Mehr Geld für Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen gesellschaftlich erforderlich

Streikdemo am 18.05.2015 in München

Jetzt ist die Schlichtung vereinbart, der Streik in städtischen Kitas, den Jugendämtern wird für zwei Wochen ausgesetzt. Der berechtigten Forderung von ver.di, die Berufe aufzuwerten, haben die kommunalen Arbeitgeber kein substanzielles Angebot gegenübergestellt.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt Wassilios Fthenakis, Leiter des Instituts für Frühpädagogik in München auf die Frage, ob er die Forderungen für berechtigt hält:

Natürlich, ich verstehe sie außerordentlich gut. Sie tragen eine enorme Last. Ich habe in diesem Jahr wieder in mehreren Kindergärten hospitiert, und ich bewundere jede Fachkraft, die diese Belastungen aushält. (…)
Die Einrichtungen sind unterfinanziert und unterbesetzt, hinzu kommt der gestiegene Verwaltungsaufwand. Zusätzlich bringen auch die Kinder mehr Herausforderungen mit: Scheidungen, Armut, Migrationshintergrund. In einer Kita in Hannover zum Beispiel kommen heute über 50 Prozent der Kinder aus Migrantenfamilien. Dann wird zusätzliche sprachliche Förderung nötig, und darauf sind viele Erzieher nicht ausreichend vorbereitet.

In diesem Interview macht er auch deutlich, wer letztlich hier in der Verantwortung steht:

Die eigentlich Verantwortlichen für diese Misere sitzen gar nicht mit am Tisch. Denn verantwortlich ist die Politik. Deutschland investiert nur 0,65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in frühkindliche Bildung. Die OECD empfiehlt Investitionen von mindestens einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes, Schweden investiert sogar mehr als zwei Prozent. Wir haben hier ein systemimmanentes Problem. Schwache Menschen in der Gesellschaft werden offenbar nicht genauso wertgeschätzt wie die starken Teile der Gesellschaft.

Das heißt, die Verhandlungsführung der Arbeitgeber unter Thomas Böhle, dem Personalreferenten der Stadt München, müsste sich an die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wenden und sie beim Wort nehmen, hat sie doch eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen gefordert:

“Wir müssen langfristig die Löhne der Erzieherinnen und Erzieher auf das Niveau von Grundschullehrern anheben”, sagte Schwesig. Allerdings werde man einen solchen Gehaltssprung nicht mit einem Mal schaffen. Zugleich sagte sie, die Betreuung von Kleinkindern habe deutlich mehr Wertschätzung verdient.
Quelle: Zeit online

Eine alleinerziehende Kinderpflegerin, die 30 Stunden arbeitet und zwei Kinder hat, geht bei vier Jahren Berufserfahrung nach dem derzeitigen Tarifvertrag mit 1.336 € netto nach Hause. Mit Kindergeld kommt sie auf 1.704 €, bekommt sie den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle kommt sie – je nach Alter der Kinder auf ein verfügbares Familieneinkommen von vielleicht 2.100 €. Übrigens: in München gruppiert die Stadt eine Entgeltgruppe höher ein und es gibt zudem die München Zulage, das macht ca. 150 € netto mehr aus, aber dafür sind die Mieten auch deutlich höher. Das schwankt alles an der Armutsgrenze in Deutschland. Womöglich hat eine solche Kinderpflegerin zudem einen Anspruch auf Mietkostenzuschuss nach dem SGB II, den zu einem großen Teil die Kommune zahlen muss.

Eine gute Lösung, die bei der notwendigen Aufwertung der Beschäftigten die vielen Kommunen mit erheblichen finanziellen Problemen entlastet, ist notwendig. Die Kommunen müssen also vom Bund durch eine andere Verteilung der Steuereinnahmen in die Lage versetzt werden, bessere Gehälter und bessere Personalschlüssel bezahlen zu können. Denn Gruppen müssen mehr Personal bekommen und kleiner werden können, damit eine bessere frühkindliche Förderung und Bildung möglich ist.

Dann wäre der Tarifkonflikt schnell zu lösen. Nur: offensichtlich haben die kommunalen Arbeitgeber womöglich obendrein Angst vor der Öffnung der Büchse der Pandora. Die Einführung der Arbeitsmarktzulage in München allein für ErzieherInnen in Kitas und Horten haben ja schon sehr viel Unmut erzeugt. Die Kinderpflegerinnen sind leer ausgegangen, die Beschäftigten in der Kranken-und Altenpflege fragen zu Recht: warum bekommen wir nicht mehr? Die Gewerkschaft ver.di fordert ja schon länger, dass eine examinierte Fachkraft mindestens 3.000 € brutto verdienen muss.

Dieser Tarifkonflikt ist also auch dafür wichtig und notwendig, dass die Debatte über den gesellschaftlichen Wert der Arbeit in allen sozialen Dienstleistungsberufen endlich offen und breit geführt wird. Es geht hierbei um nicht weniger als um den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Bildquelle: Infoblog für Verdi-Betriebsgruppen in Caritas-Einrichtungen & Interessierte

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