Merkels Worte sind unerträglich

Dieses Wort der Bundeskanzlerin hat mich wirklich geärgert. Beim Gedenken an die 27 Millionen russische Bürger, die dem Nazikrieg zum Opfer gefallen sind, sagt sie, die russische Politik sei verbrecherisch. Wie kann man sich in der Wortwahl nur so vergreifen? Wir veröffentlichen daher den offenen Brief von Jürgen Todenhöfer.

“Liebe Freunde, ist Putins Politik “verbrecherisch”, wie Angela Merkel zur Verblüffung der Weltöffentlichkeit in Moskau verkündete? Russland ist zwar kein lupenreiner Rechtsstaat. Aber sind die USA das? Russland ist auch nicht immer friedlich (Ukraine, Krim). Aber neben den USA mit 1 Mio Toten allein im Irak ist Russland ein pazifistischer Waisenknabe. Ist Putin trotzdem ein “verbrecherischer” Feind, während der saudische König trotz seines Überfalls auf den Jemen und Netanjahu trotz seiner Massaker in Gaza Freunde sind? Spinnt der Westen?

Es gibt zwei Dinge im Leben, die man nicht zurückholen kann. Vergangene Zeit und böse Worte. Deshalb war der Eklat von Moskau eine politische Katastrophe, die ernste Folgen haben wird. Putin wird nie vergessen, dass Merkel sein Verhalten vor der Weltöffentlichkeit “verbrecherisch” nannte. Ausgerechnet beim Gedenken an 27 Millionen Getötete durch den deutschen Angriffskrieg!!! Nie wird er das vergessen! Nie!

Putins Russland wird von den USA und auch von der EU zunehmend dämonisiert. Wie einst Kuba, Irak usw. Jeder, der nicht nach der amerikanischen Pfeife tanzt, wird von den US-Cowboys zum Schurken und Feind ernannt. Und oft leider auch von deutschen Politikern.

Solange Russland zum Vormarsch der NATO bis vor seine Nasenspitze schwieg, war alles ok. Obwohl der Westen ihm bei der Wiedervereinigung das genaue Gegenteil versprochen hatte. Aber als Putin eines Tages zu den EU-Plänen der Ukraine “Stopp” sagte, wurde er vom Partner zum “dämonischen Schurken” degradiert.

Doch Putin ist kein dämonischer Schurke, auch wenn man ihm in der Krim- und Ukrainefrage widersprechen muss. Wir dürfen nicht jedes Machtspiel der USA mitmachen. Wir sind Verbündete, keine Leibeigenen.

Im Gegenteil: Wir Europäer sollten nicht weniger, sondern mehr Partnerschaft mit Russland wagen. Alle europäischen Herrscher, die wie Kaiser Wilhelm, Napoleon oder Hitler Russland unterschätzten, sind kläglich gescheitert.

Ich plädiere daher – ohne die transatlantische Partnerschaft mit den USA in Frage zu stellen – für eine engere wirtschaftliche und strategische Partnerschaft mit Russland. Selbstverständlich mit Putin. Nichts wäre in dieser Partnerschaft ausgeschlossen. Auch nicht ein großes Freihandelsabkommen mit Russland. Geographisch drängt sich diese Partnerschaft geradezu auf.

Ein Gesamt-Europa einschließlich Russland wäre ein Machtfaktor, den die USA nicht einfach hin und her schubsen könnten. In der Frage von Krieg und Frieden könnte dies oft entscheidend sein. “Wandel durch Verhandlungen” sollte die Devise der Außenpolitik Gesamteuropas werden und nicht mehr “Wandel durch Krieg”

Putins Russland ist nicht unser Feind. Und Putin selbst auch nicht. Wir sollten alles tun, damit Russland langfristig unser Freund wird. Politik braucht Visionen, kühne Alternativen und nicht diese ewigen Feindbildstrategien, die fast immer in Katastrophen führen.

Schreibt das eueren Abgeordneten! Sie sind lange genug als Herdentiere in die falsche Richtung getrottet. Oder schreibt einen Leserbrief an eine Zeitung eurer Wahl! Wenn wir die nächsten Jahrzehnte in Frieden leben wollen, können wir uns keinen neuen Ost-West-Konflikt leisten. Wie wäre es mit einer Entschuldigung bei Putin, Frau Bundeskanzler? Euer JT”

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5 Gedanken zu „Merkels Worte sind unerträglich

  1. Andreas Schlutter

    Es ist immer wieder erschreckend, wie durchsichtig diese “Spiele” sind, welche Macht, welches Land als Feind zum “freien und demokratischen Westen” aufgebaut wird. Nach 25 Jahren Abstinenz also wieder Russland (nachdem die Sowjetunion in sich zusammengefallen ist). Erschreckend auch deshalb, weil wir uns als Öffentlichkeit dies gefallen lassen und der Widerspruch gegen diese Politik kaum vernehmbar bleibt.

