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Erziehermangel in München: Lösung in weiter Ferne

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Foto: Florian Seiffert

Im Lokalteil titelte die Süddeutsche vorgestern so treffend daneben “Kindertagesstätten – München gehen die Erzieher aus[2]“. Anlass des Artikels ist die Kombination aus Fachkräftemangel und Grippewelle gewesen. Richtig müsste es Erzieherinnen heißen, denn Männer sucht man in den meisten Einrichtungen vergebens. Das Fachkräfteportal ErzieherIn.de [1] schreibt dazu:

Unter den EU-Ländern sind dabei große Unterschiede zu verzeichnen. Dänemark ist der Spitzenreiter mit 6 % Männern in der Krippe und 10 % in Kindergärten. Die Anteile sind höher in Freizeiteinrichtungen und im außerschulischen Bereich. Deutschland hat in Kitas einen Anteil von 3 %, die meisten Länder kommen jedoch nicht einmal auf 1 %. Es handelt sich hier also nicht um ein deutsches, sondern um ein europäisches Thema.

Oberhuemer/Schreyer diagnostizieren, dass die geringen Gehälter der Grund für die fehlende Präsenz von Männern im Kita-Bereich seien. Dies ist sicher ein Grund, aber es gibt darüber hinaus andere (…):

  • Das traditionelle Männerbild lässt sich immer noch schwer mit der sorgenden, empathischen Arbeit mit kleinen Kindern vereinbaren.
  • Auch aufgeschlossene, flexible Männer werden häufig Probleme haben, ihrer Umwelt zu vermitteln, dass sie nun mit kleinen Kindern arbeiten wollen: Die Reaktion der Umwelt ist nicht zu vernachlässigen.
  • Ein wesentlicher Punkt ist auch die weibliche Domäne Kita, in der sich einzelne Männer als Fachkräfte behaupten müssen. Es gehört viel Mut dazu, sich einer solchen Übermacht an Frauen auszuliefern.

Nun soll es hier nicht um Sprachanalyse gehen. Dem Fachkräftemangel in München wird seit einigen Jahren von freien Trägern durch das gezielte Anwerben in Griechenland und Spanien begegnet, auch das ist Teil der Krise der Südländer der EU. Mit eigenen Anstrengungen die personellen Lücken zu füllen, kann den Fachakademien für Sozialpädagogik, die die Ausbildung der Erzieherinnen verantworten, kaum schnell gelingen. Die Ausbildung dauert aus gutem Grund fünf Jahre (die ersten beiden qualifizieren dabei zur Kinderpflegerin), selbst bei einem weiteren Ausbau der Ausbildung wird es erst nach 2020 eine deutliche Entlastung geben können.

Die Bezahlung ist mäßig, inklusive der von der Landeshauptstadt München seit November vergangenen Jahres gezahlten Arbeitsmarktzulage in Höhe von 200 Euro sowie der regulären München-Zulage in Höhe von 117,91 Euro verdient eine Erzieherin bei der Stadt mit 10 Jahren Berufserfahrung nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ca. 3.260 Euro – außerhalb des Ballungsraums also in etwa 2.945 Euro, Aufstiegsmöglichkeiten gibt es wenige.

Es gibt viele freie Träger, die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände, AWO, BRK, gemeinnützige Vereine, Elterninitiativen. Alle stehen vor demselben Problem – es gibt zu wenig Erzieherinnen. Und bei den hohen Mieten [2] und Lebenshaltungskosten in München ist auch kaum darauf zu hoffen, dass junge Frauen oder gar ganze Familien aus dem ganzen Bundesgebiet nach München ziehen, weil es hier eine so aufregend breite Möglichkeit für die beruflichen Karriere für Frauen gibt.

Ein Teil der Lösung ist die grundsätzlich bessere Bezahlung, wie die Gewerkschaft ver.di sie in der aktuellen Aufwertungskampagne für die sozialen Berufe [3] fordert. Dazu wäre es allerdings dringend wünschenswert, wenn mehr Frauen für sich erkennen und dies in Handeln umsetzen, dass sie sich für eine Verbesserung der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen schon selber durch gemeinsames Handeln einsetzen müssen.

Der andere Teil ist die Frage, wie es gelingen kann, mehr Männer für den Beruf zu interessieren. Das bedarf wohl einer Veränderung der gesellschaftlichen Werte und Ziele. In einem marktradikalen, von Konkurrenz getriebenen Kapitalismus ist es schwer, öffentlich zu finanzierende Leistungen wie Kindertagesbetreuung den gesellschaftlichen Wert zu geben, den sie verdienen. Aber diese Leistungen sind existenziell für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Diese notwendige Debatte können, ja müssen wir vor Ort führen. Wir sind es unseren Kindern schuldig. Lasst uns damit beginnen.

Bildquelle: Florian Seiffert[3] / CC BY-NC-SA 2.0 [4]

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Endnotes:
  1. [Image]: https://farm1.staticflickr.com/118/274569891_41bc1c69e9_b.jpg
  2. Kindertagesstätten – München gehen die Erzieher aus: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/kindertagesstaetten-muenchen-gehen-die-erzieher-aus-1.2350351
  3. Florian Seiffert: https://www.flickr.com/photos/seiffert/sets/72157594336872474
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