammenarbeit

Große Teile der 130 Mrd Dollar, die die Staaten für Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, fließen über Entwicklungsgesellschaften in die Kassen großer Konzerne. Abgewickelt wird oft über Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP/PPP), indem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Deutsche Entwicklungshilfe wird zum Beispiel genutzt, um Gentechnik-Konzerne wie Monsanto und Bayer zu fördern, den Verkauf von Dr.-Oetker-Pizzen in Ostafrika zu subventionieren, Steuerflucht zu unterstützen und Kleinbauern von ihrem Land zu vertreiben, um dort Palmölplantagen aufzubauen.

Quelle: Dokumentarfilm “Konzerne als Retter? Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe” von Caroline Nokel und Valentin Thurn, Deutschland 2017

Öffentlich-Private Partnerschaften

Die Berliner Wasserbetriebe sind in den 1990er Jahren teilprivatisiert worden. Dabei sind Konzernen Profite in Höhe der durchschnittlichen marktüblichen Renditen plus zwei Prozent zugesichert worden. Geplant ist die Bundesfernstraßengesellschaft. Mit ihr sollen deutsche Autobahnen in Höhe von 200 Mrd Euro über private Kapitalverwertung gebaut werden.

Mit ÖPP’s und “stillen Einlagen” sollen Finanzkonzernen wie Allianz und Deutscher Bank, die verzweifelt nach lukrativen Anlagen suchen, risikolose, staatlich abgesicherte hohe Renditen verschafft werden.

Quellen:

Berliner Zeitung, 27.3.2017, www.gemeingut.org, www.keine-autobahn-privatisierung.de

Rentensystem

Die “Riester-Rente” ist eine Teilprivatisierung des deutschen Rentensystems.

Der ehemalige deutsche Arbeitsminister Norbert Blüm hat errechnet, dass die 13 Milliarden Euro Staatszuschüsse vor allem in die Kassen privater Versicherungskonzerne wie die Allianz flossen.

Das Ergebnis sind gewaltige Rentenkürzungen. Bei gleicher Lebensarbeitszeit und gleichem Einkommen ist die Rente um 30% niedriger als die in Österreich, wo man am Umlagesystem festgehalten hat.

Quelle: www.boeckler.de/63056_63185.htm

Fabian Scheidler stellt am Ende dieser Aufstellung fest: Subventioniert werden hauptsächlich Branchen, die für den Klimawandel verantwortlich sind und die sie finanzierenden Banken. Arbeitsplätze könnten vielmehr gesichert werden, wenn die Staaten mehr investierten in den Gesundheitsbereich, in den öffentlichen Verkehr, in die Bildung oder in die ökologische Landwirtschaft. Der erforderliche sozial-ökologische Wandel wird durch die Subventionierung der Konzerne verhindert.

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3 Gedanken zu „Tribut: Konzerne am Tropf

  1. Andreas Schlutter

    Sehr schön hat “Die Anstalt” am 7. März 2017 die Subvention der Fossilen Industrie und der Automobilindustrie auf den Punkt gebracht, z.B. hier zum Benzinpreis:

  2. Ludger Elmer Beitragsautor

    Nach Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation thematisiert Kontext-TV-Mitbegründer Fabian Scheidler in seinem neuen Buch die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft: die Krise des Lebens auf der Erde, die extreme Spaltung zwischen Arm und Reich und das System der „globalen Apartheid“, das die kleiner werdenden Wohlstandsinseln zu Festungen ausbaut. Vor diesem Hintergrund fragt David Goeßmann den Autor nach Perspektiven für eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation.
    siehe: http://www.kontext-tv.de/de/sendungen/chaos-ein-neues-zeitalter-der-revolutionen

  3. Ludger Elmer Beitragsautor

    Anbei eine Rezension des Buches:
    https://www.journal21.ch/blick-in-die-finsternis …. und die Subventionen in kürze:

    Die „Megamaschine“, welche die Welt allmählich ins Chaos stürze, wird, nach Auffassung des Autors, weltweit durch staatliche Subventionen am Laufen gehalten.

    die Erdöl- und Gasindustrie nach Angaben der Internationalen Energieagentur mit 500 Milliarden Dollar jährlich;
    die Flugzeugbranche durch den Bau von Flughäfen mit öffentlichen Mitteln und durch die Nichtbesteuerung von Flugbenzin;
    viele Banken, die nach der Finanzkrise von 2008 mit öffentlichen Geldern gerettet worden seien;
    die Pharmaindustrie durch öffentliche Forschungsaufträge;
    die Atomindustrie laut einer Greenpeace-Studie bis jetzt mit insgesamt 200 Milliarden Dollar;
    die Rüstungsbranche durch einen aufgeblähten Verteidigungshaushalt;
    der Staat selbst, dessen Gelder für die Entwicklungshilfe etwa zum grossen Teil wieder ins Land zurückflössen;
    die deutsche Versicherungsindustrie, die von der „Riesterrente“ nicht unerheblich profitiere;
    die Landwirtschaft mit immensen EU-Fördermitteln, von denen grosse Summen von Agrarkonzernen abgegriffen würden;
    schliesslich die Autoindustrie, der fast kostenlos eine riesige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werde, welche allein durch die KFZ-Steuer nicht bezahlt werden könne.

    Der Autor nennt diese Entwicklung „Sozialismus für Reiche“ ….

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