    Bei den geopolitisches Interessen der NATO und insbesondere der USA an der Ukraine und entsprechenden wiederholten Versuchen der Einflussnahme auf die Machtverhältnisse im Land (Stichworte “orangene Revolution”, Telefonat der US-Diplomatin Victoria Nuland) fällt auf, dass die westliche Politik auf korrupte und korrumpierbare Eliten setzt, allen voran die Oligarchen des Landes, dass es aber nicht um die sozialen Rechte und Lebensperspektiven der Menschen geht. Und wenn Russland, dass dies ebenfalls maximal sehr begrenzt im Auge hat, dann was anderes will, weil es andere strategische Interessen hat, dann ist klar, wer den schwarzen Peter hat. Dass verbrecherisch zu nennen, ist schon starker Tobak angesichts dessen, was man sich selber zu Schulden kommen lässt.

    Übrigens verbrecherisch: ob das das Wort ist, dass Merkel Anfang Juni bei ihrem Treffen mit dem neuen Diktator Ägyptens Abdel Fattah al-Sisi angesichts des Todesurteils gegen Mohammed Mursi, den ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens seit Jahrzehnten, benutzen wird?

  2. Mette Kramer

    Laut verschiedenster Berichte ist die Ukraine nur ein Zwischenschritt und -spiel um zuerst Russland, dann wohl China und die ganze übrige Welt zu erobern und zu beherrschen. Absolutistischer Allmachtswahn des militärisch-industriellen Komplexes von USA. Sowohl politisch als auch gesellschaftlich sowie mittels Chemie in allen Bereichen des Lebens jedes Einzelnen ist diese Eine-Welt-Regierung gewünscht. Einen “freien” “demokratischen” Westen gibt es nicht. Ein Sprichwort lautet “Der Mensch schließt von sich auf andere!!” Das tut die amerikanische Industrie-“Elite” mit der von ihr kontrollierten Regierung von USA schon lange. Sie bilden sich ein wenn sie auf andere hinweisen selbst unbehelligt weiter vordringen zu können um ihre Welt-Regierung zu installieren!!

  3. ronald fedtke

    “Beim Gedenken an die 27 Millionen russische Bürger, die dem Nazikrieg zum Opfer gefallen sind…”

    Leider mal wieder ein typischer “Flüchtigkeitsfehler”: Es sind 27 MillionenSOWJETbürger dem deutschen Angriffskrieg zum Opfer gefallen, neben Russen auch Ukrainer, Weißrussen, Balten etc. Die baltischen Republiken, Weißrussland und die Ukraine waren sogar vollständig besetzt und hatten unter der deutschen Besatzung am meisten zu leiden.
    Es ist ziemlich zynisch, nur die Russen als Opfer des Angriffskriegs darzustellen, zumal wenn den Ukrainern damit noch implizit (oder häufig sogar ausdrücklich) besondere Anfälligkeit für Nationalismus unterstellt wird.

    1. Andreas Schlutter

      Jeder Kriegstote ist einer zuviel, insofern kann ich den Zynismus in Bezug auf die Opfer des Zweietn Weltkrieges nicht erkennen.

      Wer für eine friedliche Welt ohne Kriege eintreten will, der muss in meinen Augen für eine Partnerschaft mit Russland plädieren. Alles andere treibt die Rüstungsausgaben in die Höhe und führt definitiv nicht dazu, regionale Konflikte wie den im Nahen Osten, vor allem in Syrien zu befrieden.

      Zynisch ist es in meinen Augen, wie der Westen in Bezug auf die KOnflikte im Nahen und Mittleren Osten immer wieder agiert. Da geht es nie tatsächlich um die Menschenrechte, denn sonst dürfte es z.B. ein Bündnis mit Saudi-Arabien nicht geben. Amnesty hat dort mehr Menschenrechtsverletzungen dokumentiert als in Lybien, ads allerdings dan bombardiert wurde und mittlerweile wohl zu den “failed states” zu rechnen ist.

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